
Bellini, Vincenzo - Norma
Zahme Wilde
Label/Verlag: Monarda Music
Detailinformationen zum besprochenen Titel
Arthaus veröffentlicht eine ehemals bei TDK erschienen 'Norma' aus dem Teatro Regio. Leider ist die Klangqualität immer noch ziemlich dürftig, was den Genuss des mit historischen Instrumenten bestückten Orchesters erheblich schmälert.
2001 (das genaue Datum fehlt auf der DVD) wurde im Teatro Regio in Parma Bellinis 'Norma' mitgeschnitten. Die seinerzeit im PAL-Format bei TDK vorgelegte DVD erscheint nun (praktisch unverändert) im NTSC-Format bei Arthaus Musik. Um es vorweg zu nehmen: Der originale Mitschnitt scheint noch analog erfolgt zu sein, die Bildqualität ist unscharf, und auch die Tonqualität lässt viel zu wünschen übrig. Handelt es sich doch um eine Aufführung, bei der das Orchester auf alten Instrumenten spielt, bei denen gerade die Klangfarben einen besonderen Reiz ausmachen. Dies ist immer wieder nur schwach zu hören – was nicht an dem musizierenden Ensemble liegt (das wahrscheinlich, wäre es klanglich angemessen eingefangen, das Ereignis des Abends wäre). Europa Galante unter der Leitung Fabio Biondis, berühmt für seine Einspielungen von Musik des 18. Jahrhunderts, spielen auch hier mit Verve und Raffinesse auf – soweit man das hören kann. Wie italienische Belcantooper mit alten Instrumenten auf CD klingen kann, erlebt man in Donizettis 'Maria di Rohan' und 'Lucia di Lammermoor' unter Mark Elder bzw. Charles Mackerras (Opera Rara bzw. Sony Classical) oder in Rossinis 'La Cenerentola' und 'Tancredi' unter Gabriele Ferro (Warner Fonit). Da Arthaus Kultur auch komplett auf Bonusmaterial verzichtet und auch das Booklet gerade einmal die wesentlichsten Informationen bereitstellt, muss man auch hier Punkteabzüge vornehmen.
Entsprechend Aufführungen an kleineren italienischen Häusern der damaligen Zeit verzichtet Regisseur Roberto Andò auf regietheatrale Mätzchen – doch leider auch auf eine angemessene Personenregie. Immer wieder stehen die Sänger unmotiviert auf der Bühne herum (besonders der Chor, dem man nie und nimmer wilde gallische Druiden abnimmt, die jeden Moment gegen die Römer losschlagen könnten). Die Ausstellung ist einfach (statt eines heiligen Hains im ersten Akt sieht man allerdings nur einen umgestürzten nahezu toten Baum die Bühne quer blockieren), aber meistenteils zweckmäßig. Die ‚Kriegsbemalung‘ der Maske ist vielleicht etwas zu gewollt archaisch – immer wieder tappt das Regie- und Ausstattungsteam in die Falle ein Stereotyp abzubilden. Dabei versucht Andò durchaus dem Werk selbst Profil zu verleihen, indem er die Druidenpriesterin, ganz anders als Callas und Co., und musikalisch sicher sehr viel angemessener, im ersten Akt vokal eher verhalten beginnen lässt. Der große Vorteil an diesem Konzept ist, dass die Steigerung in den zweiten Akt hinein eine stetige sein kann und die Konzentration auf das Seelendrama der Titelfigur nahezu plastisch wird. Allerdings wird hierdurch der Vergleich zu anderen Rollenexponentinnen umso problematischer. Die Amerikanerin June Anderson war zum Zeitpunkt des Mitschnitts bereits fast fünfzig (nicht dass man es ihr ansähe), begann ihre Karriere als Koloratursopranistin, der immer wieder saure Töne dazwischenfunkten. So ist ihre hochdiffizile Eröffnungs-Cavatina auch nicht ganz so frei ausschwingend wie bei anderen Sängerinnen, die schon länger im jugendlich-dramatischen Fach tätig sind und denen dennoch die Koloraturmöglichkeiten zu Gebote stehen. Doch schon in ihrer nächsten Szene ist sie in ihrem Element. Sie erweist sich als würdige Nachfolgerin Joan Sutherlands, ohne die trübenden Nebelschatten, die sich gegen Ende ihrer Karriere bei ‚La Stupenda‘ eingeschlichen hatten. Allerdings hat sie mittlerweile auch etwas Probleme mit der extremen Höhe, die diese Partie so schwer zu besetzen macht. Und vor allem: Eine hoheitsvolle Hohepriesterin ist sie nicht. Dies mag zwar dem Regiekonzept entsprechen, nicht aber dem Werk.
