> > > Pergolesi, Giovanni Battista: Il prigionier superbo & La serva padrona
Montag, 25. September 2023

Pergolesi, Giovanni Battista - Il prigionier superbo & La serva padrona

Albernes Spektakel statt kluge Unterhaltung


Label/Verlag: Monarda Music
Detailinformationen zum besprochenen Titel


Die beiden Pergolesi-Mitschnitte aus dem italienischen Jesi sind orchestral entzückend, vokal und vor allem bezüglich der Inszenierung aber nicht überzeugend.

Immer wieder wurde versucht, die Musik Giovanni Battista Pergolesis wiederzubeleben. Was aber zu Stravinskys Zeiten als ‚Plagiat in 'Pulcinella' begann, hat bis heute, trotz der Bemühungen etwa Carlo Maria Giulinis und Riccardo Mutis, nicht wirklich nachhaltige Spuren hinterlassen. Nicht selten mag dies an dem Stilbruch liegen, dem viele modern orientierte Dirigenten erliegen, wahrscheinlich erliegen müssen, weil die Musik eindeutig ‚altmodisch‘, echte Barockmusik ist.

In Jesi (Provinz Ancona) befindet sich das Teatro G. B. Pergolesi, das regelmäßig das Schaffen des Sohnes der Stadt pflegt. Der Beginn von 'Il prigionier superbo', einem dreiaktigen Dramma per musica, könnte einem musikalisch die Zornesröte ins Gesicht treiben, haben wir hier doch eine typische postmoderne Lärmkollage, aus der die spritzige Ouvertüre der vergessenen Kostbarkeit quasi entsteigt. Gleich in den ersten Takten erfreut diese Produktion durch unbändig scheinende Energie. Die Accademia Barocca de I Vitruosi Italiani mit Corrado Rovaris am Cembalo hat Pergolesis Musik verstanden und setzt sie kongenial um. Leider steht ihr in Henning Brockhaus kein Regisseur zur Seite, der ihre Bemühungen auch szenisch unterstützen könnte. Gerade bei einer heute vergessenen Oper mit vielen unerwarteten Wendungen muss die Regie die Handlung unterstützen, nicht konterkarieren.

Die Handlung des Dreiakters (Pergolesis zweiter Opera seria) war damals durchaus typisch: Der Gotenkönig Metalce hält Sostrate, den König von Norwegen gefangen, dessen Tochter Rosmene er für sich gewinnen will. Diese zieht sich zunächst von ihrem Liebhaber, dem dänischen Prinzen Viridate zurück, einem Feldherrn des Gotenkönigs, der diesem den Herrscher von Norwegen ausgeliefert hatte.

Die Tenorpartie des Sostrate hat Antonio Lozano übernommen. Immer wieder hat man das Gefühl, das Lozano der Partie nicht gewachsen ist. Die Stimme schwingt nicht aus, in keiner Lage zeugt sie von sonderlicher Eleganz; immerhin sitzen die Tonhöhen. Wenn man bedenkt, wie sträflich die Inszenierung die Sänger behandelt, ist das durchaus schon eine Leistung.

Metalce wird überaus überzeugend von der Mezzosopranistin Marina de Liso gesungen, allerdings unter Ignorierung der Tatsache, dass es sich um eine Hosenrolle handelt. Hierdurch verliert die Dramaturgie (so man denn von einer solchen in der Bühnenproduktion überhaupt sprechen kann) vollends an Logik. Wie leicht kann man sich andere Sängerinnen vorstellen, die diese wichtige Nuance in ihrer Stimme mit transportieren. Die Partie der Rosmene singt die Mezzosopranistin Marina Rodríguez Cusi, mit schwerer Stimme als Metalces, wodurch zwar die Arie 'Fra tanti affanni miei' herrlich zur Geltung kommt, insgesamt der Partie aber jede Jugend und Frische fehlt. Sicher ist die Sängerin der Rosmene älter als ihr vorgeblicher Vater, eine der typischen Unsinnigkeiten von Operncasting. Von unsteter Stimmgebung vor allem im Piano ist die Sopranistin Marina Comparato in der Kastratenrolle des Viridate. Ihre Bemühungen sind hörbar, besonders in der großen Eröffnungsarie des dritten Aktes. Da liegt ihr die militärische Arie 'Del mio valore al lampo' deutlich besser, auch wenn allenthalben Schwächen hörbar sind. Hier ist keine Wärme, keine Brillanz, wenn auch akzeptable Koloraturfähigkeit.

