> > > Chisholm, Erik: Klavierkonzerte Nr. 1 & 2
Samstag, 23. September 2023

Chisholm, Erik - Klavierkonzerte Nr. 1 & 2

Schottland und Indien


Label/Verlag: Hyperion
Detailinformationen zum besprochenen Titel


Hyperion stellt mit dieser exzellenten Aufnahme Klavierkonzerte von Erik Chisholm vor.

Nie werde ich vergessen, wie ich erstmals in Kontakt mit der Musik Erik Chisholms (1901-65) kam. 1993 lag kein einziges Werk von ihm auf CD vor, es gab ein paar wenige Tonbandaufnahmen in minderwertiger Klangqualität, von der mir einige von der jüngsten Tochter des Komponisten in ihrem damaligen Heim in Winchester vorgespielt wurden. Vor allem durch das Studium der Noten selbst konnte und musste ich mir Einblicke verschaffen – doch der erste Eindruck genügte, um zu zeigen, dass wir es hier mit einer wichtigen Stimme der Mitte des 20. Jahrhunderts zu tun hatten. Vor allem Morag Chisholm und ihren Mitstreitern ist es zu verdanken, dass mittlerweile das Schaffen ihres Vaters nahezu systematisch erschlossen wird – nach der Soloklaviermusik und einer Sinfonie nun die beiden Klavierkonzerte.

Das 1932-7 entstandene viersätzige erste Klavierkonzert 'Píobaireachd' greift die schottische Ader Chisholms auf. Der Titel bezieht sich unmittelbar auf die Dudelsackmusik der schottischen Highlands, der sich der Komponist zutiefst verbunden fühlte. Die Verbindung von Klavier und Orchester verleiht der Musik weitergreifende Dimensionen, erhöht den kontrapunktischen Reiz der harmonisch ungemein und rhythmisch reichen Musik Chisholms noch deutlich. Gleichzeitig finden sich überraschende zeitstilistische Verbindungen etwa zum zeitgleich entstandenen Klavierkonzert Ralph Vaughan Williams‘. Die kunstvolle Instrumentierung evoziert manchmal buchstäblich den Dudelsackklang, doch stets in künstlerisch außerordentlich inspirierter Überhöhung. Wie John Purser in seinem vorbildlichen Booklettext betont (leider miserabel ins Deutsche übersetzt), mag Chisholm mit dem Werk gar Béla Bartók zu seinem Dritten Klavierkonzert inspiriert haben; Bartók logierte zweimal bei Chisholm in Glasgow, wo der Schotte 1929 eine Konzertreihe zeitgenössischer Musik ins Leben gerufen hatte. Wem bei der Klaviermusik Chisholms noch eine zusätzliche Komponente gefehlt hatte, hier wird er mehr als reichhaltig belohnt.

Das zweite (diesmal traditionell dreisätzige) Klavierkonzert mit dem Beinamen 'Hindustani' eröffnet ein ganz anderes weites Feld. Chisholm war 1943-45 in Südostasien stationiert, wo er 1945 das Singapore Symphony Orchestra gründete. Die musikalischen Einflüsse, die er zu jener Zeit in sich aufnahm, befruchteten das 1949 vollendete Konzert, das starken Gebrauch von Idee und Gestalt der indischen Raga macht. Harmonisch ist es merkwürdig dem rund fünfzehn Jahre zuvor entstandenen 'Dynamic Triptych' des aus England stammenden John Foulds (1880–1939) verbunden, gleichfalls einem Klavierkonzertwerk, doch ist Chisholms Komposition durchaus voll und ganz zeitgemäß, die Tonalität bis an die Grenzen gespannt, mit ebenso reicher komplexer Rhythmik und Metrik. So ist das Werk gleichzeitig Dokument der britischen Indien-Rezeption wie der britischen Klavierkonzert-Tradition, die auch mit anderen Namen, etwa jenem Kaikhosru Sorabjis aufwarten kann, der sich mit Chisholm engstens verbunden fühlte und dessen parsischer Ader Chisholm hier die Ehre erweist.

Der Hyperion-Exklusivkünstler Danny Driver, der sich schon zuvor erfolgreich für britische Klaviermusik eingesetzt hat (Benjamin Dale, York Bowen), ist den anspruchsvollen Werken ein äußerst eloquenter Advokat, wobei ihm das bestens aufgelegte BBC Scottish Symphony Orchestra unter der Leitung Rory Macdonalds (der hier sein CD-Debüt gibt) ein kongenialer Partner ist. Die klangtechnisch keinerlei Wünsche offen lassende Einspielung schließt eine wichtige Lücke der britischen und internationalen Musikgeschichte, bietet daneben ganz exzellente und effektvolle Kompositionen, und es steht zu hoffen, dass Chisholms Musik weitere Erkundung auf CD wie im Musikleben erfährt.

Interpretation:
Klangqualität:
Repertoirewert: 
Booklet:






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Detail-Informationen zum vorliegenden Titel:



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    Chisholm, Erik: Klavierkonzerte Nr. 1 & 2

Label:
Anzahl Medien:
Veröffentlichung:
Hyperion
1
20.04.2012
Medium:
EAN:

CD
034571178806


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Hyperion

Founded in 1980, Hyperion is an independent British classical label devoted to presenting high-quality recordings of music of all styles and from all periods from the twelfth century to the twenty-first. We have been described as 'Britain’s brightest record label'. In January 1996 we were presented with the Best Label Award by MIDEM's Cannes Classiques Awards. The jury was made up of the editors of most of the leading classical CD magazines in the world - Classic CD (England), Soundscapes (Australia), Répertoire (France), FonoForum (Germany), Luister (Holland), Musica (Italy), Scherzo (Spain), and In Tune (USA & Japan).

We named our label after an altogether splendid figure from Greek mythology. Hyperion was one of the Titans, and the father of the sun and the moon - and also of the Muses, so we feel we are fulfilling his modern role by giving the art of music to the world.

The repertoire available on Hyperion, and its subsidiary label Helios (Helios, the sun, was the son of Hyperion), ranges over the entire spectrum of music - sacred and secular, choral and solo vocal, orchestral, chamber and instrumental - and much of it is unique to Hyperion. The catalogue currently comprises nearly 1400 CDs and approximately 80 new titles are issued each year. We have won many awards.

Our records are easily available throughout the world in those countries served by our distributors. A list of the world's top Hyperion dealers, listed by country and city, can be found on our homepage. But if you have any difficulty please get in touch with the distributor in your territory. In Germany that is Note 1 Music Gmbh.


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