
Cherubini, Luigi - Arien & Ouvertüren von Florenz bis Paris
Poco sofisticato
Label/Verlag: Hyperion
Detailinformationen zum besprochenen Titel
Es ist verdienstvoll, sich der Musik von Luigi Cherubini anzunehmen. Doch wenn dies so dürftig wie hier geschieht, tut man der Musik keinen Gefallen.
Luigi Cherubini hat es schwer. Irgendwie will eine echte Wiederentdeckung seiner Musik nicht recht in Gang kommen, trotz immer wieder vorgenommener Versuche seit den 1950er-Jahren. Ob 'Les deux journées' unter Beecham, ob 'Medea' mit Callas, Cherubinis wirklichen Stil haben bis heute nur wenige Interpreten getroffen. Selbst Riccardo Muti, der Cherubinis geistlichen Werke hochschätzt und 'Lodoiska' an der Mailänder Scala kurzzeitig wiederbelebt hat, hat nicht wirklich einen Zugang zu seiner Klangästhetik gefunden. Das liegt wohl daran, dass Cherubinis Stil zumeist klassizistische Kühle nachgesagt wird. Der Beethoven-Zeitgenosse hat es seit seinem Tod neben dem heißblütigen Bonner immer schwer gehabt. Ein Grund hierfür mag auch in der französischen Revolution zu suchen sein, nach der Cherubinis Stil zusammen mit dem alten Regime hinausgefegt wurde. Oder es hat mit dem Desinteresse an der französischen Musik bis 1860 an sich zu tun; denn auch Meyerbeer, Gounod, Delibes und viele andere kennt der Musikliebhaber heute nur mehr durch wenige Beispiele, und längst nicht immer die wichtigsten.
Zu jenen, die Cherubinis Stil möglicherweise am nächsten gekommen sind, sind die historisch informierten Interpreten zu zählen, das Ensemble Hausmusik (mit den Streichquartetten) und Christoph Spering (mit 'Les deux journées' und dem Requiem c-Moll), das Brewer Chamber Orchestra (mit 'Médée') und die Capella Coloniensis unter Gabriele Ferro (mit der Krönungsmesse A-Dur und dem Gesang zum Tode Haydns). Nun hat sich das italienische Ensemble Auser Musici unter der Leitung von Carlo Ipata Cherubinis Musik verschrieben. Vier Ouvertüren umrahmen insgesamt fünf Arien. Doch die Diskrepanz zwischen dem, was Cherubini eigentlich ausmacht (und was auch auf dem CD-Booklet abgebildet ist) und dem, was das munter aufspielende italienische Ensemble abliefert, ist extrem. Wir haben hier Musiker, die Cherubini ausschließlich als italienischen Provinzkomponisten verstehen, die nicht die kosmopolitische Komponente widerzuspiegeln imstande oder willens sind. Viele der Einsätze sind approximativ, die intonatorische Abstimmung mangelhaft, die Phrasierung wurzelt oft zu sehr in der Musik des frühen 18. Jahrhunderts. Schon die aus dem Jahre 1786 stammende Sinfonia zu 'Il Giulio Sabino' gerät zur Opernouvertüre anno 1760 – was nicht an der Musik liegt, sondern am Unverständnis der Musiker, deren Hauptschwerpunkt lange frühere Musik war. So ist das Ensemble zwar historisch informiert, doch leider bezüglich der falschen Epoche. Die Ouvertüre zu 'Démophon' (1788) klingt weniger klassisch als die mancher Gluck-Oper in fähigen Händen. Das muss nicht sein, Howard Griffiths hat das eindrucksvoll bewiesen.
Die Gesangssolistin der vier Opern- und einen Einlagearie ist Maria Grazia Schiavo, die – fast naturgemäß – nur italienische Arien singt, doch gänzlich ohne den Charme und die exquisite Note, die Cherubinis Musik braucht. Eine Sängerin mit einer ‚geläufigen Gurgel‘, doch ohne Prägnanz, ohne die Fähigkeit zu trillern und auch mit einem etwas zu starkem Vibrato, ein Sängerin, die in den 1980er-Jahren in der italienischen Provinz erfolgreich gewesen wäre, heute aber für solche prestigeträchtigen Projekte herangezogen wird. Das, was der Brite ‚sophisticated‘ nennt und was früher ein Markenzeichen des Labels Hyperion war – hier ist es in äußerst geringem Maße vorhanden. Die brillante Aufnahmetechnik ist insofern geradezu kontraproduktiv, verdeckt sie doch nicht etwa die Unschärfen, sondern bringt sie klar zutage. So kann man Cherubini nicht dienen.
Interpretation: Klangqualität: Repertoirewert: Booklet: |
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Detail-Informationen zum vorliegenden Titel:
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Cherubini, Luigi: Arien & Ouvertüren von Florenz bis Paris |
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Label: Anzahl Medien: Veröffentlichung: |
Hyperion 1 24.02.2012 |
Medium:
EAN: |
CD
034571178936 |
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Hyperion Founded in 1980, Hyperion is an independent British classical label devoted to presenting high-quality recordings of music of all styles and from all periods from the twelfth century to the twenty-first. We have been described as 'Britains brightest record label'. In January 1996 we were presented with the Best Label Award by MIDEM's Cannes Classiques Awards. The jury was made up of the editors of most of the leading classical CD magazines in the world - Classic CD (England), Soundscapes (Australia), Répertoire (France), FonoForum (Germany), Luister (Holland), Musica (Italy), Scherzo (Spain), and In Tune (USA & Japan). We named our label after an altogether splendid figure from Greek mythology. Hyperion was one of the Titans, and the father of the sun and the moon - and also of the Muses, so we feel we are fulfilling his modern role by giving the art of music to the world. The repertoire available on Hyperion, and its subsidiary label Helios (Helios, the sun, was the son of Hyperion), ranges over the entire spectrum of music - sacred and secular, choral and solo vocal, orchestral, chamber and instrumental - and much of it is unique to Hyperion. The catalogue currently comprises nearly 1400 CDs and approximately 80 new titles are issued each year. We have won many awards. Our records are easily available throughout the world in those countries served by our distributors. A list of the world's top Hyperion dealers, listed by country and city, can be found on our homepage. But if you have any difficulty please get in touch with the distributor in your territory. In Germany that is Note 1 Music Gmbh. Mehr Info... |
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