> > > Montsalvatge, Xavier: Simfonia de Requiem
Montag, 25. September 2023

Montsalvatge, Xavier - Simfonia de Requiem

Teil-Eklektiker


Label/Verlag: Chandos
Detailinformationen zum besprochenen Titel


Juanjo Mena und BBC Philharmonic widmen sich einer Werkauswahl aus dem Schaffen von Xavier Montsalvatge mit Elan - und großem Erfolg.

Es ist schon merkwürdig, wie beschränkt unser musikalisches Gesichtsfeld häufig ist. So ist etwa kaum bekannt, dass in Südamerika eine ganze Menge musikalischer Schätze des 19. Jahrhunderts darauf harrt, der interessierten Öffentlichkeit (wieder) vorgelegt zu werden. Da ist der vorliegende Fall schon sehr viel naheliegender. 2012 können wir das Zentenarium des Spaniers Xavier Montsalvatge feiern, der vor zehn Jahren verstarb. Und es ist besonders erfreulich, dass der neue Chefdirigent des BBC Philharmonic Juanjo Mena sich des allzu vernachlässigten ‚Fast-Landsmannes‘ annimmt (Mena ist gebürtiger Baske). Dabei konzentriert er sich auf zwei Perioden in Montsalvatges Schaffen.

Die ersten drei Werke entstammen der früheren Schaffensphase 1945-1958. 1945/46 entstanden 'Cinco Canciones negras', die 1949 orchestriert wurden; zum Teil mögen sie durch die afroamerikanische Mezzosopranistin Marian Anderson inspiriert gewesen sein, die in den 1930er-Jahren in Barcelona Negro Spirituals populär gemacht hatte. Nun hat Montsalvatges Komposition denkbar wenig mit Spirituals zu tun, die Nähe etwa zu Fallas 'Siete canciones populares Españolas' ist weitaus offenkundiger. Der ganze Duktus der Komposition evoziert fast automatisch die Stimme Victoria de los Angeles‘, Pilar Lorengars oder Teresa Berganzas.

Die junge Spanierin Clara Mouriz hat nicht ganz die vokale Individualität der genannten drei Ausnahmesängerinnen, doch ihr Verständnis für sowohl das Idiom als auch die Lieder selbst steht außer Frage. Wie sie die Phrasen teilweise buchstäblich liebkost, zeigt, wie gut sie die Tradition der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts internalisiert hat, ohne aber zur simplen Kopie zu werden. Ihr flexibler, feinster Schattierungen fähiger Mezzosopran lässt ihr eine schöne Karriere wünschen, weit über Großbritannien hinaus, wo sie studierte und erste bedeutende Erfolge feiern konnte. Allerdings ließe sich ihre Tiefe noch weiter ausarbeiten (am Ende von 'Cuba dentro de un piano' fordert Montsalvatge aber auch fast Unmögliches). In 'Chèvere' führt ihre Stimme gar noch weiter in die große spanische Gesangstradition zurück – aus einer schlichten Melodie entwickelt sie Klangfarben, die sie später in ihrer Karriere vielleicht gut einmal für Berlioz‘'Nuits d‘été' nutzen könnte oder natürlich auch für unterschiedlichste Bühnenrollen, am nächstliegenden etwa die Concepción in Ravels 'L‘heure español' (ihr großes komödiantisches Talent ist ebenso hörbar wie ihre lyrischen Fähigkeiten).

Die 1958 entstandene Partita bedeutete Montsalvatges musikalischen Durchbruch. Das in den Außensätzen stark rhythmisch geprägte Werk mit stimmungsvollen Binnensätzen wird vom BBC Philharmonic mit vollem Elan musiziert, höchstens das ‚Passione‘ des dritten Satzes hätte noch mehr Expression vertragen können. Der Klangsinn des Orchesters, in den vergangenen dreißig Jahren stetig gepflegt und weiterentwickelt, bekommt dem Werk gut, gerade auch die feine dynamische Abstimmung zwischen den Instrumentalgruppen; die traditionell stark ausgeprägte Begabung des Orchesters für neu zu erkundendes Repertoire kommt auch in dieser spannenden bitonalen Komposition zu bester Geltung.

Nicht weniger als zwanzig Ballette stammen aus Montsalvatges Feder. 1955 überarbeitete er ein 1936/37 entstandenes, unvollendet gebliebenes Ballett 'El angel de la guarda' (Der Schutzengel). Diese Bearbeitung ging verloren und tauchte erst Jahrzehnte später wieder auf; nach einer weiteren Revision wurde sie 2001 unter dem Titel 'Calidoscopi simfónic: quatre movements de ballet' der Öffentlichkeit wieder vorgestellt (sie erlebt hier ihre Weltersteinspielung). Das Werk öffnet mit großer Geste, mit herrlich ausschwingenden Melodien, doch entsprechend den Erfordernissen des Balletts gibt es natürlich auch stark rhythmisch geprägte Abschnitte. Allerdings ist insgesamt zu sagen, dass der musikalische Wert der Komposition sich doch stärker in Grenzen hält als erwartet – Anklänge an Milhaud (ohnehin offenbar ein bedeutendes Vorbild für Montsalvatge) sind nicht nur unüberhörbar, sondern muten hier fast wie Eklektizismus an. Man wartet auf wirklich eigene Ideen, und man wartet zumeist vergebens; am mitreißendsten ist wohl das stark mittel- oder südamerikanisch angehauchte 'Final ‚a la indiana‘'.