Der Nebenhandlung um Ericlea, die Tochter des ersten Königs von Norwegen Clearco, und ihren Liebhaber, den böhmischen Prinzen Micisda, ist musikalisch leider nur teilweise besser gedient. Giacinta Nicotra als Micisda (nicht in einer Hosenrolle) ist ihrer Rolle kaum gewachsen; ihr Vibrato ist enervierend, ihr Taktgefühl ist allenthalben approximativ. Am überzeugendsten vom ganzen Ensemble ist Ruth Rosique als Ericlea. Sie hat ein gutes Gefühl für Timing, ihre Stimme spricht durchgängig gut an und ist von passendem Timbre. Für eine Gesamtaufführung einer Oper ist dieser eine Lichtblick aber leider zu wenig.

Zur Auflockerung dieser großen Oper hatte Pergolesi 1733 seine wohl berühmteste Komposition neben dem 'Stabat mater' geschaffen, das zweiteilige Intermezzo 'La serva padrona'. In Jesi wurden Hauptoper (2009) und Intermezzo (2011) nicht gleichzeitig aufs Programm gesetzt, und auch auf den zwei DVDs werden die Produktionen separat, nicht ineinander verschränkt dargeboten, wie ursprünglich intendiert. Der Begleittext weist auf den Verlust des Bewusstseins um eventuelle Interdependenzen beider Werke hin, leider sind die Theatermacher wieder einmal taub gegenüber der ursprünglichen Autorenintention.

'La serva padrona' fordert nur zwei Gesangssolisten, den alten Uberto und die schlaue Dienerin Serpina; außerdem gibt es den stummen Diener Vespone. Wer hier ein ‚period setting‘ erwartet, wird auch hier von Brockhaus enttäuscht. Mit dem, was Pergolesis Librettisten an Handlung bieten, hat das hier in den Zirkus transportierte Geschehen kaum mehr etwas zu tun. Wie so oft, ist besonders die Rolle des Uberto vokal unterbesetzt (bei großer Spielfreude). Carlo Lepore besitzt weder die Qualitäten Nicola Rossi Lemenis (unter Giulini) noch das Stilgefühl Petteri Salomaas (historisch informiert unter Hans Ludwig Hirsch). Die Capricen und die Unabhängigkeit Serpinas vermag Alessandra Marianelli überzeugend zu vermitteln – eine Sängerin mit frischer, dem Part gemäßer (Koloratur-)Soubrettenstimme und natürlicher Ausdruckskraft; musikalisch ist sie Lepore haushoch überlegen – es hätte eines Ferruccio Furlanetto bedurft, um Marianelli musikalisch Kontra geben zu können. Der Vespone wird durch den Pantomimen Jean Méningue als beschränkter Clown dargestellt, dümmer wieder einmal, als es die Partitur fordern würde. Ist das wieder einmal Oper für jene, die albernes Spektakel benötigen statt kluge Unterhaltung? Da freue ich mich doch an der Fernsehfassung von 1962 mit Anna Moffo und Paolo Montarsolo, die man auf Youtube findet.

Zu Beginn der Aufführung sah man die Zuschauer ein opulentes Programmheft in Händen halten. Man muss bedauern, dass die Ignoranz der DVD-Industrie durchgängig auf entsprechende Informationen (oder zumindest Zusatzmaterial auf der DVD) verzichtet. Außer den Untertitelungen bieten die DVDs nichts, und auch das Booklet verzichtet auf die Mitteilung auch der grundlegendsten Informationen zu den Werken (Inhaltsangaben: Fehlanzeige). Dies sind schwer wiegende Minuspunkte, wie auch das Unverständnis der Bühnenregie und der Bildregie.

