
Vorraber, Franz spielt - Werke von Clara & Robert Schumann
Aus dem Nebenraum
Label/Verlag: Thorofon
Detailinformationen zum besprochenen Titel
Franz Vorrabers musikalisch schlüssige Interpretation von Werken Clara und Robert Schumanns wird leider durch einen muffigen Klang beeinträchtigt.
Wie schade! Oft bietet sich nicht die Gelegenheit, auf einem um 1860 entstandenen Flügel von Wilhelm Wieck (einem Vetter Claras) im Schumann-Haus in der Leipziger Inselstraße (in dem die Schumanns mehr als vier Jahre lebten) CDs einzuspielen. Und dann ist eine zentrale Beeinträchtigung der Produktion, dass das Instrument scheint‘s in nicht besonders gutem Zustand ist. Mittlerweile kennen wir viele Instrumente der Zeit und hören gelegentlich Instrumente, deren Zustand verbesserungsfähig wäre (so etwa bei manchen Chopin-Aufnahmen aus Polen), doch eine klanglich derart enttäuschend Einspielung habe ich lange nicht gehört.
Hammerflügel haben (in gutem Zustand) für gewöhnlich die Qualität, dass sie viele Klangschattierungen, viele Feinheiten aufbieten können, an denen es Konzertflügeln mangelt. Besonders zeichnen sie sich durch die Durchhörbarkeit des Klanges aus. Dem ist auf der vorliegenden CD im gesamten Bereich über dem Mezzoforte nicht so. Entweder das Instrument funktioniert nicht richtig trennscharf oder die Aufnahmetechnik beeinträchtigt die Einspielung unverhältnismäßig. Die Saiten sind nicht temperiert gestimmt, was den (möglicherweise intendierten) Eindruck einer musikalischen Unschärfe erzeugt, mit äußerst unvorteilhaften Ergebnissen. Ein wenig ergibt sich der Eindruck, man würde einem etwas verstimmten Instrument im Nebenraum zuhören, mit allen akustischen Beeinträchtigungen, die sich hierdurch ergeben können. Leider verstärkt sich der Eindruck schlampiger Verarbeitung auch im Bereich des Booklets – es zeichnet nicht nur kein Autor eindeutig für den Booklettext verantwortlich (vermutlich stammt er vom Interpreten), vor allem ist das genutzte Bildmaterial in mangelhafter Qualität reproduziert.
Nun aber zu den Interpretationen selbst, soweit man sie aus den problematischen Verhältnissen erschließen kann. Vorrabers Programmgestaltung ist eine interessante: Er verbindet Clara Schumanns große g-Moll-Sonate (1841-2) und ihr Scherzo c-Moll op. 14 (nach 1841) mit Robert Schumanns 'Fantasiestücken' op. 12 (1837) und eigenen 'Gespenstergeschichten' op. 20 (ohne mitgeteilte Datierung). Die Sonate zeigt Clara Schumann als begabte Komponistin, musikalisch ihrem Mann sehr nahestehend (sie widmete die Sonate ihrem Mann). Leider wird die Interpretation extrem durch die Umstände beeinträchtigt, die klangliche Darstellung erscheint dumpf, verhangen, besonders im Forte – die von Vorraber fraglos gespielten musikalischen Bögen kommen nicht recht zur Geltung. Am gelungensten ist wohl der langsame Satz, in dem das Instrument, zumeist im Piano, selbst wirken kann und die instrumenten- oder produktionsimmanenten Schwierigkeiten am wenigsten ins Gewicht fallen. Ansonsten bleiben etwa vorhandene besondere Qualitäten des Instruments eher verborgen. Das c-Moll-Scherzo ist insgesamt noch deutlich brillanter als die Sonate, nicht nur mit Zitaten aus Werken ihres Mannes, sondern auch ein paar Klangelementen, die nahezu unverändert aus Chopin-Werken entstammen. Vorraber erweist sich als überzeugender Virtuose, der den Geist der Komposition, auch seine poetischen und dramatischen Aspekte vermitteln kann.
Auch sonst in den 'Fantasiestücken' op. 12 scheint sich Vorraber wohler zu fühlen als in der Sonate, vielleicht weil die Kleinteiligkeit dem Instrument angemessener ist. Zwar bleibt die Klanglichkeit ein Ärgernis, gerade wenn die Dynamik das Mezzoforte übersteigt, doch haben wir eine inspirierte, charmante Deutung der acht kleinen Stücke.
Als Bonus bietet Vorraber seinen eigenen kleinen Zyklus 'Gespenstergeschichten' op. 20, fünf Charakterstücke, die dem Instrument fast geeigneter erscheinen als die Originalkompositionen aus dem 19. Jahrhundert. Vorrabers Klangsprache ist freitonal, durchaus virtuos, aber im Grunde altmodisch; wir vermeinen einen Komponisten der 1920er- oder 1930er-Jahre zu hören. Kein Werk, dessentwegen man sich unbedingt diese CD kaufen würde, auch wenn man spürt, wie gut Vorraber das Medium Klavier vertraut ist.
Interpretation: Klangqualität: Repertoirewert: Booklet: |
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Detail-Informationen zum vorliegenden Titel:
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Vorraber, Franz spielt: Werke von Clara & Robert Schumann |
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Label: Anzahl Medien: Veröffentlichung: |
Thorofon 1 25.07.2012 |
Medium:
EAN: |
CD
4003913125910 |
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Thorofon In der nunmehr über 40jährigen Tradition von THOROFON wurde ein respektabler, vielfach preisgekrönter Katalog aufgebaut. Eine Schatztruhe für besondere musikalische Raritäten, die die Lücken in der Überlieferung der musikalischen Tradition ein bisschen verkleinern, und außerdem jungen, talentierten Interpreten eine Chance geben. Zu unseren Schätzen gehören ebenfalls Gesamteinspielungen von Ludwig van Beethovens Klaviersonaten, sämtliche Werke für Klavier solo von Johannes Brahms, Gesamtausgabe der Kammermusik von Josef Rheinberger, das Gesamtwerk von Louis Ferdinand Prinz von Preussen, das komplette Klavierwerk von Robert Schumann, eine Gesamteinspielung der Max Reger Kompositionen auf 13 CD, die das abwechslungsreiche Repertoire von THOROFON abrunden. Auszeichnungen wie der ECHO KLASSIK (17 mal!) oder der Preis der Deutschen Schallplattenkritik versinnbildlichen den Anspruch des Labels und unterstreichen die Qualität der Produkte. THOROFON ist ein Label der BELLA M USICA EDITION JÜRGEN RINSCHLER. Mehr Info... |
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