
Panufnik, Andrzej - Sinfonien Vol. 4
Unterkühlt
Label/Verlag: cpo
Detailinformationen zum besprochenen Titel
Die Panufnik-Reihe von CPO ist aller Ehren wert. Doch die nun vorgelegte Folge ist interpretatorisch etwas glutlos geraten.
Mit nicht weniger als drei Sinfonien auf einer CD macht die cpo-Edition der Orchesterwerke Andrzej Panufnik einen regelrechten Sprung vorwärts. Erstmals leitet Łukasz Borowicz das Konzerthausorchester Berlin, nicht mehr das Polnische Rundfunk-Symphonieorchester, dem Borowicz als künstlerischer Leiter vorsteht. Das unmittelbare Ergebnis ist ein vielleicht nicht ganz so glatter, dafür aber merklich lebendigerer Orchesterklang als bei den ersten drei Folgen der Edition, damit eine zusätzliche Dimension, die bewirkt, dass in den Einspielungen symphonischer und intimer Gestus vollkommen miteinander verschmelzen.
Ein halbes der drei vorliegenden Werke ist eine CD-Premiere: die revidierte Fassung der 'Sinfonia Elegiaca'. Letzteres Werk entstand 1957 als Überarbeitung seiner 'Symphony of Peace' für Chor und Orchester und wurde in Houston durch Leopold Stokowski uraufgeführt. Borowiczs Interpretation wird sicher nicht ganz an die damalige glutvolle Aufführung durch Stokowski herankommen, da er immer einen Hauch kalkulierter dirigiert als der ‚Herzblutmusiker‘ Stokowski, dem die Wirkung einer Komposition immer wichtiger war als eine sklavische Befolgung des Notentextes. Nun ist Notentreue natürlich beileibe nichts Schlechtes, und Borowicz bleibt auch keineswegs unterkühlt. Nur hat er (ähnlich Seiji Ozawa bei der Uraufführung der 'Sinfonia Votiva' 1982, bei Hyperion auf CD vorgelegt) eben nicht das aufbrausend-leidenschaftliche Naturell Stokowskis. Die 'Sinfonia Elegiaca' war bereits 1961, fünf Jahre vor der finalen Revision des Werkes 1966, durch das Louisville Orchestra unter Robert Whitney noch in Mono für LP eingespielt worden (die Aufnahme ist heute als CD und mp3 erhältlich), und die Neuproduktion durch Borowicz ist ein deutlicher Gewinn der mittlerweile fünfzig Jahre alten Einspielung gegenüber, nicht nur was die Aufnahmequalität anbelangt (die bei der cpo-Produktion wie zu erwarten tadellos ist), sondern auch bezüglich des Orchesterklangs, auch wenn Whitneys Funeralmetrum des ersten Satzes eine Unerbittlichkeit besitzt, die den Ausbruch des zweiten Satzes umso logischer erscheinen lässt.
Die 'Sinfonia Sacra' ist Panufniks beliebteste Sinfoniekomposition, nicht weniger als fünf Einspielungen von ihr liegen bereits auf dem CD-Markt vor (darunter zwei unter Leitung des Komponisten). Was als erstes auffällt, ist, dass die Trackaufteilung des ersten Satzes ('Drei Visionen') fehlerhaft geraten ist; die korrekte Tracktrennung hätte in Tack 6 um [2:39] erfolgen müssen, wodurch sich die bei Panufnik typische Dreiteiligkeit des Satzes erschlossen hätte. Auch in diesem Werk ist Borowicz mit dem Orchester wieder um größtmögliche instrumentale Sorgfalt bemüht. Die Freiheit, die John Storgards mit dem Tampere Philharmonic Orchestra oder Kazimierz Kord mit dem Philharmonischen Orchester Warschau an den Tag legt, fehlen Borowicz allerdings ebenso wie die offenbar eindeutig intendierten antiphonalen Effekte im ersten Satz, die Panufnik selbst herausarbeitet. Hier wie auch sonst wirkt Borowicz immer wieder klinisch unterkühlt, im falschen Sinne perfektionistisch. Natürlich finden sich viele schöne Momente in der Einspielung, besonders in den langsamen Passagen, doch ist sie der harten Konkurrenz nicht wirklich gewachsen.
Auch die Zehnte Sinfonie, ein Auftragswerk des Chicago Symphony Orchestra, von dem es unter Leitung des Komponisten aus der Taufe gehoben wurde, liegt bereits zweimal auf CD vor (wenn auch beide Produktionen heute schwer zu kriegen sind). Die einsätzige (wenn auch in vier klar gegliederte Abschnitte unterteilte) Komposition ist Panufniks kürzeste Sinfonie, drei Jahre vor seinem Tod entstanden und 1990 revidiert. Selbst bei dieser essenziell elegische Komposition (wenn auch mit zwei schnelleren Binnenabschnitten) sind die dramatischen Ausbrüche (etwa im Vergleich zur Weltersteinspielung unter Gerard Schwarz von 1996) eher zahm.
Leider bleibt der Booklettext im Grunde ein Referat der Originaltexte des Komponisten, doch werden diese nicht als genuin eigenständige Texte geboten, sondern in einen ansonsten nicht genügend informativen Text, in dem etwa Uraufführungsdaten fehlen oder fehlerhaft sind (die 'Sinfonia Sacra' wurde am 12. August 1964 in Monte Carlo uraufgeführt, die 'Sinfonia Elegiaca' am 21. November 1957).
Interpretation: Klangqualität: Repertoirewert: Booklet: |
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Detail-Informationen zum vorliegenden Titel:
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Panufnik, Andrzej: Sinfonien Vol. 4 |
|||
Label: Anzahl Medien: Veröffentlichung: |
cpo 1 20.09.2011 |
Medium:
EAN: |
CD
761203768325 |
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Schumann, Robert |
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cpo Wohl kaum ein zweites Label hat in letzter Zeit soviel internationale Aufmerksamkeit erregt wie cpo. Die Fachwelt rühmt einhellig eine überzeugende Repertoirekonzeption, die auf hohem künstlerischen Niveau verwirklicht wird und in den Booklets eine geradezu beispielhafte Dokumentation erfährt. Der Höhepunkt dieser allgemeinen Anerkennung war sicherlich die Verleihung des "Cannes Classical Award" für das beste Label (weltweit!) auf der MIDEM im Januar 1995 und gerade wurde cpo der niedersächsische Musikpreis 2003 in "Würdigung der schöpferischen Leistungen" zuerkannt.
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