
Lehar, Franz - Der Graf von Luxemburg
Nicht nur für Sentimentale
Label/Verlag: Monarda Music
Detailinformationen zum besprochenen Titel
Arthaus bringt mit Lehárs 'Graf von Luxemburg' eine der in den 1970er Jahren produzierten Operettenverfilmungen wieder auf den Markt. Das Ergebnis ist vor allem in Hinblick auf die sängerischen Leistungen ansprechend.
Vor allem in den 1970er-Jahren wurde für das deutsche Fernsehen eine ganz beachtliche Anzahl an Opern- und Operettenverfilmungen produziert (abgesehen von den Fernsehübertragungen aus Opernhäusern, die aber zunächst noch eher seltener stattfanden), von denen bislang nur ein kleiner Bruchteil gehoben worden ist. Nachdem die Deutsche Grammophon sich nun scheinbar eher als Bremsklotz zur Wiederveröffentlichung dieser Reihe erwiesen hat (bei ihr erschienen immerhin u. a. 'Die Csársásfürstin', 'Wiener Blut', 'Der Zigeunerbaron', 'Das Land des Lächelns'), hat Arthaus Musik nun in einer Art konzertierten Aktion die Veröffentlichungsdichte deutlich erhöht, und es ist zu hoffen, dass – trotz gelegentlicher qualitativer Einrisse – diese Reihe systematisch ausgebaut wird. Nein, damals war keineswegs alles besser. Aber die Qualität, mit der viele Operettenrollen gesungen (und auch dargestellt) wurden, steht zumeist hoch über dem, was heute selbst in Hochglanzproduktionen aufgeboten werden kann.
In 'Der Graf von Luxemburg' sind die Stars des Abends Lilian Sukis, Helga Papouschek, Jane Tilden und Erich Kunz. Leider war Eberhard Wächter, der die Titelrolle singt, mitten in seiner schweren Stimmkrise, von der er sich nie mehr wirklich erholen sollte. Fast alles klingt gepresst, nichts frei, aber immerhin stimmt, anders als bei manch anderem Sänger heute, immer die Tonhöhe. Es wäre unfair, würde man seine vokale Darbietung mit jener von Nicolai Gedda in der EMI-Gesamtaufnahme aus dem Jahr 1968 vergleichen, wo naturgemäß vor allem der Gesang im Vordergrund stand (weswegen es dort auch im vokalen Bereich keinerlei Ausfälle gibt); hier haben wir eine TV-Produktion, mit teilweise ganz exzellenten darstellerischen Leistungen. Man hat nicht das Gefühl, dass Wächter sich mit ganzem Herz in seine Rolle hineinwirft, was mehrere Gründe haben kann, auf die ich später noch kommen werde.
Wächters Partnerin ist Lilian Sukis, eine aus Litauen stammende Sopranistin, deren diskografische Hinterlassenschaft leider arg dünn gesät ist. Und es sei hier gleich gesagt, dass ihre Darbietung (sängerisch wie darstellerisch) manche ihrer Schallplattenaufnahmen deutlich in den Schatten stellt. Sukis hat eine äußerst warme, ein wenig parfümiert-verhauchte Stimme, die nicht immer perfekt anspricht (ein großes Problem bei schnellen Passagen und Koloraturen), aber hier prinzipiell für die Angèle Didier bestens geeignet ist. Allerdings wurde unter anderem das große ‚Migräne-Terzett‘ wie auch die Auftrittsmusik des zweiten Akts gestrichen, was ihr zumindest im ersteren Fall deutlich zupass kommt. Sie kann sich ganz auf die lyrisch-schwärmerischen Melodiebögen konzentrieren und nicht komödiantischen Witz bemühen, der bei ihr selten voll zur Blüte kam (wie etwa bei Lucia Popp in der EMI-CD-Produktion).
