
Ruzicka, Peter - Acht Ansätze für großes Orchester
Erkundung
Label/Verlag: Neos
Detailinformationen zum besprochenen Titel
Diese Folge der Ruzicka-Reihe von NEOS kann mit ansprechenden, ausdrucksstarken Werken aufwarten. Die klangliche Darstellung darf als exemplarisch bezeichnet werden.
Peter Ruzicka ist eine Persönlichkeit, wie es nur wenige in einem Jahrhundert gibt. Profilierter Komponist, begabter Dirigent, bedeutender Intendant und Kulturmanager – seine vielfachen Fähigkeiten rufen schnell seinen Vorgänger als Intendant der Hamburgischen Staatsoper Rolf Liebermann in Erinnerung, der vergleichbare Fähigkeiten in sich vereinte. So ist es angemessen und erfreulich, dass der NDR in Kooperation mit der Fundación BBVA und dem Plattenlabel NEOS eine CD-Edition von Orchesterwerken Ruzickas angeht.
Aus zehn Jahren stammen die hier vorgelegten vier Werke, von 1997–2006. 'Nachklang' (1999) entstand unmittelbar nach Abschluss der Oper 'Celan', verwandelt Orchesterpassagen derselben und entwickelt neue Perspektiven auf das Material, das teilweise aus konventionellen Kadenzen zu bestehen scheint. Zunächst meint man, die CD sei beschädigt, da die Musik immer wieder nahezu dem Nichts entsteigt. Das in 'Szenen' unterteilte 'Vorecho' (2005-6) bezeichnete Ruzicka als Vorstudie zur Oper 'Hölderlin', das es immer wieder beherrschende choralartige Thema ähnelt dem Kopfthema der Zehnten Sinfonie Gustav Mahlers. Eine Art musikalische Stele ist das 'Memorial per G. S. ', entstanden anlässlich des Todes des Freundes Giuseppe Sinopoli 2001. 'Nachtstück' (1997; den Beititel ‚(– aufgegebenes Werk‘ erläutert der Booklettext nicht) ist vielleicht eine Steigerung der drei zuvor dargebotenen Werke, in herrlich klar strukturierter symphonischer Bogenform.
Ruzickas Fähigkeiten, logische, sorgsam ausgearbeitete Spannungsbögen auch über längere Strecken hin zu entwickeln, seine Raffinesse der Instrumentierung, sein Gespür für Stimmungen, Spannungen und Entspannungen, Schattierungen und Aufhellungen, für Klang- und Geräuschflächen, für Melodiegestaltung und Kontrapunktik, für virtuose und emotionale Klanggestalten, für Intimität und offene Ausbrüche – all dies wird in den vier hier vorliegenden Werken in unterschiedlichster Weise erkundet und offenkundig. Die Aufnahmen mit dem NDR Sinfonieorchester unter der Leitung des Komponisten sind von exemplarischer Qualität. Das Orchester, das seit Längerem nicht mehr so stark auf dem Tonträgermarkt präsent ist, zeigt sich in Höchstform; es ist offenkundig, dass es keine Elbphilharmonie benötigt, um herausragende Interpretationen abzuliefern. Die Aufnahmetechnik ist sehr gut, und die Genauigkeit, mit der Ruzicka die Werke erarbeitet hat, entspricht dem heute üblichen Höchststand für Musik des späten 20. und frühen 21. Jahrhunderts. Man möchte sich fragen, warum bei früherer Musik, etwa jener von Reger, die fast genauso exakt aufgezeichnet ist wie jene der folgenden Generationen, immer noch so viel weniger Akkuratesse an den Tag gelegt wird als bei freitonaler Musik.
Leider verfolgt das Label die fatale Vorliebe, einen Pappschuber zu verwenden, der an der Einsteckstelle des Booklets viel zu leicht einreißt – eine Fehlkonstruktion, die es dringend hinter sich zu lassen gelten sollte. Ansonsten ist das Booklet umfangreich (viersprachig), wenngleich der eigentliche Booklettext im Grunde deutlich zu wenig tiefgründig ist für die komplexe Materie.
