
Bizet, Georges - Te Deum
Der andere Bizet
Label/Verlag: Naxos
Detailinformationen zum besprochenen Titel
Vorliegende Aufnahme aus dem Hause Naxos mit weitestgehend unbekannten Werken von Bizet kann für sich durchaus einnehmen, auch wenn deutliche Steigerungen möglich wären.
Dass ein Dirigent mehrere Male eine Komposition einspielt, ist nicht unüblich, doch wenn es sich um eine Rarität handelt, handelt es sich immer noch um einen Ausnahmefall. Jean-Claude Casadesus hat sich schon vor Jahren für den unbekannten Bizet eingesetzt, als er etwa 1989 für Erato die Kantate 'Clovis et Clotilde' einspielte. Warum gerade dieses Werk also noch einmal – es gibt doch auch die Kantaten 'Le retour de Virginie' und 'Le golfe de Baïa' und die Ode-Symphonie 'Vasco da Gama' (Handschriften im Pariser Conservatoire), alles Werke, die noch auf ihre Schallplattenpremieren warten (eine Arie aus letzterem Werk, das Joan Sutherland einspielte, ausgenommen)? Es handelt sich um die zweite von Bizets beiden Kantaten, die dieser für den Prix de Rome einreichte.
Mit 'Clovis et Clotilde' gewann Bizet 1857 einen der beiden ersten Preise, was dem Achtzehnjährigen einen Studienaufenthalt in Rom ermöglichte. Die konventionell angelegte Kantate fordert drei Solisten, in der vorliegenden Aufnahme die Sopranistin Katarina Jovanovic, den Tenor Philippe Do und den Bassisten Mark Schnaible. Jovanovic, die in Belgrad und London studierte und bereits ein breites Opernrepertoire gesungen hat, ist in der Tat in dem Part der Clotilde deutlich überzeugender als keine Geringere als Montserrat Caballé, die in der Erato-Aufnahme gesungen hatte und bei der damals nur mehr die Piano-Register sauber angesprochen waren. Jovanovic stehen mehr Mittel zu Gebote – ihre Stimme ist frisch, dramatisch, mit einem leicht stählernen Kern, sie spricht gut an, und auch ihr Piano überzeugt, auch wenn sie nicht ganz so feine Fäden spinnt wie die große Spanierin.
Im Vergleich zu dem Sopran haben die beiden männlichen Solisten deutlich weniger zu tun. Clotildes Ehemann, König Clovis, wird von Philippe Do gesungen, einem Franzosen vietnamesischer Abstammung. Von Do wird man hoffentlich noch viel hören – seine Stimme besitzt die für die französische Oper so wichtigen Spinto-Qualitäten, ist gleichzeitig ein ausgewachsener lyrischer Tenor mit heldischen Reserven, jedoch ohne den so oft damit einhergehenden ‚Stahl‘ in der Stimme. Der amerikanische Bassbariton Mark Schnaible, der bereits eine beachtliche Karriere vorweisen kann, singt den Part des Pater Rémy. Schnaible hat eine große, bereits mit etwas zu starkem ‚wobble‘ ausgestattete Stimme und könnte ein zweiter Ezio Pinza werden. Dies sagt mehr über die Stimme als über seine Eignung für seine Rolle hier, und in der Tat mangelt es ihm an der Eleganz, die die Rolle erfordert. Insgesamt aber mischen sich die drei Stimmen bestens. Dass Casadesus die Musik Bizets liegt, ist offenkundig (und, wie gesagt, nicht neu), die neue Einspielung übernimmt ganz ohne Frage Referenzstatus die Kantate betreffend.
