
Verdi, Giuseppe - Aida
Aus der Ferne längst vergangener Zeiten
Label/Verlag: Monarda Music
Detailinformationen zum besprochenen Titel
Diese 'Aida' ist szenisch eine Enttäuschung und bietet auch musikalisch nur wenige Lichtblicke.
Um die vorliegende Produktion genießen zu können, müssen wir uns von Erwartungen frei machen, von Vorstellungen, was man heute im Theater von 'Aida' erwarten könnte. Kehren wir zurück ins Jahr 1992, und machen dort einen Zeitsprung nach 1913, ins Jahr des Verdi-Zentenariums. Wir erleben die Oper in der Ausstattung (und man hat das Gefühl auch in der Choreografie) der Veroneser Produktion von 1913 (die damals die neuesten Erkenntnisse der Ägyptologie in sich aufnahm), und es wäre verfehlt, der Aufführung von 1992 musealen Charakter vorzuwerfen. Die Rückkehr zu den Produktionswerten von anno dazumal hatte durchaus ihren Grund – wir haben hier ein klares Gegenstatement zu den vielen destruktiven und die Oper, ihr Libretto und ihre Musik missverstehenden Inszenierungen, die bis dahin – und vor allem seither – auf den Bühnen der Welt immer wieder zu sehen waren und sind.
Doch gibt es in der Arena von Verona natürlich auch entsprechende Schattenseiten. Zu Glanzzeiten gelangen auch hier herausragende musikalische Darbietungen, vielleicht war die Regie auch spannungsvoll und sorgsam ausgearbeitet. Wenig davon hier. Wo soll man mit den Klagen beginnen? Mit der Aufnahmetechnik, die zwar die Gesangssolisten und das Orchester gut einfängt, doch den Chor viel zu leise im Hintergrund belässt (nur im Nil-Akt passt das bestens), gleichzeitig viel zu viele Bühnengeräusche viel zu stark präsent bleiben lässt (da könnte die Tontechnik von heute Wunder bewirken, doch wurden sie von Arthaus in keinster Weise genutzt)? Mit dem schlampigen Orchesterspiel, das schon in den ersten Takten des Vorspiels fast körperliche Schmerzen verursacht (die Streicher sind die schlimmsten, und es wird im Lauf der Zeit nicht besser)? Soll man sich über die notorisch wie eine singende Matrone wirkende Maria Chiara in der Titelrolle beklagen (der wesentliche Schwachpunkt auch schon von Lorin Maazels Mailänder Produktion 1985), deren Stimme immer wieder überanstrengt und nicht mehr schön gerundet klingt (auch wenn es ihr nicht im Geringsten an dramatischem Engagement mangelt und sie ein wunderschönes 'Numi, pietà' singt)? Oder den schrecklichen vokalen Plebejer Kristján Jóhannsson, der darstellerisch versucht eine schlechte Pavarotti-Kopie zu sein, vokal aber allerhöchstens zweite bis dritte Klasse ist (es scheint heute kaum mehr verständlich, warum der Isländer gerade als Radamès so große Erfolge feierte)? Carlo Striuli ist ein König ohne Ausstrahlung und Stimme, Angelo Casertano ein charaktertenorfester Bote, Anna Schiatti eine eher vulgär klingende Priesterin. Doch es gibt auch erfreulichere Erscheinungen in dieser Produktion. Nicola Ghiuselev ist ein jeden Zoll überzeugender Ramfis (wenn auch in der Höhe nicht mehr ganz frisch), Dolora Zajick eine zwar nicht optisch, aber sehr wohl vokal ansprechende Amneris. Juan Pons ist bestens aufgelegt als Amonasro, spielt seine ‚Tochter‘ mit Leichtigkeit an die Wand, sowohl darstellerisch als auch musikalisch; wohl die beste musikalische Leistung der gesamten Produktion.
