> > > Chisholm, Erik: Klaviermusik Vol. 6
Sonntag, 1. Oktober 2023

Chisholm, Erik - Klaviermusik Vol. 6

Glorioser Höhepunkt


Label/Verlag: Divine Art
Detailinformationen zum besprochenen Titel


Die sechste Folge der Gesamteinspielung von Erik Chisholms Klaviermusik erweist sich als ein Höhepunkt der Reihe, vor allem wegen der Sechs Nocturnes, einem kompositorischen Meisterwerk, das hier exzellent wiedergegeben wird.

Mit Folge 6 erreicht die Divine Arts/Dunelm Records-Edition der Klavierwerke Erik Chisholms einen weiteren Höhepunkt. Auf acht CDs ist die von dem schottischen Pianisten Murray MacLachlan eingespielte Reihe projektiert, und mit der nun vorliegenden CD wird nun eine andere Produktion endgültig obsolet – jene seinerzeit äußerst wichtige, mittlerweile lange vergriffene Olympia-CD, die MacLachlan 1997 als erste Chisholm-CD vorgelegt hatte. Eines der beiden Werke, die auf der nun vorgelegten CD ihre Zweiteinspielung erfahren, sind die 'Scottish Airs', kunstvolle Miniaturen von teilweise geradezu improvisatorischem Charakter, voller Kraft und Charme. Schottische Stilelemente sind ganz und gar in Chisholms Stil integriert, der über das ihm vormals anhaftende Etikett eines ‚McArtok‘ (eines schottischen Bartók) weit hinausgeht. Selbst das Volkslied 'Coming through the rye' wird weit stärker verfremdet als Benjamin Britten in seinen Volksliedadaptionen getan hat – das Lied wird Zitat und (wie bei Vaughan Williams) Grundlage für eigene Konzeptionen. Das vorletzte der neun Stücke erweist sich als der komplexen Tradition der schottischen Laments zugehörig, die selbst in extremster Knappheit einen Überreichtum an Gehalt bergen. Ein erfrischender Jig schließt den kurzen Zyklus.

Chisholm den Orientalisten kann man im 'Dance of the Princess Jaschya-Scheena' erleben, eine Komposition, die manchen Werken Cyril Scotts oder selbst John Foulds näher steht als Chisholms eigentlichem Selbst. Ein charmantes Stück, das sicher leichter eingängig ist als viel originärer Chisholm, weswegen der Komponist seine Schöpfung am Rande des Manuskripts auch als ‚kommerziell‘ bezeichnete; dennoch, gedruckt wurde sie erst lange nach seinem Tod.

Ungewöhnlich tonal gibt sich die 'Dunedin Suite' (Edinburgh-Suite), eher eine fünfsätzige Sonatine denn eine lose Suite, mit ausgeprägter, ans Neoklassische gemahnender Polyphonie. Von dieser Suite stellte Chisholm auch eine Streicherfassung her, die wie auch die Klavierfassung zu Lebzeiten ungedruckt blieb. Elf kurze Miniaturen enthält das 'Wisdom Book', nur wenige Takte lange Charakterstücke für Kinder, jedes mit einem Titel wie ‚Besser einen Vogel in der Hand als zwei im Busch‘, ‚Schildkröte und Hase‘ oder ‚Setz einen Bettler aufs Pferd und er wird sein Pferd reiten, bis es außer Atem ist‘. Reizende Petitessen im besten Sinne, für den Klavierunterricht sicher gut geeignet, wenn auch vielleicht zu schnell vorbei.

Die 'Ceol Mor Dances' tragen einen in sich widersprüchlichen Titel, bedeutet Ceol Mor doch im Gegensatz zu Ceòl Beag ‚große, nicht dem Tanz verbundene Musik‘. Es handelt sich um sechs technisch und musikalisch anspruchsvolle, teilweise auch umfangreiche Stücke. Offensichtlich entstand dieses Werk recht früh, hat zum Teil noch recht starke impressionistische Anklänge und ist in der Verarbeitung schottischer Stilelemente noch traditioneller als manch spätere Komposition. Doch die vielversprechende kompositorische Zukunft Chisholms ist schon offenkundig, der Weg in komplexe kontrapunktische Techniken vorgezeichnet und mit jedem weiteren Stück offensichtlicher.

Den Höhepunkt der CD bilden ohne Frage die sechs 'Nocturnes: Night Song of the Bard'. Es wäre falsch zu vermuten, dass wir hier Nocturnes im Field’schen oder Chopin’schen Sinne vor uns hätten, auch wenn sie technisch sicherlich ebenso anspruchsvoll sind. Nein, es sind komplexe, auch ins Mystische neigende Nachtstücke, die Summe von Chisholms kompositorischen Bemühungen um das Klavier. Die knapp halbstündige Komposition entstand zwischen 1944 und 1951 und wurde dem Konzertpianisten Harold Rubens gewidmet. Die komplexe Musik wurde fraglos auch durch Chisholms Bekanntschaft mit der Musik der Hindustani inspiriert, ebenso durch die Musik seines Freundes Kaikhosru Sorabji, gleichermaßen aber auch durch die kompositorische Tradition Alkans und Busonis. Dennoch kann man nicht von einem Stilgemisch sprechen – im Gegenteil saugt Chisholm all diese Einflüsse auf und schafft ein Meisterwerk, das jedem ambitionierten Pianisten ans Herz gelegt sei. Hier kann nicht der Platz sein, die Schönheiten und Besonderheiten dieser komplexen Komposition vorzustellen; es genüge darauf hinzuweisen, dass MacLachlan das Werk vom Grunde seines Herzens kennt und liebt – und dementsprechend zum Klingen bringt. Vorbildliche Aufnahmetechnik und ein informatives Booklet in Englisch (in dem nur wenige Kleinigkeiten fehlen) vervollständigen das Ganze. Eine wichtige Produktion, auch eine gewichtige, insbesondere mit jenem letzten Werk, das jeder Liebhaber anspruchsvoller Klaviermusik kennen sollte.

Interpretation:
Klangqualität:
Repertoirewert: 
Booklet:





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Detail-Informationen zum vorliegenden Titel:



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    Chisholm, Erik: Klaviermusik Vol. 6

Label:
Anzahl Medien:
Veröffentlichung:
Divine Art
1
07.07.2010
Medium:
EAN:

CD
809730414923


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Divine Art

Divine Art wurde von Stephen Sutton 1993 gegruendet und ist in den letzten Jahren schnell gewachsen mit einem Repertoire von klassischer Musik (und jetzt auch ?mow Swing?, leichte Musik und Jazz) jeglicher Art, von Mittelalter über Barock, Klassik, Oper bis zur heutigen Moderne. Anfang 2009 wurde Heritage Media in Divine Art integriert, eine Firma, die sich auf klassische Radio Programme und Dramen mit den berühmtesten Britischen und Amerikanischen Film- und Theater Schauspielern der 1940 und 1950iger Jahre spezialisiert. Diese Werke werden bald per Katalog und per download für Divine Art Kunden zu kaufen sein.

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