Das erste von Bizet in Rom komponierte Werk war 1858 das Te Deum – eine kraftvolle, harmonisch bereits deutlich avancierte Komposition im Vergleich zu 'Clovis et Clotilde', die ähnlich unbekannt ist wie die Kantate. Teile des Werks wurden fünf Jahre später in der Oper 'Les pêcheurs de perles' weiterverwendet. Wie von der Kantate ist mir auch vom Te Deum nur eine weitere Einspielung bekannt, mit dem Münchner MotettenChor und den Münchner Symphonikern unter Hans Rudolf Zöbeley aus dem Jahre 1996 (vormals Calig, heute Hänssler Profil). Casadesus’ Zugriff zu dem Werk fördert deutlich mehr Energie zu Tage als Zöbeley, doch können sich seine Solisten dem Konzept nicht so organisch einordnen wie Angela Maria Blasi und Christian Elsner dem des deutschen Dirigenten. Vor allem Jovanovics ‚Stahl‘ in der Stimme passt hier nicht so recht, außerdem muss sie im Forte forcieren. Das Lateinisch wirkt eine Spur einstudiert, noch nicht natürlich fließend, und Jovanovics Aussprache wirkt gelegentlich wie Bulgarisch (oder soll es doch Esperanto sein?). Erfreulich idiomatisch trifft der Choeur Régional Nord – Pas-de-Calais das Choridiom Bizets, so dass hier nur bei den Solisten Abstriche zu machen sind. Das Orchestre National de Lille, dessen Leiter Casadesus (Großneffe des berühmten Pianisten Robert Casadesus) seit seiner Gründung 1976 ist, fühlt sich in Bizets Idiom hörbar wohl und liefert eine inspirierte, klanglich ausgewogene und fein schattierte Leistung.
Insgesamt handelt es sich trotz der kleinen Abstriche um eine wichtige, gut gekoppelte Einspielung in exemplarischer Klangtechnik. Das Naxos-Booklet ist natürlich so wie üblich – die übliche Drucktype, Verzicht auf überflüssigen Schnickschnack (inklusive einer deutschsprachigen Einleitung); das Libretto kann man auf der Naxos-Website downloaden.
Interpretation: Klangqualität: Repertoirewert: Booklet: |
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Detail-Informationen zum vorliegenden Titel:
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Bizet, Georges: Te Deum |
|||
Label: Anzahl Medien: Veröffentlichung: |
Naxos 1 01.11.2010 |
Medium:
EAN: |
CD
747313227075 |
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Naxos Als der Unternehmer Klaus Heymann 1982 für seine Frau, die Geigerin Takako Nishizaki in Hongkong das Plattenlabel Marco Polo gründete, war dies der Beginn einer beispiellosen Erfolgsgeschichte. Fünf Jahre später rief Heymann das Label NAXOS ins Leben, das in der Klassikwelt längst zur festen Größe geworden ist und es bis heute versteht, hohe Qualität zu günstigen Preisen anzubieten. Der einzigartige und sich ständig erweiternde Katalog des Labels umfasst mittlerweile über 8.000 CDs mit mehr als 130.000 Titeln - von Kostbarkeiten der Alten Musik über sämtliche berühmten "Klassiker" bis hin zu Schlüsselwerken des 21. Jahrhunderts. Dabei wird der Klassik-Neuling ebenso fündig wie der Klassikliebhaber oder -sammler. International bekannte Künstler wie das Kodály Quartet, die Geigerin Tianwa Yang, der Pianist Eldar Nebolsin und die Dirigenten Marin Alsop, Antoni Wit, Leonard Slatkin und Jun Märkl werden von NAXOS betreut. Darüber hinaus setzt NAXOS modernste Aufnahmetechniken ein, um höchste Klangqualität bei seinen Produktionen zu erreichen und ist Vorreiter in der Produktion von hochauflösenden Blu-ray Audios - Grund genug für das renommierte britische Fachmagazin "Gramophone", NAXOS zum "Label of the Year" 2005 zu küren. Auch im digitalen Bereich nimmt NAXOS eine Vorreiterrolle ein: Bereits seit 2004 bietet das Label mit der NAXOS MUSIC LIBRARY ein eigenes Streamingportal mit inzwischen über 1 Million Titel an und unterhält mit ClassicsOnline zudem einen eigenen Download-Shop. Mehr Info... |
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