
Rheinberger, Josef Gabriel - Orgelkonzerte Nr. 1 & 2
Ein Liechtensteiner in der Schweiz
Label/Verlag: MDG
Detailinformationen zum besprochenen Titel
Diese Einspielung von Josef Gabriel Rheinbergers zwei Konzerten für Orgel und Orchester überzeugen nicht nur hinsichtlich der Klanggestaltung. Auch die musikalisch-interpretatorische Seite kann für sich einnehmen.
Der aus Liechtenstein gebürtige Komponist und Organist Josef Gabriel Rheinberger (1839–1901) nimmt einen wichtigen Platz insbesondere in der Entwicklung der Kirchenmusik zwischen Mendelssohn-Bartholdy und dem Ende des 19. Jahrhunderts ein, mit gelegentlichen Anklängen an Komponisten des 20. Jahrhunderts. Dabei sind die hier vorliegenden Werkgattungen keineswegs auf das Leichteste zu entsprechenden Vergleichen angetan. Dennoch ist das in der Tradition fest gegründete, nur in Momenten progressiv nach vorne schauende Potenzial Rheinbergers durchaus auch in diesen Werken (mal mehr, mal weniger) spürbar.
Das Konzert für Orgel und Orchester erlangte erst mit der steigenden Nachfrage nach Orgeln in Konzertsälen nach der Mitte des 19. Jahrhunderts eine Blütezeit. Und auch in dieser Zeit begann man nicht selten mit eher bescheiden dimensionierten Orchesterbesetzungen, da die Koordination zwischen Orgel und Orchester immer wieder ein Problem darstellte. Josef Gabriel Rheinbergers Orgelkonzerte stammen aus den Jahren 1884 und 1893-4, beide nutzen bescheidene Besetzungen (das erste, op. 137 in F-Dur, nur Streicher und 3 Hörner, das zweite, op. 177 in g-Moll, Streicher, 2 Hörner, 2 Trompeten und Pauken). Von der harmonischen Klangsprache sind sie zutiefst der Spätharmonik verbunden, mit klaren Rückbezügen zu Schumann oder Mendelssohn einerseits, andererseits aber auch mit harmonischen Wendungen, die etwa auch bei Edward Elgar zu beobachten sind. Pizzicato-Effekte im Finale des zweiten Konzerts deuten auf Tschaikowsky, die Bläserharmonik desselben Satzes auch auf Einflüsse des italienischen Belcanto. Die Nutzung der Pauken insbesondere im ersten Satz hingegen deutet weit voraus ins 20. Jahrhundert, zu Francis Poulenc. Harmonisch stärker Schumann verbunden ist fast naturgemäß das erste Konzert, doch lassen sich instrumentatorisch ähnliche Klanggestalten auch noch rund fünfzig Jahre später in Großbritannien finden. Es wäre also mehr als verkehrt, (zumindest in diesen Werken) Rheinberger vorschnell als Traditionalisten abzustempeln.
Der Winterthurer Stadtorganist Stefan Johannes Bleicher fühlt sich an seiner Stadtkircheorgel (1887-8 durch E. F. Walcker durchgreifend umgebaut) offenkundig wohl, die bestens mit dem Klang des Winterthurer Musikkollegiums unter der Leitung seines Chefdirigenten Douglas Boyd (auch bekannt als Solo-Oboist des Chamber Orchestra of Europe) harmoniert. Manchmal muss man sich fragen, ob hier gerade das Orchester in höchst aparter Klangfarbe erklingt oder ob nicht doch die Orgel ‚mitmischt‘. Für diesen Effekt muss man auch der Aufnahmetechnik ein Kompliment machen (Tonmeister Friedrich Wilhelm Rödding). Die bereits legendäre Klangtechnik von Dabringhaus & Grimm kommt bestens zur Geltung. Zusammen mit der Solocellistin des Musikkollegiums Cäcilia Chmel ergänzt Bleicher das Programm durch drei Stücke für Violoncello und Orgel, Eigenbearbeitungen aus den Sechs Stücken für Violine und Orgel op. 150. 'Abendlied', 'Pastorale' und 'Elegie' sind gut im Gottesdienst verwendbar, mit großer melodischer Linie und harmonisch ausgereiftem Konzept. Die Balance zwischen den beiden Instrumenten, die den Stücken einen angemessen sakralen Touch verleihen (vielleicht gibt Chmel manchmal ein gewisses Zuviel an Vibrato), ist abermals glänzend eingefangen.