Interpretation: Klangqualität: Repertoirewert: Booklet: |
![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() |
Dieser Beitrag hat Ihnen gefallen? Empfehlen Sie ihn weiter!
Ihre Meinung? Kommentieren Sie diesen Artikel
Jetzt einloggen, um zu kommentieren.
Sind Sie bei klassik.com noch nicht als Nutzer angemeldet, können Sie sich hier registrieren.
Detail-Informationen zum vorliegenden Titel:
![]() Cover vergrößern |
Ruzicka, Peter: Acht Ansätze für großes Orchester |
|||
Label: Anzahl Medien: Veröffentlichung: |
Neos 1 01.08.2013 |
Medium:
EAN: |
CD
4260063110450 |
![]() Cover vergössern |
Neos NEOS das neue Label für Zeitgenössische Musik, das seit Mitte Mai 2007 auf dem deutschen, seit Oktober 2007 auch auf dem internationalen Markt präsent ist. Im Zentrum der Neuveröffentlichungen stehen Kompositionen des 20. und 21. Jahrhunderts - die Betonung liegt dabei auf Welt-Ersteinspielungen. Mehr Info... |
![]() Cover vergössern |
Jetzt kaufen bei...![]() |
Weitere Besprechungen zum Label/Verlag Neos:
-
Kunst als Erfahrungssuche an den Grenzen: Der Schweizer Komponist René Wohlhauser, der auch Gedicht verfasst, beschäftigt sich in seinen Kompositionen oft mit den existentiellen Fragen des Daseins. Weiter...
(Michael Pitz-Grewenig, )
-
Expressiv vokal: Wertvolle Kelterborn-Würdigung aus Winterthur. Weiter...
(Dr. Jürgen Schaarwächter, )
-
Ästhetisch rigoros: Ernst Helmuth Flammers anspruchsvolle Orchestermusik in vorbildlichen Wiedergaben. Weiter...
(Dr. Jürgen Schaarwächter, )
Weitere CD-Besprechungen von Dr. Jürgen Schaarwächter:
-
Klangprächtig: Ein äußerst ansprechendes Plädoyer für die Musik Friedrich Gernsheims. Weiter...
(Dr. Jürgen Schaarwächter, )
-
Mehr Männer: Drei Countertenöre, ein Sopranist und ein Tenor gegen zwei Soprane. Weiter...
(Dr. Jürgen Schaarwächter, )
-
Es dreht sich nur um einen: Der Klaviertriokomponist Camille Saint-Saëns als Schöpfer und Nachschöpfer. Weiter...
(Dr. Jürgen Schaarwächter, )
Weitere Kritiken interessanter Labels:
-
Kollaboratives Komponieren: Das Label Kairos präsentiert facettenreiche Ensemblemusik des schwedischen Komponisten Jesper Nordin. Weiter...
(Dr. Kai Marius Schabram, )
-
Klangprächtig: Ein äußerst ansprechendes Plädoyer für die Musik Friedrich Gernsheims. Weiter...
(Dr. Jürgen Schaarwächter, )
-
Hoher Abstraktionsgrad: Marco Fusi beeindruckt mit Violin-'Werken' Giacinto Scelsis. Weiter...
(Dr. Kai Marius Schabram, )
Portrait

"Casals kämpfte für den Frieden."
Roger Morelló über seine neue CD, die dem katalanischen Cellisten Pau Casals gewidmet ist.
Sponsored Links
- klassik.com Radio
- Urlaub im Schwarzwald
- Neue Musikzeitung
- StageKit - Websites für Musiker, Veranstalter und Konzertagenturen
Hinweis:
Mit Namen oder Initialen gekennzeichnete Beiträge geben die Meinung des Verfassers,
nicht aber unbedingt die Meinung der Redaktion wieder.
Die Bewertung der klassik.com-Autoren:
Überragend
Sehr gut
Gut
Durchschnittlich
Unterdurchschnittlich