Interpretation:
Klangqualität:
Repertoirewert: 
Booklet:
Regie:






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Detail-Informationen zum vorliegenden Titel:



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    Pergolesi, Giovanni Battista: Il prigionier superbo & La serva padrona

Label:
Anzahl Medien:
Veröffentlichung:
Monarda Music
2
22.10.2012
Medium:
EAN:

DVD
807280165494


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Monarda Music

Arthaus Musik wurde im März 2000 in München gegründet und hat seit 2007 seinen Firmensitz in Halle (Saale), der Geburtsstadt Georg Friedrich Händels.

Das Pionierlabel für Klassik auf DVD veröffentlicht nunmehr seit 13 Jahren hochkarätige Aufzeichnungen von Opern, Balletten, klassischen Konzerten, Jazz, Theaterinszenierungen sowie ausgesuchte Dokumentationen über Musik und Kunst. Mit bis zu 150 Veröffentlichungen pro Jahr sind bisher über 1000 Titel auf DVD und Blu-ray erschienen. Damit bietet Arthaus Musik den weltweit umfangreichsten Katalog von audiovisuellen Musik- und Kunstproduktionen und ist seit Gründung des Labels international führender Anbieter in diesem Segment des Home Entertainment Marktes.

In vielen referenzgültigen Aufzeichnungen sind die größten Künstler unserer Zeit wie auch aus vergangenen Tagen zu hören und zu sehen. Unter den Veröffentlichungen finden sich Aufnahmen mit Plácido Domingo, Cecilia Bartoli, Luciano Pavarotti, Maria Callas, Jonas Kaufmann, Elīna Garanča; mit Dirigenten wie Carlos Kleiber, Claudio Abbado, Nikolaus Harnoncourt, Lorin Maazel, Pierre Boulez, Zubin Mehta; aus Opernhäusern wie der Mailänder Scala, der Wiener Staatsoper, dem Royal Opera House Covent Garden, der Opéra National de Paris , der Staatsoper Unter den Linden, der Deutschen Oper Berlin und dem Opernhaus Zürich.

Zahlreiche Veröffentlichungen des Labels wurden mit internationalen Preisen ausgezeichnet, darunter der Oscar-prämierte Animationsfilm ?Peter & der Wolf? von Suzie Templeton, die aufwändig produzierte ?Walter-Felsenstein-Edition? und die von Sasha Waltz choreographierte Oper ?Dido und Aeneas?, die beide den Preis der deutschen Schallplattenkritik erhielten. Mit dem Midem Classical Award wurden u. a. die Dokumentationen ?Herbert von Karajan ? Maestro for the Screen? von Georg Wübbolt und ?Celibidache ? You don?t do anything, you let it evolve? von Jan Schmidt-Garre ausgezeichnet. Die Dokumentation ?Carlos Kleiber ? Traces to nowhere? von Eric Schulz erhielt den ECHO Klassik 2011.

Mit der Tochterfirma Monarda Arts besitzt Arthaus Musik eine ca. 900 Produktionen umfassende Rechtebibliothek zur DVD-, TV- und Onlineauswertung. Seit 2007 entwickelt das Unternehmen kontinuierlich die Sparte Eigenproduktion mit der Aufzeichnung von Opern, Konzerten, Balletten und der Produktion von Kunst- und Musikdokumentationen weiter.

Arthaus Musik DVDs und Blu-ray Discs werden über ein leistungsfähiges Vertriebsnetz, u.a. in Kooperation mit Naxos Global Distribution in ca. 70 Ländern der Welt aktiv vertrieben. Darüber hinaus veröffentlicht und vertreibt Arthaus Musik die 3sat-DVD-Edition und betreut für den Buchhandel u.a. die Buch- und DVD-Edition über Pina Bausch von L’Arche Editeur, Preisträger des Prix de l’Académie de Berlin 2010.


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