Die opulente Ausstattung kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass diese leider nur zur Staffage gerät, dass Regie und Choreografie sich nicht wirklich überzeugend durchsetzen können. Wir wissen, dass Italiener sich ungerne von anderen vorschreiben lassen, was sie zu tun haben, doch ist dies in der Oper eine zentrale Aufgabe des Regisseurs, des Dirigenten, des Chordirektors und der Choreografin. Susanna Egris Choreografie ist angesichts immer wieder mangelhafter Körperspannung des Corps de Ballet nicht selten geradezu unfreiwillig komisch. Aldo Danieli gelingt es, den Chor insgesamt präzise singen zu lassen, auch wenn er an diversen Stellen klangtechnisch viel präsenter klingen müsste (und dann vielleicht noch ärgere Probleme offenkundig würden). Immer wieder gelingt es sogar, den Chor zu choreografieren, doch lässt die Spannung immer wieder offensichtlich nach. Gleiches gilt für die Bewegungsregie der Solisten. Man kann Gianfranco De Bosios Regiekonzept ungefähr erkennen – doch ungefähr an der richtigen Stelle stehen, in die richtige Richtung sehen, ungefähr die richtige Gestik und Mimik bieten, das reicht nicht, auch nicht in einer ‚musealen‘ Produktion. Geradezu lachhaft, wie die Krieger 'Guerra! ' singen und doch nur halbherzig (wenn überhaupt) bei der Sache scheinen. Auch ist es schade, dass die Lichtregie (Arnaldo Campolmi) gerade die Szenenwechsel oft nicht wirklich unterstützt (als müsste den abgehenden Figuren der Weg geleuchtet werden). Auch Nello Santi gelingt es wie gesagt nicht, alle Kräfte zu Höchstleistungen zu animieren, weder die Solisten noch das Orchester. Gianni Casalinos Bildregie ist klug und konzentriert.
Abgesehen von Untertiteln und einem kenntnisreichen Essay von Kenneth Chalmers, der Erhellendes zu der Produktion vermittelt, bietet die DVD keine Extras. Dabei gäbe es bei der RAI doch sicher Dokumentationen zur Arena von Verona, vielleicht sogar ein Feature über die hier vorliegende 'Aida'-Produktion. Oder wenigstens hätte man als Bonus Ausschnitte aus der einen oder anderen früheren Fernsehproduktion der RAI beifügen können, die teilweise mittlerweile auf Youtube zur Verfügung stehen – Verona 1963 mit Leyla Gencer, Giulietta Simionato, Gastone Limarilli und Giangiacomo Guelfi etwa oder 1966 mit Gencer, Fiorenza Cossotto und Carlo Bergonzi. Aber dann würde man natürlich hören (und trotz staubiger Bildqualität auch sehen), wie gut dort früher Oper gemacht werden konnte.
Interpretation: Klangqualität: Repertoirewert: Booklet: Features: Regie: |
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Detail-Informationen zum vorliegenden Titel:
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Verdi, Giuseppe: Aida |
|||
Label: Anzahl Medien: Veröffentlichung: |
Monarda Music 1 14.05.2012 |
Medium:
EAN: |
DVD
807280725391 |
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Monarda Music Arthaus Musik wurde im März 2000 in München gegründet und hat seit 2007 seinen Firmensitz in Halle (Saale), der Geburtsstadt Georg Friedrich Händels. Zahlreiche Veröffentlichungen des Labels wurden mit internationalen Preisen ausgezeichnet, darunter der Oscar-prämierte Animationsfilm ?Peter & der Wolf? von Suzie Templeton, die aufwändig produzierte ?Walter-Felsenstein-Edition? und die von Sasha Waltz choreographierte Oper ?Dido und Aeneas?, die beide den Preis der deutschen Schallplattenkritik erhielten. Mit dem Midem Classical Award wurden u. a. die Dokumentationen ?Herbert von Karajan ? Maestro for the Screen? von Georg Wübbolt und ?Celibidache ? You don?t do anything, you let it evolve? von Jan Schmidt-Garre ausgezeichnet. Die Dokumentation ?Carlos Kleiber ? Traces to nowhere? von Eric Schulz erhielt den ECHO Klassik 2011. Mit der Tochterfirma Monarda Arts besitzt Arthaus Musik eine ca. 900 Produktionen umfassende Rechtebibliothek zur DVD-, TV- und Onlineauswertung. Seit 2007 entwickelt das Unternehmen kontinuierlich die Sparte Eigenproduktion mit der Aufzeichnung von Opern, Konzerten, Balletten und der Produktion von Kunst- und Musikdokumentationen weiter. Arthaus Musik DVDs und Blu-ray Discs werden über ein leistungsfähiges Vertriebsnetz, u.a. in Kooperation mit Naxos Global Distribution in ca. 70 Ländern der Welt aktiv vertrieben. Darüber hinaus veröffentlicht und vertreibt Arthaus Musik die 3sat-DVD-Edition und betreut für den Buchhandel u.a. die Buch- und DVD-Edition über Pina Bausch von LArche Editeur, Preisträger des Prix de lAcadémie de Berlin 2010. Mehr Info... |
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