Kaum etwas gesagt werden muss zu Helga Papouschek, die zu den bedeutenden Vertreterinnen der leider heute viel zu wenig geschätzten Stimmkategorie der Soubrette gehörte und die in Operettenproduktionen allerorten eine gesuchte Interpretin war. Sie stattet das Modell Juliette Vermont mit Charme, Wärme und Witz aus. Leider gehört ihr Partner einer völlig anderen Kategorie an: Peter Fröhlich ist ein genuiner Fernseh- und Theaterschauspieler, der ‚auch singt‘. Neben Papouschek, Sukis und Wächter nimmt er sich nicht ganz gleichwertig aus. Wenn man die Partie des Armand Brissard schon mit einem Schauspieler besetzt, dann möge man doch bitte auch möglichst viele seiner Gesangsnummern streichen, so wie die einzige Nummer der Gräfin Stasa Kokozow, so dass deren Partie noch winziger wird als ohnehin schon. Dennoch – Jane Tilden macht aus dem Wenigen, was geblieben ist, eine ganze Menge, füllt die Rolle der Dea ex machina brillant aus. Doch würde ihr dies kaum gelingen durch ihre darstellerisch überzeugenden Partner, Fröhlich, Papouschek und vor allem Erich Kunz, der vielleicht die beste Leistung aller Beteiligten abliefert. Der Bariton Erich Kunz (1909–1995) hat über Jahrzehnte hinweg die Wiener Staatsoper geprägt, vor allem berühmt als Mozart-Sänger, doch auch ein gefeierter Bayreuther Beckmesser. Kunz‘ musikalische und darstellerische Präzision, sein Witz, Charme und gleichzeitig Tiefgründigkeit waren beispielhaft. Wo Kurt Böhme die Rolle des Fürsten Basil Basilowitsch in der EMI-Produktion zu einer reinen Buffo-Partie macht, setzt Kunz auf feine und feinste Valeurs, die so kaum in der Partitur stehen, und wertet damit seine Partie ungeheuer auf, trotz des Verlustes des ‚Migräne-Terzetts‘.
Kurt Sowinetz, Georg Corten und Kurt Zips, allesamt aus Theater, Funk und Fernsehen wohlbekannt, ergänzen das Darstellerensemble, vermehrt um eine (nicht ausgewiesene) Gesangssolistin und einen ‚Schlager-Chor‘, der den musikalischen Leistungen der Solisten kaum adäquat ist. Überhaupt sind die Metadaten der Produktion lückenhaft – heute, nach rund vierzig Jahren wäre es schon interessant zu wissen, wann und wo Ton und Bild aufgenommen wurden; denn dass sie separat aufgenommen wurden, merkt man manchmal denn doch sehr eindeutig an der mangelhaften Synchronizität. Insgesamt aber haben wir hier eine sehr stimmungsvolle Operettenproduktion, der man sein Alter zwar anmerkt (Regie Wolfgang Glück, Bildregie Hugo Wiener), die aber dennoch medioker gesungenen oder inszenierten Produktionen bei weitem vorzuziehen ist, auch weil Walter Goldschmidt das Symphonie-Orchester Graunke und seine Sänger in fast immer dem rechten Tempo zu sehr respektablen Leistungen antreibt. Insgesamt sind auch Ton- und Bildrestaurierung recht erfolgreich (mit einem problematischen Moment zu Beginn des zweiten Aktes).
Eines aber muss noch Erwähnung finden, und zwar die fatalen Eingriffe von Bert Grund in Franz Lehárs Partitur. Es ist durchaus nachvollziehbar, dass Lehárs Partitur für die Fernsehfassung eingerichtet wurde, doch besteht irgendein Grund, die gesamte Orchestrierung derart umzukrempeln, dass von Lehárs Intentionen kaum noch etwas übrig bleibt? Der Effekt ist aus heutiger Perspektive jedenfalls nicht mehr überzeugend. Aber so war das halt anno 1972.
Interpretation: Klangqualität: Repertoirewert: Booklet: Features: Regie: |
![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() |
Dieser Beitrag hat Ihnen gefallen? Empfehlen Sie ihn weiter!
Ihre Meinung? Kommentieren Sie diesen Artikel
Jetzt einloggen, um zu kommentieren.
Sind Sie bei klassik.com noch nicht als Nutzer angemeldet, können Sie sich hier registrieren.
