
Modern Times - Lieder von Schreker, Gal, Goldschmidt u.a.
Neue alte Lieder
Label/Verlag: CAvi-music
Detailinformationen zum besprochenen Titel
Sehr solide Lied-CD mit herausragendem Klavierbegleiter und vielen Entdeckungen, besonders den melancholischen Gesängen von Hans Gal und den beißenden Spottliedern von Wilhelm Grosz.
Der Bariton Christian Immler ist dem CD-Hörer bisher vor allem als Bach-Solist vor Ohren getreten, etwa in der h-Moll-Messe unter Marc Minkowski oder der Johannes-Passion unter Philippe Herreweghe. Für seine erste Lied-CD hat er ein komplett anderes Repertoire ausgesucht. ‚Modern Times‘ beschäftigt sich mit deutschen Liedern jüdischer Komponisten im ersten Drittel des 20. Jahrhunderts. Wie im sorgfältig edierten Programmheft erklärt, will Immler die Stücke nicht nur der Vergessenheit entreißen, sondern auch dem aktuellen Repertoire zugänglich machen. Als einziges Auswahlkriterium der 27 Lieder von sieben verschiedenen Komponisten bezeichnet er deren Qualität.
Christian Immler hat einen klangvollen, männlichen Bariton mit gut verblendeten Registern. Aus einer warmen, souveränen Tiefe entwickelt sich die schlanke Mittellage. Die nicht sehr expansionsfähige Höhe wird unter Druck etwas steif, die reizvolle Voix mixte lässt an einen ‚tiefer gelegten‘ Max Raabe denken, die sinnliche, hier selten zum Einsatz kommende, Kopfstimme flackert ein wenig. Am wohlsten fühlt sich Immlers Stimme bei den melancholischen Kantilenen von Hans Gal. Die Lieder nach Texten von Morgenstern und Übertragungen aus dem Chinesischen von Hans Bethge haben zudem einen erzählenden Charakter, den Immler überaus fesselnd gestaltet.
Die bekanntesten Stücke der CD sind Korngolds kurze Shakespeare-Vertonungen, die Immler mit viel Charme – und im letzten Stück mit etwas Mühe – interpretiert. Überraschen gut gelingt ihm die Drastik von Eislers Balladen, die eigentlich mehr verlangen als einen rein klassischen Sänger. Auch mit Zemlinskys leicht schwülstigem Jugendstil und Berthold Goldschmidts intellektuellen, wenn auch tonalen Klangexperimenten kommt der Sänger gut zurecht. Schrekers das Album eröffnende 'Das feurige Männlein' allerdings gelingt nicht ganz so gut. Immler artikuliert in dem schnellen, musikalisch und dynamisch vertrackten Lied ein wenig verwaschen. Hier muss man den Text mitlesen.
Eine große Entdeckung sind die Lieder des (zumindest mir bisher) unbekannten Wilhelm Grosz aus 'Bänkel und Balladen' op. 31. Es sind Vertonungen von brillant satirischen Texten der ebenso unbekannten Carola Sokol, die ihre Aktualität über 80 Jahre bis ins Jetzt bewahrt haben. Immler nähert sich diesen Stücken mit sanfter, nie weichlicher Ironie, frappiert und amüsiert gleichzeitig. Diese vier Lieder sind eine echte Trouvaille für jeden Freund des Kunstlieds. Absolut fantastisch ist das Klavierspiel des Altmeisters Helmut Deutsch, das über bloße Begleitung weit hinausreicht. Mehr noch als in der gesanglichen Interpretation scheint in der Klavierstimme die künstlerische und ästhetische Vielfalt und Innovationskraft im Deutschland des frühen 20. Jahrhunderts prägnant und faszinierend auf.
Interpretation: Klangqualität: Repertoirewert: Booklet: |
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Detail-Informationen zum vorliegenden Titel:
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Modern Times: Lieder von Schreker, Gal, Goldschmidt u.a. |
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Label: Anzahl Medien: Veröffentlichung: Spielzeit: Aufnahmejahr: |
CAvi-music 1 14.10.2011 65:45 2011 |
EAN: BestellNr.: |
4260085532292 8553229 |
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CAvi-music "Es muss nicht viel sein, wenn's man gut ist" heißt die Devise für das Label, das stets den Künstler in den Vordergrund stellt, das partnerschaftlich Projekte realisiert, das persönliche Wünsche und Ideen der Künstler unterstützt, das sich vorwiegend auf Kammermusik konzentriert, das handverlesen schöne Musik in hervorragender Interpretation anbietet, mit einer Künstlerliste, die sich sehen lassen kann. Eine sehr persönliche Sache, die von Herzen kommt !! Außerdem kommen neben dem Label CAvi-music auch die Labels "SoloVoce" und "CAvi-Autentica" aus dem Hause Avi-Service for music. Mehr Info... |
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