
Hyde, Thomas - Autumnal: Kammermusik
Melancholisch
Label/Verlag: Guild
Detailinformationen zum besprochenen Titel
Der britische Komponist Thomas Heyde, Jahrgang 1978, schreibt attraktive, zugängliche Musik. Umso erfreulicher, dass Guild mit vorliegender Einspielung einige Werke seines kammermusikalischen Schaffens vorstellt.
Mehr oder weniger apologetisch wurde viel zu lange von Großbritannien als von einem "Land ohne Musik" geredet, zumeist von Ignoranten. Längst hat sich die Situation gewandelt; die britische Musik gehört heute auf Tonträger zu den am besten erkundeten Musikkulturen der Welt, nicht zuletzt dank gleich mehrerer Labels, die sich ihrer Pflege verschrieben haben. Die Musik gegenwärtiger Komponisten kommt, abgesehen von dem Label NMC, dabei immer wieder zu kurz, besonders bei Chandos, Hyperion oder Dutton. Und hier kommt Guild ins Spiel, ein Label, das (wenn auch heute in der Schweiz ansässig) aufgrund seiner Gründung in Guildford in Sussex eine natürliche Affinität zur britischen Musik besitzt. Immer wieder erleben wir herrliche Produktionen neuer Stimmen auf der britischen Musikszene, so auch hier. Thomas Hyde (geb. 1978) war ein Name, der mir neu ist – kein Wunder, lagen doch bislang nur wenige kirchenmusikalische Werke auf Tonträger vor. Nun also die erste reine Kammermusik-CD des Schülers von David Matthews.
Schon bei den ersten Takten spürt man, dass wir hier einen Komponisten haben, der das, was in Deutschland heute als Tonsatz bezeichnet wird, bestens beherrscht, einen Komponisten, der eben nicht gewollt avantgardistisch schreibt, sondern für Interpreten und Publikum, nicht gegen sie. Die vorliegenden Werke entstanden in der gerade zurückliegenden Dekade, das älteste Werk auf der CD (auch eines der drei umfänglichsten) ist die zweite Cellosuite op. 3 (2001-2). Die acht kurzen Sätze der Suite sind interpretatorisch und stimmungsmäßig durchaus anspruchsvoll frei tonal. Wir hören die Interpretin der Uraufführung, deren Verständnis für die Komposition kongenial ist. Sie transportiert all die Poesie und Tiefe des Werkes auf das Beste. 'Autumnal' op. 5 (2003) für Viola, Flöte, Klarinette, Harfe und Cello ist eine ganz eigene, auch formal eigenwillige Schöpfung (bestehend aus zwei Passacaglien), mit der Hyde nicht nur rein strukturell neue Wege erkundet, sondern auch die Welt der Klangfarben. Die komplexen Strukturen und Texturen evozieren eine Stimmung, die David Matthews als erkennbar englisch beschreibt, etwas nicht recht fassbar Melancholischen, mit gedämpften Klangfarben trotz subtilem Farbenspiel. 2004 entstand 'Winter Music' op. 6 für Violoncello und Klavier, in ähnlich melancholischen Farbtönen; diesmal haben wir es nicht mit einer ‚Originalkomposition‘ zu tun, sondern mit einem zweimal überarbeiteten Werk, dem man die Transformation von einem Lied zu einem Kammermusikwerk mit Englischhorn zur finalen Komposition jedoch kaum mehr anhört. Katherine Jenkinson hat einen herrlichen Ton, diesmal auf höchstem Niveau mit jenem des Pianisten Martin Cousin verwoben.
In eine ganz andere Welt entführt uns Evelina Puzaite mit den drei Nocturnes op. 7 (2006). Auch hier bleibt die Herbststimmung präsent, doch haben wir hier erstmals einen Hauch eines Stils präsent, der nicht Hydes eigener ist: Der Klaviersatz ist jetzt etwas stärker durch Benjamin Britten beeinflusst, dessen Enkelschüler Hyde im Grunde ist. Noch offenkundiger wird dieser Einfluss in der Harmonik und der Textur des Klaviersatzes der 'Three Dancers' op. 11a (2005) für Klaviertrio. Ansonsten erweist das Trio (wieder mit Jenkinson und Cousin, dazu der Geigerin Ruth Rogers), was für ein begabter Komponist Hyde ist. Zwei Streichquartettkompositionen, das Streichquartett op. 10 (2009-10) und 'Birthday Song' (2011) komplettieren das Programm. Selbst in dem kurzen 'Birthday Song' zeigt sich die kontrapunktische Meisterschaft Hydes. In beiden Werken experimentierte Hyde mit Zwölftonmelodien, mit ausgesprochen poetischem Ergebnis. Das Iuventus Quartet (Ruth Rogers, Nicky Sweeney, Rebecca Low und Katherine Jenkinson) spürt den feinen Verästelungen der Kompositionen nach und bringt beide Werke zu bester Geltung. Auch wegen des überzeugenden Booklets und der tadellosen Aufnahmetechnik ist die gesamte Produktion eine Debüt-CD für einen Komponisten, wie man sie sich nur wünschen kann.
Interpretation: Klangqualität: Repertoirewert: Booklet: |
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Detail-Informationen zum vorliegenden Titel:
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Hyde, Thomas: Autumnal: Kammermusik |
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Label: Anzahl Medien: |
Guild 1 |
Medium:
EAN: |
CD
795754738926 |
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Guild Guild entstand in den frühen Achtzigerjahren auf Initiative des berühmten englischen Chorleiters Barry Rose, der den St Paul's Cathedral Choir in London leitete. Der Name hat nichts mit der nahe gelegenen Londoner Guild Hall zu tun, sondern kommt von Barry Roses erstem Chor, dem Guildford Cathedral Choir. Das frühere Logo (ein grosses G) entstand indem Barry Rose kurzerhand eine Teetasse umstülpte und mit einem Bleistift ihrem Rand bis zum Henkel entlang fuhr. Seit 2002 hat die Firma als Guild GmbH ihren Sitz in der Schweiz, in Ramsen bei Stein am Rhein. Mehr Info... |
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