Interpretation: Klangqualität: Repertoirewert: Booklet: |
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Detail-Informationen zum vorliegenden Titel:
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Rheinberger, Josef Gabriel: Orgelkonzerte Nr. 1 & 2 |
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Label: Anzahl Medien: Veröffentlichung: |
MDG 1 19.11.2010 |
Medium:
EAN: |
SACD
760623164366 |
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MDG Die klangrealistische Tonaufnahme »Den beim Sprechen oder Musizieren entstehenden Schall festzuhalten, um ihn zu konservieren und beliebig reproduzieren zu können, ist eine Idee, die seit langem die Menschen beschäftigte. Waren zunächst eher magische Aspekte im Spiel, die die Phantasie beflügelten wie etwa bei Giovanni deila Porta, der 1598 den Schall in Bleiröhren auffangen wollte, so führte mit fortschreitender Entwicklung naturwissenschaftlichen Denkens ein verhältnismäßig gerader Weg zur Lösung...« (Riemann Musiklexikon)Seit Beginn der elektrischen Schallaufzeichnung ist der Tonmeister als »Klangregisseur« bei der Aufnahme natürlich dem Komponisten und dem Interpreten, aber auch dem Hörer verpflichtet. Die Mittel zur Tonaufzeichnung sind hinlänglich bekannt. Die Kriterien für ihren Einsatz bestimmt das Ohr. Deshalb für den Hörer hier eine Beschreibung unserer Hörvorstellung. Lifehaftigkeit In der Gewißheit, daß der Konzertsaal im Wohnzimmer (leider) nicht realisierbar ist, konzentriert sich unser Bemühen darauf, die Illusion einer Wirklichkeit zu vermitteln. Die Musik soll im Hörraum so wiedererstehen, daß spontan der Eindruck der Unmittelbarkeit entsteht, das lebendige Klanggeschehen mit der ganzen Atmosphäre der »Lifehaftigkeit« erlebt wird. Da wir praktisch ausschließlich menschliche Stimmen und »klassische« Instrumente - auch sie haben ihren Ursprung im Nachahmen der Stimme - aufnehmen, konzentriert sich unsere Klangvorstellung auf natürliche Klangbalance und tonale Ausgeglichenheit im Ganzen, und instrumentenhafte Klangtreue im Einzelnen. Darüber hinaus natürliche, ungebremste Dynamik und genaueste Auflösung auch der feinsten Spannungsbögen. Weitestgehend bestimmend für die Illusion der Lifehaftigkeit ist auch die Ortbarkeit der Klangquellen im Raum: freistehend, dreidimensional, realistisch.Musik entsteht im Raum Um diesen »Klangrealismus« einzufangen, ist bei den Aufnahmen von MDG eine natürliche Akustik unbedingte Voraussetzung. Mehr noch, für jede Produktion wird speziell in Hinblick auf die Besetzung und den Kompositionsstil der passende Aufnahmeraum ausgesucht. Anschließend wird »vor Ort« die optimale Plazierung der Musiker und Instrumente im Raum erarbeitet. Dieser ideale »Spielplatz« ermöglicht nun nicht nur die akustisch beste Aufnahme, sondern inspiriert durch seine Rückwirkung die Musiker zu einer lebendigen, anregenden Musizierlust und spannender Interpretation. Können Sie sich die Antwort des Musikers vorstellen auf die Frage, ob er lieber in einem trockenen Studio oder in einem Konzertsaal spielt?Die Aufnahme Ist der ideale Raum vorhanden, entscheidet sich der gute Ton an den Mikrofonen - verschiedene Typen mit speziellen klanglichen Eigenheiten stehen zur Auswahl und wollen mit dem Klang der Instrumente im Raum in Harmonie gebracht werden. Ebenso wichtig für eine natürliche Abbildung ist die Anordnung der Mikrofone, damit etwa die richtigen Nuancen in der solistischen Darstellung oder die Kompensation von Verdeckungseffekten realisierbar werden. Das puristische Ideal »nur zwei Mikrofone« kann selten den komplexen Anforderungen einer Aufnahme mit mehreren Instrumenten gerecht werden. Aber egal wie viele Mikrofone verwendet werden: Stellt sich ein natürlicher Klangeindruck ein, ist die Frage nach dem Zustandekommen des »Lifehaftigen« zweitrangig. Entscheidend ist, es klingt so, als wären nur zwei Mikrofone im Spiel.Ohne irgendwelche »Verschlimmbesserer« wie Filter, Limiter, Equalizer, künstlichen Hall etc. zu benutzen, sammeln wir die Mikro-Wellen übertragerlos in einem puristischen Mischpult und geben das mit elektrostatischem Kopfhörer kontrollierte Stereosignal linear und unbegrenzt an den AD-Wandler und zum digitalen Speicher weiter. Dadurch bleiben auch die feinsten Einschwingvorgänge erhalten. Auf der digitalen Ebene wird dann ohne klangmanipulierende Eingriffe mit dem eigenen Editor in unserem Hause das Band zur Herstellung der Compact Disc für den Hörer erstellt, für Ihr hoffentlich großes Hörvergnügen. Mehr Info... |
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Portrait

"Man muss das Ziel kennen, bevor man zur ersten Probe erscheint."
Der Pianist und Organist Aurel Davidiuk im Gespräch mit klassik.com.
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