
Parker, Horatio - Orgelwerke op. 66 & 68
Orgelmusik für Amerikaner
Label/Verlag: MDG
Detailinformationen zum besprochenen Titel
MDG geht mal wieder auf Entdeckungstour: Orgelwerke von Horatio Parker werden von Rudolf Innig an der Kuhn-Orgel des Osnabrücker Doms mit großem Klangfarbenreichtum gespielt.
Auch wenn er heute nahezu vergessen ist – Ende des 19. Jahrhunderts war Horatio Parker (1863-1919) kein Unbekannter im internationalen Musikleben und besonders nicht in den Vereinigten Staaten von Amerika, unter anderem auch mit seinem Oratorium 'Hora novissima' op. 30. Das hat sich heute radikal verändert; nur noch selten finden Parkers Werke den Weg in den Konzertsaal und auf die silberne Scheibe. Dass die entdeckerfreudige Musikproduktion Dabringhaus und Grimm nun eine CD mit drei umfänglicheren Orgelwerken vorlegt, hat einen durchaus triftigen Grund: Parker war Schüler Josef Rheinbergers in München, und sein Stil hat etwas ausgesprochen Europäisches.
Das erste der 'Vier Orgelstücke' op. 66 (1910 erschienen) eröffnet mit einem Motiv aus Wagners 'Meistersingern', auch wenn das Thema sogleich anders fortgesponnen wird. Schon bald erreicht das Stück musikalische Sphären, die wir aus Werken Edward Elgars zu kennen meinen. Und wiederum bald gelangt Parker in Sphären, die wir von kaum einem seiner Zeitgenossen zuordnen können. Was Wunder – zeigt sich Parker doch, nach einer gewissen Eingewöhnungszeit, als durchaus eigenständiger Komponist mit klarem Profil, den Hauptströmungen der zeitgenössischen Orgelmusik durchaus nahe (vielleicht am wenigsten Reger) und damit als durchaus beachtenswert.
Die 'Vier Orgelstücke' op. 66 erweisen sich schlussendlich nahezu als ausgewachsene Sonatine, auch wenn die Sätze auch einzeln aufführbar sind und wohl auch deshalb jeweils eigenständige Titel haben: 'Festival Prelude', 'Revery', 'Scherzino' und 'Postlude'. Die 'Revery' ist in der Tat eine Träumerei, die sich fast in formaler Freiheit zu verlieren scheint, aber gerade hierdurch an Interesse gewinnt. Die Ritornellteile des 'Scherzino' werden in dieser Einspielung ein wenig wie Kirmesmusik registriert, was der Musik zwar einen besonderen Zauber verleiht, aber gleichzeitig eine fast unüberbrückbare Differenz zu den Trioteilen aufspannt. Nun kann man dies als bewussten Kontrast oder Bruch ansehen, man kann aber auch sagen, hierdurch verliert das virtuose Stück an innerer Logik. Ein machtvolles-prachtvolles Nachspiel, das auch heute als Gottesdienstabschluss ein beeindruckendes Erlebnis wäre, schließt den kleinen Zyklus.
1908 erschienen die 'Fünf Orgelstücke' op. 68 im Druck, im Vergleich zu op. 66 bescheidener angelegte Charakterstücke in meist dreiteiliger Form, in Anlehnung an die Gattungstradition aus der Mitte des 19. Jahrhunderts. Der 'Kanon in der Quinte' ist ebenso wenig ein einfacher Kanon wie das 'Schlummerlied' ein einfaches Schlummerlied ist. Parker transzendiert die Miniaturen, erfüllt die knappen Formen mit reichem Gehalt. 'Novelette' und 'Arietta' sind gelungene Kontraste zum abschließenden kraftvollen 'Risoluto'.
Zentrales Werk auf der CD ist wohl die 1908 entstandene Orgelsonate es-Moll op. 65, ein fast halbstündiges großes Werk, das klar auf dem Lehrer Rheinberger aufbaut, dann aber durchaus eigene Wege geht. Auf ganz eigene Weise erkundet Parker Modulations- und Ausdrucksbereiche, die man sonst bei Reger häufig antrifft. Insgesamt ist Parkers harmonischer Duktus deutlich weniger chromatisierend als Regers, und das Gedankenspiel ist reizvoll, ob Reger wohl so oder ähnlich komponiert hätte, wenn auch er bei Rheinberger studiert hätte. Im 'Scherzo' vermeint der Rezensent klare ‚Amerikanismen‘ zu hören, mit einem Hauch von Vierne und Widor leicht beigemischt. Die abschließende Fuge ist von ganz anderer Faktur als jene vieler seiner Zeitgenossen, und gerade dieses Besondere an Parkers musikalischem Denken ist wahrlich eine Erkundung wert.
In Rudolf Innig an der 2003 erbauten Kuhn-Orgel im Osnabrücker Dom haben die drei Werke einen verständnisvollen Anwalt, der den Farbenreichtum der Werke hervorragend zur Geltung bringt. Allerdings muss ich gestehen, dass mir manche Register für das Werk vielleicht doch zu grell sind (siehe oben bei den 'Vier Stücken', doch auch gelegentlich in der Sonate), obschon Innig insgesamt ein Meister der Klangschattierung ist. Vielleicht kommt in seinem Booklettext sowohl der Werkgenese als auch die Betrachtung der Orgelstücke zu kurz, dafür befasst er sich ausführlich (aber leider für den Leser nicht entsprechend aufbereitet – es fehlen exakte Hinweise auf die genaue Auffindung der erwähnten Besonderheiten auf der CD). Die Aufnahmetechnik ist ausgezeichneter Dabringhaus & Grimm-Standard. Für Kenner und Liebhaber empfehlenswert.