Weit mehr als eine nur gleichwertige Gegenspielerin ist die aus Triest stammende Mezzosopranistin Daniela Barcellona als Adalgisa. Im Gegenteil, vokal stiehlt Barcellona Anderson immer wieder die Show. Beider Bühnenpräsenz macht den zweiten Akt zu einem spannenden Duett-Duell. Umso schwerer fällt es nachzuvollziehen, dass beide Frauen sich um einen derart uninteressanten Tenor bemühen. Dem Koreaner Shin Yong Hoon mangelt es etwas an Bühnenpräsenz, auch wenn seine Stimme für ein B-Haus insgesamt passabel ist (wenn man keine strahlenden Spitzentöne erwartet). Leider unterstützt im zweiten Akt das übertriebene Makeup seine Unart, immer wieder die Augen zu verdrehen. Am überzeugendsten ist er in der ‚häuslichen‘ Szene zum Ende des ersten Aktes mit Adalgisa–Barcellona scheint ihn zu inspirieren.
Während der Chor einigermaßen überzeugend singt, ist seine Personenführung eher statuarisch denn dynamisch, was bei Druidenkriegern inakzeptabel, bei ansonsten unsicher singenden Opernchoristen aber vielleicht zu bevorzugen ist. Der 1976 geborene russische Bassbariton Ildar Abdrazakov (Ehemann von Olga Borodina) hat mittlerweile vollkommen zu Recht eine schöne Karriere gemacht (unter anderem sang er 2003 in Mailand unter Muti Rossinis Moïse und war neben Anna Netrebko als Don Giovanni zu sehen). Als Normas Vater Oroveso vermittelt er von Anfang an Charisma und Autorität. Von den Comprimarii überzeugt Svetlana Ignatovitch (Clotilde) sowohl stimmlich als auch darstellerisch, Leonardo Melani (Flavio) in seinem Bühnendebüt darstellerisch mehr als rein vokal; doch auch er hat sich seither erfreulich entwickelt. Insgesamt haben wir hier eine gute, vom Regiekonzept und vor allem der aufnahmetechnischen Seite her leider allerhand Möglichkeiten verschenkende Produktion.
Interpretation: Klangqualität: Repertoirewert: Booklet: Features: Regie: |
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Detail-Informationen zum vorliegenden Titel:
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Bellini, Vincenzo: Norma |
|||
Label: Anzahl Medien: Veröffentlichung: |
Monarda Music 2 07.03.2011 |
Medium:
EAN: |
DVD
807280723595 |
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Monarda Music Arthaus Musik wurde im März 2000 in München gegründet und hat seit 2007 seinen Firmensitz in Halle (Saale), der Geburtsstadt Georg Friedrich Händels. Zahlreiche Veröffentlichungen des Labels wurden mit internationalen Preisen ausgezeichnet, darunter der Oscar-prämierte Animationsfilm ?Peter & der Wolf? von Suzie Templeton, die aufwändig produzierte ?Walter-Felsenstein-Edition? und die von Sasha Waltz choreographierte Oper ?Dido und Aeneas?, die beide den Preis der deutschen Schallplattenkritik erhielten. Mit dem Midem Classical Award wurden u. a. die Dokumentationen ?Herbert von Karajan ? Maestro for the Screen? von Georg Wübbolt und ?Celibidache ? You don?t do anything, you let it evolve? von Jan Schmidt-Garre ausgezeichnet. Die Dokumentation ?Carlos Kleiber ? Traces to nowhere? von Eric Schulz erhielt den ECHO Klassik 2011. Mit der Tochterfirma Monarda Arts besitzt Arthaus Musik eine ca. 900 Produktionen umfassende Rechtebibliothek zur DVD-, TV- und Onlineauswertung. Seit 2007 entwickelt das Unternehmen kontinuierlich die Sparte Eigenproduktion mit der Aufzeichnung von Opern, Konzerten, Balletten und der Produktion von Kunst- und Musikdokumentationen weiter. Arthaus Musik DVDs und Blu-ray Discs werden über ein leistungsfähiges Vertriebsnetz, u.a. in Kooperation mit Naxos Global Distribution in ca. 70 Ländern der Welt aktiv vertrieben. Darüber hinaus veröffentlicht und vertreibt Arthaus Musik die 3sat-DVD-Edition und betreut für den Buchhandel u.a. die Buch- und DVD-Edition über Pina Bausch von LArche Editeur, Preisträger des Prix de lAcadémie de Berlin 2010. Mehr Info... |
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