> > > Great Singers live - Margaret Price: Werke von Mozart, Rossini, Verdi u.a.
Montag, 25. September 2023

Great Singers live - Margaret Price - Werke von Mozart, Rossini, Verdi u.a.

Posthumes Recital


Label/Verlag: BR-Klassik
Detailinformationen zum besprochenen Titel


Das hauseigene Label des Bayerischen Rundfunks legt mit einem

Jahrelang war es still geworden um die walisische Sängerin Margaret Price, die am 28. Januar dieses Jahres noch nicht siebzigjährig starb. Wenige Aufnahmen hat sie auf CD und DVD hinterlassen, und doch hat sie durch ihr Können schon zu Lebzeiten den Status einer Legende erlangt. Nachdem sie ihre Karriere bei den Ambrosian Singers begonnen hatte, debütierte sie 1962 an der Welsh National Opera in 'Le nozze di Figaro'. Schon bald ging es steil nach oben, unter anderem als sie ein Jahr später für die erkrankte Teresa Berganza an Covent Garden in der Rolle des Cherubino einsprang. Georg Solti hatte zunächst Bedenken gegen die Sängerin gehabt, die Otto Klemperer als Fiordiligi und Barbarina für seine EMI-Aufnahmen verpflichtete. An der Kölner Oper gehörte sie zu dem berühmten Mozart-Ensemble der Ära Jean-Pierre Ponnelles. Später wurde auch Solti auf die Qualitäten der Sopranistin aufmerksam und spielte mit ihr 'Don Giovanni', Otello', 'Un ballo in maschera' ein. Colin Davis holte sie als Pamina, Riccardo Muti als Contessa Almaviva, Roberto Abbado als Liù, Kent Nagano als Ariadne (in der Erstfassung) und Carlos Kleiber als Isolde, letztere zwei Rollen, die sie nie auf der Bühne sang (anderslautenden Berichten entgegen sang sie nie die Feldmarschallin auf der Bühne). Aus San Francisco gibt es eine 'Aida' mit ihr und Luciano Pavarotti. Außerdem die Requiem-Kompositionen von Mozart, Brahms und Verdi, Beethovens 'Missa solemnis' (unter Böhm) und die Neunte Sinfonie (unter Sawallisch, Kubelik und Mehta), Bruckner (unter Celibidache), Mahlers Vierte (unter Horenstein) und Achte Sinfonie (unter Bernstein), Schumanns 'Das Paradies und die Peri' (unter Giulini), Vaughan Williams’ 'Pastoral Symphony' (unter Boult) und 'Riders to the Sea' (unter Meredith Davies), Elgars 'The Kingdom' (unter Boult); ihre Konstanze ('Die Entführung aus dem Serail') wurde leider nur als Querschnitt aufgenommen. Und immer wieder Lieder, viele Lieder. Prices Legato war legendär, ihre Phrasenbildung vorbildlich, auch wenn ihr Deutsch oft nicht ganz idiomatisch war und der Text des unterstützenden Abdrucks in Programm oder CD-Booklet bedurfte. Aber was für eine Linienführung, was für ein Piano!

Merkwürdigerweise entstand zu Lebzeiten Prices keine Recital-CD – die Sängerin war wohl zu ‚sincere‘, um sich auf eine ‚Schlachtplatte‘ einzulassen. Nur eine Mozart-LP legte sie vor, auf der sie jene Arien einspielte, von denen sie noch nicht absehen konnte, ob je auch eine Gesamtaufnahme zustande käme. Hier finden wir auch 'Parto, parto' aus 'La clemenza di Tito', unter ihrem Förderer und Unterstützer James Lockhart, der tatkräftig ihre Karriere formte und sie zu Höchstleistungen animierte. Der Sesto war die einzige Rolle, die sie aus ihrer Anfangszeit als Mezzosopran mindestens bis in die 1970er-Jahre hinein noch pflegte.

