
Holst, Gustav - Sinfonie in F-Dur op. 8 "The Cotswolds"
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Label/Verlag: Naxos
Detailinformationen zum besprochenen Titel
Naxos widmet sich mit dieser Einspielungen einigen Raritäten von Gustav Holst. Während die Klangqualität ein wenig zu wünschen übrig lässt, ist die interpretatorische Gestaltung überzeugend.
Völlig zu Unrecht ist Gustav Holst (1874–1934) für seine symphonische Suite 'The Planets' nur als One-Hit-Wonder bekannt, die leider weder rundum typisch für den Komponisten ist noch stetig angemessen interpretiert wird (gerade internationale Dirigenten verstehen die instrumentatorische Struktur Holsts oft nicht). So ist es überaus erfreulich, dass Naxos (nach Lyrita und neben Chandos) eine Holst-Orchestermusik-Edition vorlegt. Hiermit werden auch unbekannte Schätze ausgegraben, immer wieder in Weltersteinspielung. Naxos ist noch nicht bei Weltersteinspielungen angelangt, aber immerhin bei echten Raritäten.
Vier der fünf Kompositionen auf dieser CD entstanden vor Holsts 30. Geburtstag. Der Fünfundzwanzigjährige schuf die 'Walt Whitman Overture' op. 7 ein Jahr nachdem er sein Studium am Londoner Royal College of Music abgeschlossen hatte. Noch hören wir nur wenig von Holsts Eigenart (ein wenig in der Schlusssteigerung), doch ist die Prägung besonders durch seinen Lehrer Sir Charles Villiers Stanford und den zweiten großen Kompositionsprofessor am College Sir Hubert Parry offensichtlich. Klare dramaturgische Struktur, brillante Orchestrierung, Einflüsse von Brahms und anderen Komponisten des späten 19. Jahrhunderts, kurz: attraktive Musik, die man aber nicht haben müsste. Zumal auf dieser CD die Aufnahmetechnik nicht so brillant und klar ist wie die 1988 entstandene Lyrita-Weltersteinspielung.
Schon zwei Jahre zuvor war 'A Winter Idyll' (ohne Opuszahl) entstanden, stilistisch durchaus vergleichbar, aber musikalisch vielleicht noch substanzreicher (und mit deutlich stärkerem Strauss-Einfluss). Und abermals krankt die Neueinspielung an der Aufnahmetechnik: Die Akustik der Ulster Hall hat schon für unzählige Chandos-Aufnahmen schwere Beeinträchtigungen erbracht, und leider hat es nun Naxos erwischt. Betrachtet man die Interpretationen, so ist JoAnn Fallettas Einspielung des 'Winter Idyll' mit dem Ulster Orchestra vielleicht überzeugender als David Athertons Weltersteinspielung mit dem London Philharmonic Orchestra (erschienen 1993 bei Lyrita), auch weil sie sich deutlich mehr Zeit lässt mit der Partitur (ganze zwei Minuten) und so den traditionelleren Aspekt stärker betont als die Weltersteinspielung. Allerdings sind ihre Blechbläser ein wenig vulgärer als jene des Londoner Orchesters, das bei der 'Walt Whitman Overture' (unter Nicholas Braithwaite) allerdings wegen der höheren Klangkultur den Preis davonträgt.
Die 'Cotswolds' Symphony F-Dur op. 8 greift die um 1899–1900 durchaus beliebte Idee der ‚lokalen‘ Sinfonie auf, sei sie irisch (Sullivan, Stanford, Harty), englisch (Parry) oder betrachte sie einzelne Landstriche wie die Grafschaft Westmoreland (Gibbs), die Stadt Edinburgh (Guy Warrack, verschollen), die Stadt London London (Vaughan Williams) oder die Hebriden (Bantock). Holst und seine Tochter Imogen hatten das Werk zurückgezogen, 1993 wurde zunächst der zentrale langsame Satz, eine Elegie für den Künstler und Sozialisten William Morris (1834–1896) wiederbelebt, 1999 erfolgte die Weltersteinspielung der vollständigen Sinfonie, die durchaus schon stärker Holsts Klangsprache transportiert, ob in dem teilweise auf volksgutartiges Material zugreifenden kurzen Kopfsatz oder in der teilweise nahezu kargen Kontrapunktik. War aber Douglas Bostock mit den Münchner Symphonikern (ClassicO) noch eher behäbig gewesen und die Klangkultur seines Orchesters noch deutlich schwächer als das Ulster Orchestra, schlägt Falletta lebhaftere Tempi an, die dem Werk insgesamt gut zu Gesicht stehen. Insbesondere im Scherzo erweist sich das Qualitätsgefälle, das zwischen dem irischen und dem Münchner Orchester besteht und dem Ulster Orchestra so eine reiche Diskografie beschert hat. Zwar sind auch hier die Trompeten gelegentlich nicht ganz so raffiniert, wie ich es mir gewünscht hätte, doch wird klar sein, welche Einspielung ich öfter zur Hand nehmen werde: Das Ulster Orchestra ist ein bestens aufeinander abgestimmter Klangkörper mit guten Streichern, herrlichen Holzbläsern und einem tiefen Verständnis für britische Musik.
