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Mittwoch, 27. September 2023

Debussy, Claude - La Mer

Unidiomatisch


Label/Verlag: LSO Live
Detailinformationen zum besprochenen Titel


Das hauseigene Label des London Symphony Orchestra legt eine Debussy-Einspielung vor, die klanglich erstklassig gelungen ist, interpretatorisch jedoch durchwachsen daherkommt.

Betrachtet man die britische Diskografie von Orchestermusik Claude Debussys, so fällt schnell auf, dass nur wenige britische Dirigenten sich getraut haben, diese von der musikalischen Farbe her so ganz eigene Musik auf Tonträger zu dirigieren. Natürlich denkt man an Thomas Beecham, John Barbirolli und Malcolm Sargent, in jüngerer Zeit Simon Rattle oder Mark Elder; ansonsten überließ man dieses Repertoire immer wieder Pierre Boulez, André Previn oder Yan-Pascal Tortelier. Das London Symphony Orchestra, vielleicht das beste Orchester Großbritanniens überhaupt, gehört seit langem zu jenen Klangkörpern der Insel, die Debussys Orchestermusik mit schöner Regelmäßigkeit aufs Programm setzen (unter anderen unter Michael Tilson Thomas, Charles Mackerras, André Previn, Leopold Stokowski, Geoffrey Simon oder Rafael Frühbeck de Burgos). Diesmal also mit ihrem Chefdirigenten Valery Gergiev.

Drei beliebte Partituren legte Gergiev aufs Pult, und er kann sich der Fähigkeiten seines Orchesters sicher sein: herrlich aufeinander abgestimmte Bläser, wunderbare Klangfarben – und diese nutzt Gergiev zu ungeheuer stimmungsreichen Lesarten. Das 'Prélude à l’après-midi d’un faune' ist vom Gesamtduktus eher verhalten und nachmittäglich entspannt (aber auch ohne die unterschwellige Gefährlichkeit, die der Faun ausstrahlen kann und die etwa bei Charles Munch fast mit Händen greifbar ist), 'La mer' (1905 in Eastbourne vollendet) ist klug gesteigert, doch ohne starke Innenspannung. Immer wieder scheinen im ersten Satz die entspannten, nachmittäglichen ‚Siesta‘-Stimmungen, die Klangfarben (zweiter Satz!) und Strawinsky‘sche Rhythmen (dritter Satz) wichtiger als Debussys ureigenstes Konzept, das bei anderen Dirigenten kongeniale Umsetzung erfährt. Nun, man bleibt ungerührt (außer vom Orchesterklang, aus dem allerdings im dritten Satz die Trompete etwas zu sehr hervorsticht).

Ähnliche Kritik – jene der interpretatorischen Indifferenz – stand schon bei Michael Tilson Thomas’ Live-Mitschnitt von 'Jeux' mit dem London Symphony Orchestra zu lesen (eine weitere Studioproduktion legte er für Sony vor), doch ist dies nicht von dem Orchester zu verantworten. Die mystischen Farben zu Beginn des ‚getanzten Gedichts‘ gelingen Gergiev sehr gut, jedoch nicht unbedingt idiomatisch. Immer wieder scheint ein Schatten Glasunows oder des 'Feuervogels' zu lauern. Insgesamt wirkt das Stück langatmig, was es bei spannenden Interpretationen nicht ist. Und immer wieder schwelgt Gergiev in Wohllaut. Dem London Symphony Orchestra ist für solch einen Orchesterklang zu danken, der mir allemal lieber ist als jener der Berliner oder Wiener Philharmoniker. Die Mitschnitte weisen nur minimale Nebengeräusche auf, die Aufnahmetechnik ist, wie in der LSO live-Reihe üblich, vorbildlich differenziert, das Booklet tadellos, wenn auch vielleicht etwas zu klein in der Drucktype. Der Orchesterklang lohnt das Hören, das Dirigat leider weniger.

Interpretation:
Klangqualität:
Repertoirewert: 
Booklet:





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Detail-Informationen zum vorliegenden Titel:



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    Debussy, Claude: La Mer

Label:
Anzahl Medien:
Veröffentlichung:
LSO Live
1
01.04.2011
Medium:
EAN:

SACD
822231169222


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LSO Live

Einspielungen des Labels LSO Live vermitteln die Energie und Emotion der großartigsten Aufführungen mit höchster technischer Qualität und Finesse.

Liveaufzeichnungen bedeuteten früher gewöhnlich Kompromisse, aber heutzutage kann mit Hilfe der besten Aufnahmetechnik im Konzertsaal die Vitalität festgehalten werden, die im Studio so schwer nachzustellen ist.
Durch das Zusammenschneiden mehrerer Aufführungen können wir eine Vorlage schaffen, die die Spannung einer Konzertaufführung ohne unerwünschte Nebengeräusche bewahrt.

Seit 2000 veröffentlichte das LSO Live über 80 Alben und nahm zahlreiche Preise entgegen. Das London Symphony Orchestra war schon früher das am meisten aufgenommene Orchester der Welt, hatte es doch für zahlreiche Plattenfirmen gearbeitet und viele der berühmtesten Filmmusiken eingespielt. Die Investition in unsere eigenen Aufnahmen ermöglicht dem Orchester jedoch abzusichern, dass jede Veröffentlichung den höchsten Qualitätsansprüchen genügt und das Hören der besten Musik allen Menschen zugänglich ist.

Das LSO Live war eines der ersten klassischen Plattenfirmen, die Downloads anboten, um ein breiteres Publikum anzusprechen. Wir geben auch unsere Einspielungen im SACD Format (Super Audio Compact Disc) heraus. SACDs lassen sich auf allen CD-Spielern abspielen, ermöglichen aber den Hörern mit speziellen SACD-Spielern den Genuss eines hochaufgelösten, mehrkanaligen Klangs.

London Symphony Orchestra
Das London Symphony Orchestra wurde 1904 von einer Gruppe von Musikern gegründet, die für den Dirigenten Henry Wood spielten. Sie wollten ihr eigenes Orchester leiten und die Wahl haben, mit welchen Dirigenten sie zusammenarbeiteten. Sie beschrieben das LSO als eine musikalische Republik, und das Orchester war über Nacht ein Erfolg.

Heute gibt das LSO ungefähr 70 Konzerte pro Jahr in London und bis zu 90 auf Tournee. Es ist regelmäßig auf Konzertreise durch Europa, Nordamerika und im Fernen Osten. Waleri Gergijew ist seit 2007 Chefdirigent des LSO und Sir Colin Davis sein Präsident.

Das LSO organisiert auch das in der Welt am längsten laufende und umfangreichste Bildungsprogramm eines Orchesters: LSO Discovery. Mit seinem Sitz im Londoner Musikbildungszentrum LSO St Lukes schafft Discovery die Möglichkeit für Menschen aller Altersgruppen und Veranlagungen, mit Musikern des LSO zusammenzuarbeiten, etwas über Musik zu lernen und ihre Fertigkeiten zu entwickeln.


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