Womit wir bei der vorliegenden CD wären. Es handelt sich um Ausschnitte aus den so genannten Sonntagskonzerten des Münchner Rundfunkorchesters, genauer gesagt aus vieren, unter der Leitung von Heinz Wallberg (1977 und 1981), Thomas Fulton (1986), Leopold Hager (1991). Ein knappes Drittel der Beiträge ist, ebenfalls nicht überraschend, Mozart-Opern entnommen. Als Mozart-Sängerin wurde Price geradezu legendär, legendärer noch als Verdi-Sängerin (auch weil mehr Mozart-Opern mit ihr eingespielt wurden), und schon das eröffnende 'Or sai chi l’onore' ist voller Frische und Kraft, der Solti-Gesamtaufnahme von 1978 kaum nachstehend. Nicht überraschend ist ihre Stimme 1977 am frischesten. Eine Stimme, die in Momenten jenen der jungen Gundula Janowitz ähnelt, doch mit noch mehr Wärme. Durch den Live-Charakter bedingt gibt es Kleinigkeiten, die anzukreiden wären, etwa die nicht immer ganz sitzende Höhe in der Arie des Sesto, doch spürt man die Bühnenerfahrung, mit der sie die Rolle durchdringt. Ihre Fiordiligi ist eine besondere Preziose; ohne Klemperers zurückhaltende Tempi erleben wir sie ungehemmt, wenn auch in den Koloraturen nicht ganz sicher. Vierzehn Jahre später, unter dem ausgewiesen Mozartianer Leopold Hager, ist Prices Stimme nicht mehr ganz so frisch wie früher, auch nicht immer ganz exakt auf dem Ton, wackelt gelegentlich ein wenig, doch füllt sie die Rolle der Contessa Almaviva mit umso mehr Grandeur.

Aus demselben Konzert stammt eine weitere echte Rarität: 'Casta Diva' aus Bellinis 'Norma'. Es ist eine Schande, dass sie (statt etwa der musikalisch deutlich weniger differenzierten Montserrat Caballé) diese Rolle, die sie konzertant zumindest vollständig ausprobierte, nie in ihrer Gesamtheit aufgenommen hat. Ein absolut rarer Ausflug ins Rossini-Fach ist die hier vorgelegte Arie der Semiramide 'Bel raggio lusinghier'. Hier zeigt Price, dass sie auch im kolorierten Fach beste Figur machen konnte, auch wenn ihre Wiedergabe manchem rhetorisch überfrachtet erscheinen mag. Der Bayerische Rundfunk besitzt einen Mitschnitt ihrer Adriana Lecouvreur in der gleichnamigen Oper Francesco Cileas aus der Bayerischen Staatsoper unter Giuseppe Patané, Prices musikalischer Heimat nach ihrem Wechsel von Köln. Ich erinnere mich gut, den Mitschnitt im Radio gehört zu haben. Seither hoffe ich, dass zum Beispiel Orfeo sich erbarmt und den Mitschnitt auf CD vorlegt (u.a. mit Neil Shicoff). Mit dieser Rolle hat sich Price 1999 von ihrem Münchner Publikum verabschiedet, um sich in Wales der Hundezucht zu widmen; dieser kleine Ausschnitt der Arie 'Poveri fiori' von 1986 ist da zumindest ein Anfang.

Wie ein echter Fremdkörper, weil als einziges auf Deutsch gesungenes Stück auf dieser CD, nimmt sich Agathes Cavatine aus dem letzten Akt des 'Freischütz' aus. Price ist 1977 für das Stück zwar stimmlich bestens aufgelegt (sie sang die Partie 1973 unter Sawallisch im italienischen Rundfunk neben Helen Donath, James King und Karl Ridderbusch), doch sollte sich der Hörer eine kurze Zwangspause verordnen, ehe er diesen ‚Fachwechsel‘ vollzieht.

Der gewichtigste Teil der CD ist Verdi gewidmet. Als 2004 ihre Aida auf DVD erschien, wurde endlich eine schmerzliche Lücke in Prices Diskografie geschlossen, die hier 1981 dargebotene Arie 'Ritorna vincitor' eröffnet den Reigen der hier versammelten exzeptionellen Verdi-Interpretationen. Ebenfalls von 1981 stammt 'Mi parea – Piangea cantando nell’erma landa' aus 'Otello'. Die Desdemona war wahrscheinlich Prices erfolgreichste Rolle, mit ihr debütierte sie 1985 neben Domingo an der Metropolitan Opera, Live-Mitschnitte (neben der Studio-Produktion unter Solti) gibt es mittlerweile u.a. unter Carlos Kleiber und Nello Santi. So wurde auch 1991 noch einmal eine Desdemona-Szene auf das Programm der Sonntagskonzerte gesetzt, diesmal das Ave Maria. Hintereinander gehört wird man unmittelbar versetzt in Verdis spätes Meisterwerk und erlebt ein nahezu vollständiges Porträt der unglücklichen Venezianerin. 'La forza del destino' fehlte bislang in Prices Verdi-Diskografie. Ihr 'Pace, pace mio Dio' von 1986, nachgerade liedhaft begonnen und stetig gesteigert, lässt es kaum denkbar erscheinen, dass die Oper in den 1920er-Jahren noch eine absolute Rarität auf den Spielplänen der Welt war. Da macht auch der eine verpatzte Spitzenton nichts.