Die Symphonische Dichtung 'Indra' op. 13 (1903) zeigt Holst von einer wiederum deutlich anderen Seite. Die Einflüsse von Stanford und Parry sind verschwunden, man hört bereits den Komponisten der 'Planets' oder anderer Werke der Reifezeit, vermehrt um gewisse unüberhörbare Strauss-Einflüsse. Erst rund sechzig Jahre nach Holsts Tod wurde die symphonische Dichtung wiederbelebt, wie die beiden anderen hier vorgelegten frühen Werke in Editionen Colin Matthews‘. 'Indra' ist gerade deshalb so bedeutsam, weil durch dieses Werk die Verbindung zwischen den 'Planets' und der indischen Kultur offenkundig wird. Der Klangmaler und Harmoniker Holst zeigt sein reiches Spektrum. Gerade hier scheint Fallettas bedachtsamer Zugriff (sie benötigt gut drei Minuten länger als David Atherton für die Weltersteinspielung) bestens aufzugehen; ihr feines Farbgespür folgt einen offenkundig völlig anderen Konzept als Athertons eher dramatischer Zugriff, doch scheint ihre Sichtweise noch besser aufzugehen.
Mehr als zehn Jahre später entstand im Jahr 1915 die 'Japanese Suite' op. 33 für den japanischen Tänzer Michio Ito. Holst hatte zuvor schon mit 'Beni Mora' oder seinen ‚indischen‘ Kompositionen sein Talent für Exotismen bewiesen, doch ist die 'Japanese Suite', obschon nur zehn bis elf Minuten kurz, weitaus mehr, nämlich ein typischer Holst. Leider erweist sich hier Adrian Boults 1971 veröffentlichte Einspielung mit dem London Symphony Orchestra (ebenfalls auf Lyrita) als klanglich ausgewogener. Besonders das Schlagwerk im 'Ceremonial Dance' ist bei Falletta nicht raffiniert genug abgestimmt; auch ist insgesamt Boults Steigerung im Finale überzeugender geformt als in der Neueinspielung. Auch hat hier Boult, der auf Holsts ausdrücklichen Wunsch die Uraufführung der 'Planets' dirigierte, die geringfügig zurückgenommeneren Tempi gewählt, was dem Werk gut tut.
So ist insgesamt erfreulich, dass wir eine zusätzliche Lesart dieser Werke haben, und 'Indra' und die 'Cotswolds' Symphony werde ich mir sicher immer wieder auflegen. Leider ist das Booklet nicht von so einem kompetenten Autor geschrieben wie jene für Lyrita, sondern vom ‚Hausautor‘ Keith Anderson; manchmal wäre es aber denn doch ratsam, sich an die entsprechenden Fachleute zu wenden.
Interpretation: Klangqualität: Repertoirewert: Booklet: |
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Detail-Informationen zum vorliegenden Titel:
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Holst, Gustav: Sinfonie in F-Dur op. 8 "The Cotswolds" |
|||
Label: Anzahl Medien: Veröffentlichung: Spielzeit: |
Naxos 1 28.05.2012 65:55 |
Medium:
EAN: BestellNr.: |
CD
747313291472 8.572914 |
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"Die große Begeisterung, die Gustav Holst bereits in seiner Jugend der Musik Richard Wagners entgegenbrachte, wird in seiner 1899 komponierten und überschwänglichen „Walt-Whitman-Ouvertüre“ deutlich. Kurz danach komponierte er die „Cotswolds Symphony“: dabei zitiert Holst immer wieder Elemente der zeitgenössischen britischen Volksmusik. Der zentrale Teil dieses Werkes ist der langsame zweite Satz, eine ergreifende Elegie für den sozialistischen Utopisten William Morris. Obwohl Holst „A Winter Idyll“ bereits zu Studienzeiten beendete, offenbart dieses Werk bereits eine außergewöhnliche Sicherheit im Umgang mit dem Orchesterapparat und den orchestralen Kompositionstechniken. " |
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Fono Forum: "Das irische Ulster Orchestra unter der Dirigentin JoAnn Falletta beweist ein vorbildliches Einfühlungsvermögen in die durchweg sympathische Musik. " klassik.com: "Das Ulster Orchestra ist ein bestens aufeinander abgestimmter Klangkörper mit guten Streichern, herrlichen Holzbläsern und einem tiefen Verständnis für britische Musik." |
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