Trotz seiner großen Produktivität blieben mehrere Gattungen von Montsalvatge weitgehend unberührt, darunter der gesamte Bereich der geistlichen Musik. Allerdings entstand von 1985 bis 1987 als Auftragskomposition des staatlichen Kulturministeriums die sechssätzige 'Simfonia de Rèquiem', in ihrer Anlage dem Konzept der Missa pro defunctis weitaus näher stehend als etwa Brittens 'Sinfonia da Requiem' (1940). Montsalvatge nutzt teilweise ausgesprochen traditionelle Elemente, etwa das berühmte Kreuz-Motiv, das rein instrumental eindeutige programmatische Konnotationen transportiert und im 'Lux aeterna' schillernd oszillierend zentraler Ausgangspunkt zu einem ewigen Licht à la Messiaen wird. Auch sonst (etwa durch Zitation gregorianischer Choräle, aber ebenso die – vielleicht unbewusste – Paraphrase mindestens eines protestantischen Chorals) positioniert sich Montsalvatge religiös und musikhistorisch ganz eindeutig, nämlich in die Gruppe der Traditionalisten. Auch dass er im Schlusssatz auf ein Gesangssolo zurückgreift, platziert die Komposition historisch eher näher an Poulenc oder Britten, manche nahezu impressionistische Figur (etwa der Klaviergebrauch im 'Agnus Dei') legt sogar die Verwandtschaft zu Debussy nahe.

Bester, räumlich gut gestaffelter Klang und ein informatives (jedoch in zumindest einem Punkt nicht zutreffendes), mehrsprachiges Booklet (bei dem die deutsche Übersetzung aber nicht rundum gelungen ist) verstärken den insgesamt positiven Eindruck der Produktion.

Interpretation:
Klangqualität:
Repertoirewert: 
Booklet:





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Detail-Informationen zum vorliegenden Titel:



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    Montsalvatge, Xavier: Simfonia de Requiem

Label:
Anzahl Medien:
Veröffentlichung:
Chandos
1
01.09.2012
Medium:
EAN:

CD
095115173527


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Chandos

Chandos Records was founded in 1979 by Brian Couzens and quickly established itself as one of the world's leading classical labels. Prior to forming the label, Brian Couzens, along with his son Ralph, worked for 8 years running a mobile recording unit recording for major labels (including RCA, Polydor, CFP, etc.) with many of the world's leading artists.
The company has championed rare and neglected repertoire, filling in many gaps in the record catalogues. Initially focussing on British composers (Alwyn, Bax, Bliss, Dyso, Moeran, Rubbra, Walton etc), it subsequently embraced a much wider field. Chandos' diverse catalogue contains over 2000 titles, from early music to contemporary, with composers from around the world. The company's aim is to present an exciting and varied selection of superbly recorded music to as many people as possible.
The following artists are strongly associated with, or exclusive to, the label: Richard Hickox, Matthias Bamert, I Fagiolini, Neeme Järvi, Louis Lortie, Jean-Efflam Bavouzet, Rumon Gamba, James Ehnes, Sir Charles Mackerras, David Parry, Valeri Polyansky, The Purcell Quartet, Gennady Rozhdestvensky, Howard Shelley, Simon Standage, Yan Pascal Tortelier, Vernon Handley, the BBC Philharmonic, BBC National Orchestra of Wales, the City of London Sinfonia and Collegium Muscium 90.
Chandos is universally acclaimed for the excellence of its sound quality and has always been at the forefront of technical innovation. In 1978, Chandos was one of the first to record in 16bit/44.1kHz PCM digital, as well as being one of the first to edit a digital recording completely in the digital domain (Holst: the Planet ? SNO/Gibson). In 1983, Chandos was one of the first to produce and release Compact Discs into the marketplace ? a revolution in the recorded music industry.
Today, Chandos has kept up with technology by recording mostly in 24bit/96kHz PCM but now also in DSD for producing ?surround sound? SACDs. Chandos releases at least five new recordings a month, together with imaginative re-issues of back-catlogue material.
The company has received countless awards, including several Gramophone Awards, notably the 2001 ?Record of the Year? for Richard Hickox?s recording of the original version of Vaughan Williams? A London Symphony; ?Best Choral Recording of 2003? for its recording of an undiscovered mass by Hummel and the ?Best Orchestral Recording? of 2004 for its set of Bax Symphonies. Other highlights include the American Grammy for Britten?s opera Peter Grimes, and most recently (2008), two further Grammy Awards, one for Hansel and Gretel and the other for Grechaninov?s Passion Week. Jean-Efflam Bavouzet?s debut on Chandos was also awarded Record of the Year by Monde de la Musique this year.
Chandos remains an independent, family run company which produces and markets its recordings from its office in Colchester, England, and is distributed worldwide.


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