> > > Steffan, Joseph Anton: Werke für Fortepiano
Montag, 2. Oktober 2023

Steffan, Joseph Anton - Werke für Fortepiano

Nahe an Mozart


Label/Verlag: Pan Classics
Detailinformationen zum besprochenen Titel


Edoardo Torbianelli bricht eine Lanze für das Klavierschaffen von Josef Anton Steffan. Er nimmt sich allerdings gerade in Hinsicht auf die metrische Gestaltung Freiheiten, die der Musik nicht bestens bekommen.

Der aus Böhmen stammende Komponist Josef Anton Steffan (1726–1797) genoss in den 1760er-Jahren in Wien hohes Ansehen als ‚Hof-Claviermeister‘, mehr als zwanzig Sonaten wurden gedruckt. Doch schon als er kurz vor dem Jahre 1800 verstarb, hatte sich der Zeitstil bereits derart stark verändert, dass die Vergessenheit seines Schaffens sich mehr oder weniger unverändert bis ins 21. Jahrhundert perpetuierte (schon seine vorzeitige Erblindung hatte ihn gesellschaftlich isoliert). Andreas Staier spielte ein Klavierkonzert von Steffan ein (gekoppelt mit einem Konzert von Antonio Salieri, der heute ja auch nicht gerade für sein Klavierschaffen berühmt ist). So ist die hier vorgelegte Doppel-CD mit Klavierwerken Steffans eine erfreuliche Katalogbereicherung.

Vom viersätzigen Divertimento über zwei- und dreisätzige Sonaten bis hin zu kürzeren und substanziellen Capricci reicht der hier vorgelegte Werküberblick, der einen repräsentativen Überblick über den Komponisten bietet. An vielen Stellen ist eindeutig zu hören, woher Mozarts reifer Kompositionsstil seinen Ausgang nahm. Viele Sätze sind überreich an melodischen Einfällen, harmonisch attraktiv, die Tanzsätze nie langweilig, die langsamen Sätze von ansprechender Kantabilität und melancholischem Charme. Gleichzeitig erweist manche Komposition (etwa die Sonate A-Dur) Züge, die von jenem des späteren Mozart durchaus differieren – hier ist Steffan gar fast profilierter als der viel Berühmtere neben ihm. Eine ganz besondere Eigenheit bietet Steffan auch mit der siebensätzigen (!) Sonate g-Moll/G-Dur op. 3/I Nr. 1 von 1763, die sich vor der sich seinem Ende zuneigenden französischen oder englischen Suite verneigt.

Der 1970 in Triest gebürtige Edoardo Torbianelli hat sich seit langem der historisch informierten Aufführungspraxis verschrieben, er erfüllt die Kompositionen der Wiener Vorklassik mit Wärme und klangfarbiger Delikatesse. Was bei ihm weniger stark zum Vorschein kommt, ist metrische Stärke – d.h. der Hörer gerät gelegentlich etwas aus dem Tritt, weil Torbianelli sich Freiheiten erlaubt, die dem Stil der Musik nicht recht angemessen sind. Das soll nicht bedeuten, dass er den virtuosen oder musikalischen Anforderungen der Musik nicht gewachsen wäre, aber er hängt offenbar der Meinung an, metrische Freiheiten seien im 18. Jahrhundert an der Tagesordnung gewesen (gelegentlich werden ja auch die Sonaten Domenico Scarlattis in ähnlicher Weise dargeboten). Auch durchaus kritisch zu sehen ist die Instrumentenwahl, die Wahl eines Hammerklaviers aus dem Hause Stein um 1800, für das Steffans Musik keineswegs geschrieben ist (auch wenn die Nähe zu Mozart, die ‚Modernität‘ der Musik so noch stärker betont wird), sondern für Hammerklaviere älterer Generationen bzw. für Cembali, so dass bei aller Bemühung um Authentizität dennoch nicht recht der authentische Klang für die Kompositionen realisiert wurde.

Die Aufnahmen entstanden im ‚bird‘s eye‘ Jazzclub Basel, einem Gewölbekeller mit beachtlichem Nachhall, was der Musik eine Weite verleiht, die ihr zwar recht ansteht, aber doch nicht ganz typisch für diese Art von ‚Cammer-Musique‘ ist. So haben wir in gleich mehrfacher Hinsicht denn doch zu arge Einschränkungen, die bewirken, dass wir nicht von einer Referenzeinspielung sprechen können, auch wenn der Einblick in Steffans Schaffen durchaus als repräsentativ bezeichnet werden kann. Die Produktion ist liebevoll ausgestattet, mit umfangreichem mehrsprachigem Booklet, doch kann dies die nicht ganz angemessene Interpretation nicht über eine gute Gesamtnote hinaus retten.

Interpretation:
Klangqualität:
Repertoirewert: 
Booklet:





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Detail-Informationen zum vorliegenden Titel:



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    Steffan, Joseph Anton: Werke für Fortepiano

Label:
Anzahl Medien:
Veröffentlichung:
Pan Classics
2
01.07.2010
Medium:
EAN:

CD
7619990102194


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Pan Classics

Gegründet 1992 vom Musikhaus Pan in Zürich, wurde das Label 1997 von den Tonmeistern Clement Spiess und Koichiro Hattori übernommen. 2011 entschloss man sich zu einem radikalen Neuanfang: Der umfangreiche Katalog wurde gelichtet und die verbliebenen Aufnahmen erhielten ein neues, attraktives Erscheinungsbild. Den CDs wird so ein unverwechselbares Äußeres mit einem hohen Wiedererkennungswert verliehen. Geblieben sind dagegen die Vorliebe für außergewöhnliches Repertoire und der Anspruch, mit renommierten Musikern und Ensembles einen künstlerisch hochwertigen Katalog zu schaffen. Zu diesen Künstlern zählen Namen wie die Hammerklavier-Spezialisten Edoardo Torbianelli und Arthur Schoonderwoerd, der Tenor Jan Kobow u.v.a.


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