Als besonderen Höhepunkt kann man vollkommen zu Recht mit dem Bookletautor Thomas Voigt die die CD abschließende große Szene der Elisabetta aus Verdis 'Don Carlo' bezeichnen. Unter Claudio Abbado gibt es einen Live-Mitschnitt der gesamten Oper aus der Mailänder Scala, in vergleichbar deutlich inferiorem Klang. Hier haben wir eine der ganz großen Verdi-Sängerinnen der jüngeren Zeit, die nicht umsonst zur Bayerischen Kammersängerin ernannt und in den Adelsstand erhoben wurde.

Das Münchner Rundfunkorchester ist nicht das Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks – auch interpretatorisch nicht, und den einen oder anderen Patzer oder die eine oder andere Unsauberkeit muss man schon hinnehmen, doch müssen wir uns immer wieder bewusst machen, dass es sich um Live-Mitschnitte handelt (die Aufnahmetechnik lässt einen dies nämlich vergessen), und etwas Milde walten lassen. Thomas Voigts Ausführungen sind mehr als erhellend und zeugen von der großen Zuneigung, die die Sängerin allerorten hervorrief. Vielleicht dürfen wir uns außer diesem viel zu späten Recital noch auf mehr freuen: den einen oder anderen Schatz aus dem einen oder anderen Archiv.

Interpretation:
Klangqualität:
Repertoirewert: 
Booklet:





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Detail-Informationen zum vorliegenden Titel:



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    Great Singers live - Margaret Price: Werke von Mozart, Rossini, Verdi u.a.

Label:
Anzahl Medien:
Veröffentlichung:
BR-Klassik
1
16.05.2011
Medium:
EAN:

CD
4035719003055


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BR-Klassik

BR-KLASSIK, das Label des Bayerischen Rundfunks (BR), veröffentlicht herausragende Live-Konzerte des Symphonieorchesters des Bayerischen Rundfunks (BRSO), des Chors des Bayerischen Rundfunks, des Münchner Rundfunkorchesters sowie der Konzertreihe musica viva. Dabei ist es ein wesentliches Ziel des Senders, über seine Radio- und TV-Programme hinaus auch digital sowie via CD und DVD allen Musikfreunden weltweit Zugang zu besonderen Aufnahmen zu bieten und auf diese Weise auch jenes Publikum zu erreichen, welches keine Möglichkeit hat, die Konzerte der internationalen Tourneen selbst vor Ort live zu erleben.

Neben den jeweiligen Chefdirigenten wie beispielsweise Mariss Jansons oder Sir Simon Rattle finden sich großartige Künstlerpersönlichkeiten wie Daniel Barenboim, Herbert Blomstedt, Bernard Haitink und viele andere mehr.

Die Reihe BR-KLASSIK WISSEN liefert unterhaltsame und kurzweilige Hörbiografien von Jörg Handstein mit vielen Hintergrundinformationen und Musikbeispielen auf jeweils 4 CDs, erzählt von Udo Wachtveitl sowie spannende Werkeinführungen in bedeutende Kompositionen der Musikgeschichte.

Durch die Reihe BR-KLASSIK ARCHIVE werden historische Aufnahmen des Symphonieorchesters des Bayerischen Rundfunks wieder verfügbar. Beispielsweise die legendäre Aufführung des Verdi-Requiems unter der Leitung Ricardo Mutis mit Jessye Norman, Agnes Baltsa, José Carreras und Jewgenij Nesterenko und dem Chor des BR im Jahr 1981 oder etwa denkwürdige Konzertabende mit der Pianistin Martha Argerich: 1973 unter Leitung von Eugen Jochum mit Mozarts Klavierkonzert KV 456 sowie zehn Jahre später mit Beethovens Klavierkonzert Nr.1 unter Seiji Ozawa.

Mittlerweile umfasst der gesamte Katalog über 200 Aufnahmen und hat bereits mehr als 50 renommierte und internationale Auszeichnungen erhalten, darunter den Preis der Deutschen Schallplattenkritik, den Diapason d’or, den BBC Music Magazine Award und den ICMA.

BR-KLASSIK wird weltweit durch NAXOS vertrieben. Selbstverständlich gehören hierzu auch digitale Portale wie Spotify, Apple, amazon u.v.a.. Die Naxos Music Library präsentiert zudem für Universitäten und öffentliche Bibliotheken via Internet einen ständig wachsenden Katalog mit tausenden von Titeln weltweit führender Labels. Studenten, Lehrpersonal und andere Benutzer können sich jederzeit einloggen und in der Bibliothek, im Hörsaal, im Studentenwohnheim, im Büro oder zu Hause das komplette Repertoire abrufen - auch die Aufnahmen von BR-KLASSIK. 


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