
Liszt, Franz - Klaviersonate in h-Moll
Dichte Tongewebe
Label/Verlag: Hyperion
Detailinformationen zum besprochenen Titel
Marc-André Hamelins Liszt-Einspielung präsentiert einmal mehr virtuose technische Fähigkeiten, die der Pianist in den Dienst einer schlüssigen, dichten Interpretation stellt.
Die Romantiker um Schumann sahen im musikalischen Virtuosentum das Gegenteil von intellektuell anspruchsvoller, erhabener Musik. Entsprechend problematisch war ihr Verhältnis zu den Kompositionen von Franz Liszt, denn dieser wusste um die publikumswirksamen Eigenschaften der virtuosen Selbstvermarktung und ließ diese in seinen Klavierkompositionen deutlich hervortreten. Ein großer Komponist konnte Liszt damit aber in den Augen der deutschen Romantiker nicht werden, auch wenn er sich um deren Anerkennung redlich bemühte. Seine Sonate in h-Moll wurde von Clara Schumann, die sie stellvertretend für ihren schwer kranken Mann von Liszt entgegennahm, mit den Worten ‚wirklich schrecklich‘ kommentiert.
Dass sich die Eigenschaften virtuos und intellektuell anspruchsvoll nicht gegenseitig aufheben müssen, zeigt zum wiederholten Mal der kanadische ‚Wunderpianist‘ Marc-André Hamelin. Für seine aktuelle Liszt-CD hat er sich die großen Brocken aus dessen Oeuvre herausgepickt, die alle als Meilensteine des Klaviervirtuosentums gelten. Während andere Pianisten im Liszt-Jubiläumsjahr mit Raritäten seines Schaffens aufwarten, zeigt Hamelin, dass auch mit den bekannten Mammutwerken noch Meriten zu verdienen sind. Aufgenommen im August 2010 sind seine Liszt-Einspielungen eine packende Kombination aus stupender Tastenakrobatik und musikalischer Delikatesse. Neben der schon erwähnten Sonate in h-Moll erklingen die 'Fantasie und Fuge über das Thema B-A-C-H' S529ii, die Komposition 'Venezia e Napoli' S 162, die während Liszts Italienaufenthalt mit Marie d‘Agoult entstand und die Klavierdichtung 'Bénédiction de Dieu dans la solitude' S173/3, deren Thema ursprünglich für Marie d‘Agoult komponiert war, dann aber von ihm seiner späteren Geliebten, der Fürstin zu Sayn-Wittgenstein, gewidmet wurde.
Das Faszinierende an Marc-André Hamelins Spiel ist, dass man fast vergisst, was für unglaublich hohe Anforderungen Liszt hier an seine Interpreten stellt. Hamelins Interpretationen sind in jeder Minute schlüssig und musikalisch sinnvoll, so dass die musikalischen Gedanken der Kompositionen überzeugend hervortreten. Während andere Pianisten demonstrativ die virtuosen Griffe und Läufe zelebrieren, sind sie für Hamelin Mittel zum Zweck der musikalischen Sinnstiftung. Technische Komplexität überführt er in musikalische Dichte. Sein Anschlag ist jederzeit fein nuanciert, von hämmernder Deutlichkeit wie in der Herausarbeitung des B-A-C-H-Themas in der Fantasie, über glitzernde Läufe in den darauf folgenden thematischen Umspielungen, bis hin zu samtweicher Innigkeit in der 'Bénédiction' und dem 'Andante sostenuto' der h-Moll-Sonate. Aus 'Venezia e Napoli' zaubert er ein engmaschiges Tongewebe, aus dem funkelnde Volkslied-Episoden hervorblitzen wie in 'Gondoliera'. Seine Interpretation der 'Tarantella' ist besonders beeindruckend. Mit trockenem Anschlag trommelt er aus den tiefen Registern seines Instruments einen wirbelnden Tanz, der in den hohen Lagen des Flügels flatternd und flirrend klingt. Harte akkordische Passagen wechseln abrupt mit filigranen Passagen, die so leichtfüßig und raffiniert klingen, dass einem der Atem stockt. Wer bisher nicht viel mit Liszts Musik anfangen konnte, wird durch Hamelins Neueinspielung wohl bekehrt werden. Denn selten hört man seine Kompositionen so schlüssig und sinnvoll interpretiert. Hier wird deutlich, dass Liszt wie kein anderer verstand, die Möglichkeiten des Klaviers auszunutzen, um hochgradig konzentrierte Musik zu schreiben.
Interpretation: Klangqualität: Repertoirewert: Booklet: |
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Detail-Informationen zum vorliegenden Titel:
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Liszt, Franz: Klaviersonate in h-Moll |
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Label: Anzahl Medien: Veröffentlichung: |
Hyperion 1 15.04.2011 |
Medium:
EAN: |
CD
034571177601 |
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Hyperion Founded in 1980, Hyperion is an independent British classical label devoted to presenting high-quality recordings of music of all styles and from all periods from the twelfth century to the twenty-first. We have been described as 'Britains brightest record label'. In January 1996 we were presented with the Best Label Award by MIDEM's Cannes Classiques Awards. The jury was made up of the editors of most of the leading classical CD magazines in the world - Classic CD (England), Soundscapes (Australia), Répertoire (France), FonoForum (Germany), Luister (Holland), Musica (Italy), Scherzo (Spain), and In Tune (USA & Japan). We named our label after an altogether splendid figure from Greek mythology. Hyperion was one of the Titans, and the father of the sun and the moon - and also of the Muses, so we feel we are fulfilling his modern role by giving the art of music to the world. The repertoire available on Hyperion, and its subsidiary label Helios (Helios, the sun, was the son of Hyperion), ranges over the entire spectrum of music - sacred and secular, choral and solo vocal, orchestral, chamber and instrumental - and much of it is unique to Hyperion. The catalogue currently comprises nearly 1400 CDs and approximately 80 new titles are issued each year. We have won many awards. Our records are easily available throughout the world in those countries served by our distributors. A list of the world's top Hyperion dealers, listed by country and city, can be found on our homepage. But if you have any difficulty please get in touch with the distributor in your territory. In Germany that is Note 1 Music Gmbh. Mehr Info... |
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