
Heini, Martin & Held, Rainer spielen - Werke von Rütti, Arensky u.a.
Grenzensprengend
Label/Verlag: Guild
Detailinformationen zum besprochenen Titel
Guild wirft sich einmal mehr für Carl Rütti in die Bresche. Mit Erfolg.
Carl Rütti (geb. 1949) ist kein Komponist, den jeder Musikliebhaber kennt – sollte man meinen. Doch betrachtet man die beachtliche Diskografie des gebürtigen Schweizers, stellt man fest, dass niemand Geringeres als der Londoner Bach Choir für Naxos bereits sein Requiem eingespielt hat. Rütti ist ein Komponist klarer Akzente, mit traditioneller Basis und gutem harmonischem Gespür. Seine 1998 entstandenen 'Feuerzungen' für Orgel (leider fehlt der Originaltitel des Werks im Booklet der CD) erweisen ihn als genuinen Komponisten für die ‚Königin der Musikinstrumente‘, auch wenn das Werk (über die Pfingstsequenz ‚Veni Sancte Spiritus‘) merkwürdig stark an zeitgenössische französische Komponisten erinnert. Das Label Guild hat bereits eine weitere Einspielung des Werks vorgelegt, bei der Rütti sein eigener Interpret ist; doch die hier von Martin Heini an der Goll-Orgel (1996) der Pfarrkirche St. Katharina in Horw vorgelegte Neueinspielung ist insgesamt stimmungsvoller. Dies liegt vor allem an der raumgreifenden Aufnahmeakustik (vielleicht hätte die CD als SACD vorgelegt werden sollen?), die sowohl die Orgel als auch das Werk sehr viel lebendiger und farbiger präsentiert.
Weitaus gewichtiger als das Werk für Orgel allein ist Rüttis zweites Orgelkonzert, 2011 in enger Zusammenarbeit mit dem Organisten Martin Heini und dem Dirigenten Rainer Held entstanden, die hier in der CD-Premiere zu hören sind. Die Besetzung Orgel, Streicher und Schlagwerk kommt nicht von ungefähr und generiert ein nahezu zwanghaftes Vis-à-vis zu Francis Poulencs Orgelkonzert, das die vorliegende CD logischerweise beschließt. Der Kopfsatz von Rüttis viersätziger Komposition ist kraftvoll, stark rhythmisch geprägt, mit äußerst memorablem Hauptthema und sorgsam ausgearbeiteten aus Momenten der Stille aufstrebenden Steigerungen. Nach einem ausladenden langsamen Satz und einem kurzen Scherzo ist das als Variationensatz angelegte Finale abermals äußerst klar gegliedert, mit einer ausgezeichnet gestalteter Steigerungslinie. Heini und Held merkt man die enge Verbindung zu dem Werk an, das ihnen gewidmet ist, und auch der Schlagzeuger Mario Schubiger (für den es im Booklet keine Kurzbiografie gibt) ist voll involviert. Angenehm frisch spielt das Kammerorchester der Staatlichen Philharmonie Novosibirsk auf, ein Streicherkörper, wie man ihn sich für das vorliegende Repertoire kaum erfreulicher wünschen kann.
Die gleichen Kräfte sind zu hören in Francis Poulencs Orgelkonzert aus dem Jahre 1934-8. Hier, so muss ich gestehen, bin ich mit der Raumakustik der Einspielung unglücklicher, da die angeschlagenen Tempi so flott, spannungsvoll, ‚knackig‘ sind, dass die Aufnahmetechnik die Klarheit der Interpretation ein wenig verunklart. Was höchst bedauerlich ist, denn selten habe ich eine so spannungsvolle Einspielung von Poulencs Orgelkonzert gehört.
Die CD wird komplettiert durch die selten zu hörenden Tschaikowsky-Variationen von Anton Arensky op. 35a (deren vierte Variation musikalisch durchaus mit dem Poulenc-Konzert in Verbindung gesetzt werden kann). Das 1894 entstandene Werk erfährt durch das ungemein temperamentvoll spielende Orchester eine Darbietung, die die großen berühmten Kammerorchestervereinigungen kaum besser hätte abliefern können. Ob also schweizerisch-britische, französische oder russische Musik oder schweizerische oder russische Interpreten – das Gesamtergebnis ist wunderbar rund. Bleiben nur das nicht überall genügend klare Klangbild (das bei Rüttis Solo-Orgelwerk der Interpretation ja sogar zuträglich war) und das Booklet, in dem ein paar Versäumnisse (fehlende originale Werktitel, mangelhafte Informationen zu 'Feuerzungen') das Gesamtvergnügen allerdings kaum beeinträchtigen.
Interpretation: Klangqualität: Repertoirewert: Booklet: |
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Detail-Informationen zum vorliegenden Titel:
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Heini, Martin & Held, Rainer spielen: Werke von Rütti, Arensky u.a. |
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Label: Anzahl Medien: |
Guild 1 |
Medium:
EAN: |
CD
795754738629 |
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Guild Guild entstand in den frühen Achtzigerjahren auf Initiative des berühmten englischen Chorleiters Barry Rose, der den St Paul's Cathedral Choir in London leitete. Der Name hat nichts mit der nahe gelegenen Londoner Guild Hall zu tun, sondern kommt von Barry Roses erstem Chor, dem Guildford Cathedral Choir. Das frühere Logo (ein grosses G) entstand indem Barry Rose kurzerhand eine Teetasse umstülpte und mit einem Bleistift ihrem Rand bis zum Henkel entlang fuhr. Seit 2002 hat die Firma als Guild GmbH ihren Sitz in der Schweiz, in Ramsen bei Stein am Rhein. Mehr Info... |
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