
Franz Grundheber singt - Lieder von Martin, Schubert, Wagner u.a
Markiger Reiz und vokale Fülle
Label/Verlag: Spektral
Detailinformationen zum besprochenen Titel
Besser spät als nie: Franz Grundhebers Lied-Debüt auf Spektral ist ein Musterbeispiel für Gesangs- und Interpretationskunst.
Dass Franz Grundheber zu den bedeutendsten Opernsängern des 20. Jahrhunderts gehört, ist weithin bekannt. 1937 in Trier geboren, war er zweiundzwanzig Jahre lang Ensemblemitglied der Hamburgischen Staatsoper und gastierte an allen wichtigen Bühnen der Welt, wobei er immer wieder seine enorme Wandlungsfähigkeit im Hinblick auf Epoche, Fach und Stil unter Beweis stellte. Von seinen Leistungen in der Vergangenheit zu sprechen, wäre indessen ein Affront, denn auch mit 72 Jahren reüssiert der Bariton noch international in großen Fachpartien, etwa 2009/2010 als Barak in Frankfurt, Scarpia in Wien und Holländer in Hamburg. Trotz dieser beeindruckenden Karriere ist Grundheber von der Plattenindustrie sträflich vernachlässigt worden: während weniger talentierte Kollegen in den Katalogen der Majors gut vertreten sind, fehlt eine repräsentatives Arien-Portrait von ihm bis heute.
Statt dieses Versäumnis zu bedauern, sollte man sich lieber freuen, dass das Label Spektral mit der vorliegenden CD sein Lied-Debüt ermöglicht hat. ‚Lieder einer Reise‘ heißt das Album, und man kann nicht umhin, diesen Titel auch als Reflexion eines langen und bewegten Sängerdaseins wahrzunehmen. Entsprechend handelt es sich bei den ausgewählten Stücken nicht um arglose Wanderlieder, sondern um Charakterportraits, die sich der Thematik metaphorisch nähern und ihre Glaubwürdigkeit zu gleichen Teilen aus der stimmlichen Souveränität und dem Erfahrungsschatz des Interpreten gewinnen. Insofern erscheint das Programm fast als Diminution von Grundhebers Opernrepertoire, in dem scharf profilierte, zerrissene Figuren stets eine zentrale Rolle gespielt haben.
Schon Frank Martins eröffnende 'Sechs Monologe des Jedermann’ bringen die zahlreichen Vorzüge der (2003 entstandenen) Einspielung auf den Punkt. Grundhebers präzise Diktion fungiert als Katalysator für Hofmannsthals Sprache, ist wissend, ohne sich dem Hörer mit altklugen Manierismen aufzudrängen – selten gelingt es, Rezitation und Gesangsstimme in ein derart harmonisches Verhältnis zu bringen. Und was ist das für eine Stimme! Abgesehen davon, dass sie vorbildlich geführt und deshalb nur unwesentlich gealtert ist – ein langsames Vibrato hier und da kann, wer unbedingt will, entsprechend deuten – macht ihre urwüchsige, technisch aber stets in die richtigen Bahnen gelenkte Kraft nach wie vor Staunen. Wenn überhaupt etwas Grundhebers Alter verrät, dann die starken, individuellen Farben seines Gesangs, die nicht mutwillig erzeugt werden können, sondern das Ergebnis eines Jahrzehnte dauernden Reifeprozesses sind.
Auf einige teils melodische, teils atemlos deklamierte Strophenlieder von Mendelssohn-Bartholdy folgt mit Schuberts 'Der Altlas’ ein absoluter Höhepunkt des Recitals. Grundiert von Matthias Veits düster brodelnder Klavierbegleitung findet ‚die ganze Welt der Schmerzen‘ auf erschütternde Weise Ausdruck in Grundhebers nun gänzlich mit Schwärze gesättigtem Bariton, was der Mühelosigkeit der Spitzentöne, die nur in oberster Lage einen Hauch zu sehr gedeckt klingen, keinerlei Abbruch tut. Komplettiert wird der Block mit 'Aufenthalt’, 'Das Fischermädchen’ und 'Die Stadt’, drei Stücken, die exemplarisch für Schuberts Gefühlswelt und Grundhebers Flexibilität stehen.
Im zweiten Programmteil verdunkeln Grundheber und Veit die Stimmung mit je vier Miniaturen von Wagner und Schumann (darunter eine erstklassige Darbietung von 'Melancholie’), bringen das Recital jedoch mit der burschikosen, fabelhaft umgesetzten Klangsprache von Hugo Wolfs 'Tambour’ und 'Fußreise’ zu einem recht versöhnlichen Ende. Dem markigen Reiz und der vokalen Fülle dieser musikalischen Reise wird sich kaum ein Hörer entziehen können.
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Detail-Informationen zum vorliegenden Titel:
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Franz Grundheber singt: Lieder von Martin, Schubert, Wagner u.a |
|||
Label: Anzahl Medien: Veröffentlichung: |
Spektral 1 01.06.2009 |
Medium:
EAN: |
CD
4260130380229 |
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Spektral S P E K T R A L :: Label für Musik und Medien :: wurde 2006 gegründet. Kreative Ideen und dynamische Strukturen sind die Basis des jungen Teams für innovative Projekte und Musikveröffentlichungen in den Bereichen CLASSICS, MODERN und HÖRART. Die Begeisterung, hervorragende Musik in ihrer großen Vielfalt und Bandbreite einem interessierten Publikum zugänglich zu machen, ist das zentrale Anliegen, dem sich SPEKTRAL mit allen Sinnen und Liebe zum Detail verschrieben hat. Die Qualität der Künstler und ihrer Musik sind dabei oberstes Gebot. Damit wurde das Label innerhalb kürzester Zeit zu einer begehrten Adresse bei Musikern aus ganz Europa und Musikhörern in der ganzen Welt. Junge Künstlerpersönlichkeiten präsentieren sich ebenso mit ihren außergewöhnlichen CD-Produktionen wie renommierte Interpreten von internationalem Rang. So entstanden z.B. bereits Alben mit dem Bariton Franz Grundheber, dem Flötisten Jürgen Franz, Wolfgang Seifen (Orgel), dem ensemble cantissimo, dem Deutschen Saxophon Ensemble, oder dem Barockorchester L'Arpa Festante. Die Musik des 20. und des 21. Jahrhunderts bildet einen weiteren Schwerpunkt beispielsweise in der Reihe GRENZENLOS mit Kompositionen interkultureller Musikprojekte. HÖRART ? das ist die Plattform bei SPEKTRAL für Hörenswertes und Unerhörtes ? wird den Katalog mit spannenden Produktionen erweiteren. Das klassische Hörbuch findet hier ebenso Platz wie Kabarett- oder Kinderhörspielproduktionen. Mehr Info... |
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