
Hérold, Louis-Ferdinand - Konzerte für Klavier & Orchester Nr. 1-4
Vorbildfunktion
Label/Verlag: Talent Records
Detailinformationen zum besprochenen Titel
Mit der Gesamteinspielung der Klavierkonzerte von Louis-Ferdinand Hérold wird eine Repertoirelücke gefüllt. Doch bei der Umsetzung hätte man doch stilistisch etwas differenzierter vorgehen können.
Den französischen Komponisten Louis-Ferdinand Hérold (1791–1833) kannte man im 20. Jahrhundert vor allem durch das Ballett 'Das schlecht behütete Mädchen' (La fille mal gardée) in der Bearbeitung von John Lanchbery und die Ouvertüre zur Oper 'Zampa oder Die Marmorbraut', die in Wunschkonzerten und auf Sammelplatten immer wieder einmal zu hören war (etwa unter Paul Paray und Albert Wolff). Die Ouvertüre ist mittlerweile vergessen, dafür hat Bernard Boetto die Klavierkonzerte Hérolds ausgegraben, die ungedruckt geblieben waren und hier als Weltersteinspielungen vorgelegt werden. Die vier Werke entstanden in einem Schwung zwischen 1811 und 1813, um jenen Zeitpunkt also, als Hérold den Prix de Rôme gewann.
Und in der Tat sind dies Kompositionen, die bestens in die ‚nachklassische‘ bzw. frühromantische Zeit passen, bereits mit Vorechos auf Weber und gelegentlich sogar Schumann, aber auch Nachklängen an Clementi, Mozart und Beethoven. Nun ist die Tradition des französischen Klavierkonzerts vor Chopin bislang noch kaum auf Tonträger dokumentiert, und so füllen die vier Konzerte eine allzu große Lücke wenigstens ansatzweise. Dennoch wäre es interessant zu erfahren, was sonst in dieser Zeit in Frankreich so in Mode war. Leider gibt das Booklet (mit denkbar unpassendem Coverbild) hierzu keine Auskunft, im Gegenteil: Es ist zwar dreisprachig, doch fast ohne Informationen. Und ein Schreibfehler wie ‚Grösser Sendesaal WDR‘ bei den Aufnahmedetails hätte einfach nicht stehen bleiben dürfen.
Beim ersten Hören verblüffen die vier Konzerte immer wieder – und zwar durch ihre offenkundige Vorbildfunktion für Chopin, der einige Themen geradezu buchstäblich kopiert zu haben scheint. Auch die formale Struktur, die Instrumental- und Orchesterbehandlung und selbst das Passagenwerk scheinen immer wieder Vorboten der beiden Konzerte von 1829-30. Und wenn die Anklänge nicht gerade gen Chopin tendieren, hört man immer wieder Beethovensche Kraft und Raffinesse. Angéline Pondepeyre hat ein differenziertes, an Farben reiches Anschlagspektrum, das Orchester gewährleistet die Wiedergabe der Partituren exakt auf den Punkt. Doch im Grunde bleibt eine Interpretation noch in den Anfängen stecken.
Denn obwohl die Aufnahmen erst im Spätsommer 2010 entstanden, scheinen weder die Solistin noch der Dirigent Conrad van Alphen das geringste Interesse an historisch informierter Aufführungspraxis zu haben, was den charmanten Partituren ein wenig den Anschein neoklassischer Beliebigkeit verleiht: So spielte man Mozart vor dreißig oder vierzig Jahren. Das ist nicht die Musik des frühen 19. Jahrhunderts, das ist ein mattes Spiegelbild dieser Musik. Nun muss man eingestehen, dass die Leistung, die dem WDR Rundfunkorchester durch die Partituren abgefordert wird, eher bescheiden zu nennen ist, doch hätte ein historisch informierter Klangkörper das Profil zumindest ein wenig schärfen können (wie etwa Sir Charles Mackerras im Fall der Chopin-Konzerte bewiesen hat). So haben wir ein wenig eine Art Einheitsbrei, der die Feinheiten der Partituren verunklart statt unterstützt. Was nicht an der gewohnt überzeugenden Aufnahmetechnik des WDR liegt. Schade um ein so ambitioniertes Unternehmen.
Interpretation: Klangqualität: Repertoirewert: Booklet: |
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Detail-Informationen zum vorliegenden Titel:
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Hérold, Louis-Ferdinand: Konzerte für Klavier & Orchester Nr. 1-4 |
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Label: Anzahl Medien: Veröffentlichung: |
Talent Records 2 11.11.2011 |
Medium:
EAN: |
CD
5413969020210 |
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Talent Records Sometimes labels appear, offering to the listener more than both standard repertoire and romantic masterpieces. The Belgian CLASSIC TALENT label and its founder Ronald Dom belongs to the group of pioneers. In 1968 Dom started as assistant-label-manager Classic with EMI. He contracted some famous belgian musicians who worked one year on ready-to-record material which was complementary to the international EMI catalogue. The year after the market slumped and EMI withdrew the project. Dom felt himself so responsible that he invited the musicians to record on his own initiative and expenses. Half of the musicians jumped into the sea with him.
1987 the first production came out. For Dom a production is like the birth and the growth of a child . "After the conception, whereas you have to look after the most ideal record circumstances, follows the birth: the record is ready. Then you take care of a nice clothing (jacket and booklet), you give it the best chances through good promotion and at last you let it go its own way."
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