Interpretation: Klangqualität: Repertoirewert: Booklet: |
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Detail-Informationen zum vorliegenden Titel:
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Parker, Horatio: Orgelwerke op. 66 & 68 |
|||
Label: Anzahl Medien: Veröffentlichung: |
MDG 1 27.04.2012 |
Medium:
EAN: |
CD
760623174129 |
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MDG Die klangrealistische Tonaufnahme »Den beim Sprechen oder Musizieren entstehenden Schall festzuhalten, um ihn zu konservieren und beliebig reproduzieren zu können, ist eine Idee, die seit langem die Menschen beschäftigte. Waren zunächst eher magische Aspekte im Spiel, die die Phantasie beflügelten wie etwa bei Giovanni deila Porta, der 1598 den Schall in Bleiröhren auffangen wollte, so führte mit fortschreitender Entwicklung naturwissenschaftlichen Denkens ein verhältnismäßig gerader Weg zur Lösung...« (Riemann Musiklexikon)Seit Beginn der elektrischen Schallaufzeichnung ist der Tonmeister als »Klangregisseur« bei der Aufnahme natürlich dem Komponisten und dem Interpreten, aber auch dem Hörer verpflichtet. Die Mittel zur Tonaufzeichnung sind hinlänglich bekannt. Die Kriterien für ihren Einsatz bestimmt das Ohr. Deshalb für den Hörer hier eine Beschreibung unserer Hörvorstellung. Lifehaftigkeit In der Gewißheit, daß der Konzertsaal im Wohnzimmer (leider) nicht realisierbar ist, konzentriert sich unser Bemühen darauf, die Illusion einer Wirklichkeit zu vermitteln. Die Musik soll im Hörraum so wiedererstehen, daß spontan der Eindruck der Unmittelbarkeit entsteht, das lebendige Klanggeschehen mit der ganzen Atmosphäre der »Lifehaftigkeit« erlebt wird. Da wir praktisch ausschließlich menschliche Stimmen und »klassische« Instrumente - auch sie haben ihren Ursprung im Nachahmen der Stimme - aufnehmen, konzentriert sich unsere Klangvorstellung auf natürliche Klangbalance und tonale Ausgeglichenheit im Ganzen, und instrumentenhafte Klangtreue im Einzelnen. Darüber hinaus natürliche, ungebremste Dynamik und genaueste Auflösung auch der feinsten Spannungsbögen. Weitestgehend bestimmend für die Illusion der Lifehaftigkeit ist auch die Ortbarkeit der Klangquellen im Raum: freistehend, dreidimensional, realistisch.Musik entsteht im Raum Um diesen »Klangrealismus« einzufangen, ist bei den Aufnahmen von MDG eine natürliche Akustik unbedingte Voraussetzung. Mehr noch, für jede Produktion wird speziell in Hinblick auf die Besetzung und den Kompositionsstil der passende Aufnahmeraum ausgesucht. Anschließend wird »vor Ort« die optimale Plazierung der Musiker und Instrumente im Raum erarbeitet. Dieser ideale »Spielplatz« ermöglicht nun nicht nur die akustisch beste Aufnahme, sondern inspiriert durch seine Rückwirkung die Musiker zu einer lebendigen, anregenden Musizierlust und spannender Interpretation. Können Sie sich die Antwort des Musikers vorstellen auf die Frage, ob er lieber in einem trockenen Studio oder in einem Konzertsaal spielt?Die Aufnahme Ist der ideale Raum vorhanden, entscheidet sich der gute Ton an den Mikrofonen - verschiedene Typen mit speziellen klanglichen Eigenheiten stehen zur Auswahl und wollen mit dem Klang der Instrumente im Raum in Harmonie gebracht werden. Ebenso wichtig für eine natürliche Abbildung ist die Anordnung der Mikrofone, damit etwa die richtigen Nuancen in der solistischen Darstellung oder die Kompensation von Verdeckungseffekten realisierbar werden. Das puristische Ideal »nur zwei Mikrofone« kann selten den komplexen Anforderungen einer Aufnahme mit mehreren Instrumenten gerecht werden. Aber egal wie viele Mikrofone verwendet werden: Stellt sich ein natürlicher Klangeindruck ein, ist die Frage nach dem Zustandekommen des »Lifehaftigen« zweitrangig. Entscheidend ist, es klingt so, als wären nur zwei Mikrofone im Spiel.Ohne irgendwelche »Verschlimmbesserer« wie Filter, Limiter, Equalizer, künstlichen Hall etc. zu benutzen, sammeln wir die Mikro-Wellen übertragerlos in einem puristischen Mischpult und geben das mit elektrostatischem Kopfhörer kontrollierte Stereosignal linear und unbegrenzt an den AD-Wandler und zum digitalen Speicher weiter. Dadurch bleiben auch die feinsten Einschwingvorgänge erhalten. Auf der digitalen Ebene wird dann ohne klangmanipulierende Eingriffe mit dem eigenen Editor in unserem Hause das Band zur Herstellung der Compact Disc für den Hörer erstellt, für Ihr hoffentlich großes Hörvergnügen. Mehr Info... |
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