Detail-Informationen zum vorliegenden Titel:
![]() Cover vergrößern |
Lehar, Franz: Der Graf von Luxemburg |
|||
Label: Anzahl Medien: Veröffentlichung: |
Monarda Music 1 14.05.2012 |
Medium:
EAN: |
DVD
807280162691 |
![]() Cover vergössern |
Monarda Music Arthaus Musik wurde im März 2000 in München gegründet und hat seit 2007 seinen Firmensitz in Halle (Saale), der Geburtsstadt Georg Friedrich Händels. Zahlreiche Veröffentlichungen des Labels wurden mit internationalen Preisen ausgezeichnet, darunter der Oscar-prämierte Animationsfilm ?Peter & der Wolf? von Suzie Templeton, die aufwändig produzierte ?Walter-Felsenstein-Edition? und die von Sasha Waltz choreographierte Oper ?Dido und Aeneas?, die beide den Preis der deutschen Schallplattenkritik erhielten. Mit dem Midem Classical Award wurden u. a. die Dokumentationen ?Herbert von Karajan ? Maestro for the Screen? von Georg Wübbolt und ?Celibidache ? You don?t do anything, you let it evolve? von Jan Schmidt-Garre ausgezeichnet. Die Dokumentation ?Carlos Kleiber ? Traces to nowhere? von Eric Schulz erhielt den ECHO Klassik 2011. Mit der Tochterfirma Monarda Arts besitzt Arthaus Musik eine ca. 900 Produktionen umfassende Rechtebibliothek zur DVD-, TV- und Onlineauswertung. Seit 2007 entwickelt das Unternehmen kontinuierlich die Sparte Eigenproduktion mit der Aufzeichnung von Opern, Konzerten, Balletten und der Produktion von Kunst- und Musikdokumentationen weiter. Arthaus Musik DVDs und Blu-ray Discs werden über ein leistungsfähiges Vertriebsnetz, u.a. in Kooperation mit Naxos Global Distribution in ca. 70 Ländern der Welt aktiv vertrieben. Darüber hinaus veröffentlicht und vertreibt Arthaus Musik die 3sat-DVD-Edition und betreut für den Buchhandel u.a. die Buch- und DVD-Edition über Pina Bausch von LArche Editeur, Preisträger des Prix de lAcadémie de Berlin 2010. Mehr Info... |
![]() Cover vergössern |
Jetzt kaufen bei...![]() |
Weitere Besprechungen zum Label/Verlag Monarda Music:
-
Gelungene Zeitreise: Das Teatro Regio Torino unternimmt eine Rekonstruktion der Uraufführung von Puccinis 'La Bohème'. Weiter...
(Oliver Bernhardt, )
-
Unentschiedenes Konzept: Richard Strauss' 'Capriccio' an der Dresdner Semperoper. Weiter...
(Oliver Bernhardt, )
-
Zerfahrener Aktionismus: Carlus Padrissas T.H.A.M.O.S.-Projekt in Salzburg Weiter...
(Oliver Bernhardt, )
Weitere CD-Besprechungen von Dr. Jürgen Schaarwächter:
-
Klangprächtig: Ein äußerst ansprechendes Plädoyer für die Musik Friedrich Gernsheims. Weiter...
(Dr. Jürgen Schaarwächter, )
-
Mehr Männer: Drei Countertenöre, ein Sopranist und ein Tenor gegen zwei Soprane. Weiter...
(Dr. Jürgen Schaarwächter, )
-
Es dreht sich nur um einen: Der Klaviertriokomponist Camille Saint-Saëns als Schöpfer und Nachschöpfer. Weiter...
(Dr. Jürgen Schaarwächter, )
Weitere Kritiken interessanter Labels:
-
Kollaboratives Komponieren: Das Label Kairos präsentiert facettenreiche Ensemblemusik des schwedischen Komponisten Jesper Nordin. Weiter...
(Dr. Kai Marius Schabram, )
-
Klangprächtig: Ein äußerst ansprechendes Plädoyer für die Musik Friedrich Gernsheims. Weiter...
(Dr. Jürgen Schaarwächter, )
-
Hoher Abstraktionsgrad: Marco Fusi beeindruckt mit Violin-'Werken' Giacinto Scelsis. Weiter...
(Dr. Kai Marius Schabram, )
Portrait

"Casals kämpfte für den Frieden."
Roger Morelló über seine neue CD, die dem katalanischen Cellisten Pau Casals gewidmet ist.
Sponsored Links
- klassik.com Radio
- Urlaub im Schwarzwald
- Neue Musikzeitung
- StageKit - Websites für Musiker, Veranstalter und Konzertagenturen
Hinweis:
Mit Namen oder Initialen gekennzeichnete Beiträge geben die Meinung des Verfassers,
nicht aber unbedingt die Meinung der Redaktion wieder.
Die Bewertung der klassik.com-Autoren:
Überragend
Sehr gut
Gut
Durchschnittlich
Unterdurchschnittlich