
Verdi, Giuseppe - La Traviata
Up to date
Label/Verlag: Monarda Music
Detailinformationen zum besprochenen Titel
Robert Carsen ist mit seiner 'La Traviata'-Inszenierung eine schlüssige Aktualisierung geglückt. Der Mitschnitt aus Venedig überzeugt zudem in Sachen Sänger- und Orchesterleistung.
Robert Carsen ist einer jener raren Regisseure, denen es gelingt, eine Oper aus einer Epoche in eine andere zu transferieren, ohne ihr restlos Gewalt anzutun. Und so sehr es Giuseppe Verdi zuwider gewesen wäre, die Heldin von 'La Traviata' als Prostituierte auf die Bühne gebracht zu sehen, so zwingend überzeugend ist Carsens Konzept. Der kanadische Regisseur spricht das aus, wovor Verdi noch zurückschrecken musste: Ja, Violetta Valéry bietet körperliche Zuneigung gegen Geld, und die schonungslose Art, wie die in den 1980er-Jahren angesiedelte Produktion dies vorführt (immerhin ohne Pornografie), überzeugt rundum. Er ist ein Theatermann durch und durch, der selbst den unwahrscheinlichen Auftritt Giorgio Germonts auf Floras Party überzeugend in Szene setzen kann. Natürlich muss auch er das Libretto bei seinem Update betrügen – vielleicht am eklatantesten bei den ‚Zigeunerinnen‘/‘Torero‘-Einlagen.
Da haben wir also Violetta Valéry, die Prostituierte, Zentrum eines Kreises, in dem Geld ein wesentlicher Faktor ist. Patrizia Ciofi zeichnet in Carsens Konzeption eine vielschichtige Persönlichkeit. Es ist mehr als erfreulich zu sehen, wie überzeugend plötzlich alle Ereignisse in der Oper ihren Platz finden, auch solche, die in allen ‚historisierenden‘ Produktionen höchstens noch oberflächliche Staffage waren. Ciofi wandelt nahezu schlafwandlerisch sicher auf dem schmalen Grad zwischen Kokotterie und wahren Befindlichkeiten. Ihre Stimme ist allen Valeurs der Rolle bestens gewachsen – eine echte Sängerdarstellerin höchster Grade (ähnlich etwa Catherine Malfitano, die aber rein vokal nicht ganz so überzeugt), von der man sich noch viele Produktionen wünscht.
Alfredo Germont wird durch einen Bekannten bei Violettas eingeführt und durch die Wahl der früheren, längeren Fassung der Partitur knüpfen sich die zarten Bande langsamer (und damit überzeugender) als in der heute üblicherweise zu hörenden Version. Sogleich muss er sich an den weißen Flügel setzen und den Trinkspruch singen. Robert Saccà mag den Schmelz der Jugend verloren haben, doch haben wir in ihm einen willkommen intelligenten Darsteller, der alle seine Fähigkeiten in das Wechselspiel der Gefühle einbringt, deren er sich ausgesetzt sieht.
Giorgio Germont ist – fast naturgemäß – ein Muster bigotter, selbstgefälliger Bourgeoisie, der im zweiten Akt Violetta gar mit Geld zu bestechen sucht (obwohl die Dekoration aus einem von Geldscheinen ausgelegten Herbstwald besteht – passenderweise mit Geldscheinen, auf denen Verdi höchstselbst zu erkennen ist). Vladimir Hrostovsky beweist Mut zur Hässlichkeit und trägt steifen Maßanzug und Hornbrille – vokal ist er eher pauschal und nicht sonderlich differenziert (was sich vollkommen mit der Rolle deckt).
Die vorliegende Aufführung war die Eröffnungsproduktion des Teatro La Fenice in Venedig nach dem verheerenden Brand 1996. 'La Traviata' war 1853 in Venedig uraufgeführt worden, und was war angemessener, als dieses berühmte Werk für die Wiedereröffnung 2004 zu wählen. Chor und Orchester sind bestens aufgelegt (Chordirektor Piero Monti) – hieran könnte sich die Mailänder Scala ein Beispiel nehmen – und Lorin Maazel zeigt beeindruckend, dass er mit Grund zu den besten Dirigenten unserer Zeit zählt. Jedes Tempo stimmt, die Balance ist ausgezeichnet, die Musik ist voller Charme, Eleganz und (wo erforderlich) Lyrizismus. Regie, Gesangsleistungen und Orchesterdarbietung sind bestens aufeinander abgestimmt, selbst das Booklet ist nicht so dürftig wie bei manch anderer Arthaus-Produktion. Leider fehlen aber jedwede Extras (RAI hätte sicherlich eine Dokumentation zur Rekonstruktion des Opernhauses); schade dass Kinowelt hier wieder einmal am falschen Ende gespart haben (es handelt sich um eine Übernahme der TDK-Erstveröffentlichung von 2005).
Interpretation: Klangqualität: Repertoirewert: Booklet: |
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Detail-Informationen zum vorliegenden Titel:
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Verdi, Giuseppe: La Traviata |
|||
Label: Anzahl Medien: Veröffentlichung: |
Monarda Music 1 07.02.2011 |
Medium:
EAN: |
DVD
807280722796 |
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Monarda Music Arthaus Musik wurde im März 2000 in München gegründet und hat seit 2007 seinen Firmensitz in Halle (Saale), der Geburtsstadt Georg Friedrich Händels. Zahlreiche Veröffentlichungen des Labels wurden mit internationalen Preisen ausgezeichnet, darunter der Oscar-prämierte Animationsfilm ?Peter & der Wolf? von Suzie Templeton, die aufwändig produzierte ?Walter-Felsenstein-Edition? und die von Sasha Waltz choreographierte Oper ?Dido und Aeneas?, die beide den Preis der deutschen Schallplattenkritik erhielten. Mit dem Midem Classical Award wurden u. a. die Dokumentationen ?Herbert von Karajan ? Maestro for the Screen? von Georg Wübbolt und ?Celibidache ? You don?t do anything, you let it evolve? von Jan Schmidt-Garre ausgezeichnet. Die Dokumentation ?Carlos Kleiber ? Traces to nowhere? von Eric Schulz erhielt den ECHO Klassik 2011. Mit der Tochterfirma Monarda Arts besitzt Arthaus Musik eine ca. 900 Produktionen umfassende Rechtebibliothek zur DVD-, TV- und Onlineauswertung. Seit 2007 entwickelt das Unternehmen kontinuierlich die Sparte Eigenproduktion mit der Aufzeichnung von Opern, Konzerten, Balletten und der Produktion von Kunst- und Musikdokumentationen weiter. Arthaus Musik DVDs und Blu-ray Discs werden über ein leistungsfähiges Vertriebsnetz, u.a. in Kooperation mit Naxos Global Distribution in ca. 70 Ländern der Welt aktiv vertrieben. Darüber hinaus veröffentlicht und vertreibt Arthaus Musik die 3sat-DVD-Edition und betreut für den Buchhandel u.a. die Buch- und DVD-Edition über Pina Bausch von LArche Editeur, Preisträger des Prix de lAcadémie de Berlin 2010. Mehr Info... |
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