
Poulenc, Francis - Konzerte für Tasteninstrumente
Gestaltwandler
Label/Verlag: OehmsClassics
Detailinformationen zum besprochenen Titel
Diese Poulenc-Produktion kann nicht auf ganzer Linie überzeugen.
Eine Werkschau mit Konzertwerken Francis Poulencs für Tasteninstrument(e) – das verspricht spannend zu werden (de facto hat Poulenc nur Konzerte für Tasteninstrumente geschrieben, Bläser-, Streicher- oder Schlagzeugkonzerte sucht man in seinem Oeuvre vergebens). Und dann mit so hochkarätigen Namen wie dem Duo Tal/Groethuysen – bereits beim Betrachten des Covers gerät man schon ins Schwärmen.
Doch dann ist es mit dem Schwärmen leider bald vorbei. Stellt sich doch heraus, dass Hansjörg Albrecht nicht etwa drei der fünf Konzertwerke in den Originalbesetzungen darbieten lässt, sondern zwei von ihnen in eigenen Bearbeitungen, in denen der Orchesterpart durch die Orgel ersetzt wird. Bei einem Komponisten, bei dem Klangfarben essenziell sind, ein gefährliches Unterfangen.
Beim Beginn des Konzerts für zwei Klaviere fällt dies zunächst nicht auf; der perkussive Charakter der Musik scheint dem Konzept einer Einrichtung für zwei Klaviere, Schlagzeug und Orgel entgegenzukommen. Und Tal/Groethuysen bieten eine Brillanz und einen Esprit, den man bei den wenigen Vergleichsaufnahmen, die es gibt, nicht oft findet. Spätestens aber beim ersten Haupteinsatz der Orgel als Orchester muss man feststellen, dass sich der Charakter der Komposition aus einem Konzertwerk in Richtung einer Komposition für zwei Klaviere und ‚Schlagwerk‘ (entsprechend Bartóks berühmter Sonate, die Tal/Groethuysen anscheinend noch nicht eingespielt haben), einer Kammermusikkomposition hin entwickelt, bei der aber die Orgel ähnlich wie das Schlagzeug keine gleichberechtigte Rolle spielt. Immer wieder fehlen dem Rezensenten Klangfarben, die teilweise durchaus strukturgestaltend eingesetzt werden, was bei der Orgel der Münchner Musikhochschule nur äußerst begrenzt gelingt.
Auch beim 'Concert champêtre' wird Poulencs Humor durch Einsatz der Orgel domestiziert, die Texturen werden arg vergröbert, auch Poulencs raffinierte Phrasierung nur bedingt umgesetzt; da kann auch Peter Koflers idiomatischer Beitrag auf dem Cembalo nicht helfen. Die Kuhn-Orgel der Münchner Musikhochschule hat entweder keine passenden ‚französischen‘ Register oder diese kommen nicht recht zur Geltung, als dass man die Originalkomposition tatsächlich in einer neuen Gestalt genießen könnte.
Nun müsste man der Logik des Programms folgend erwarten, dass das Orgelkonzert in einer spannenden, weil spannungsvollen Interpretation für zwei Orgeln und Pauken geboten würde – ein Angelegenheit, denkt man den Gedanken zu Ende, die sicher hochgradig interessant werden könnte. Auch hätte man mit Kofler, Albrechts Assistenten beim Bach-Collegium München und Organisten in St. Michael, einen zweiten Organisten bei der Hand, der Albrechts Konzept sicher gut mittragen könnte. So enttäuscht hier gar in gewisser Weise, dass stattdessen das Originalwerk folgt. Doch folgt auch gleich die nächste Enttäuschung. Albrecht ist sein eigener Dirigent, d. h. er muss vom Spieltisch der Orgel das Bach-Collegium München leiten. Nun ist die Klais-Orgel der Münchner Philharmonie nicht unbedingt das spannendste Instrument, das man bei der Diskografie des Poulenc-Konzertes hören kann, und Albrecht leider auch nicht der spannendste Interpret des Soloparts. Was für Welten liegen in dieser und etwa den Interpretationen mit Marie-Claire Alain oder Maurice Duruflé (aber selbst die Einspielung mit Martin Heini überzeugt mehr). Die doppelte Aufgabe Organist/Dirigent scheint Albrecht zu überfordern, es kommt nicht zu einem quasi einander ins Wort fallenden übermütigen Dialog, den man bei anderen Interpreten erleben kann. Auch finden sich bei Albrecht merkwürdige Ritardandi und ‚Atempausen‘, die die Musik nicht nur nicht benötigt, sondern die die Musik sogar in ihrem natürlichen Fluss behindern. Was schade ist, denn das Bach-Collegium München spielt frisch und lebhaft auf, mit eleganten Portamenti, Babette Haag (die im Tracklisting als Mitwirkende vergessen wurde) ist eine sehr differenzierte Paukistin; die Aufnahmequalität ist sehr gut. Im Schlussabschnitt des Werkes wird der positive Eindruck abermals beeinträchtigt – diesmal durch das etwas sentimentalistisch geratene Cellosolo, dessen Vibrato dem Tonfall des restlichen Werkes eher entgegensteht. Führt man das von Albrecht propagierte Konzept ‚zwischen Boulevard und Kirche‘ fort, mag dies angehen, doch wäre dann eine kammermusikalischere Einrichtung in der Tat überzeugender gewesen.
Es bleibt zu hoffen, dass Tal/Groethuysen zu einem späteren Zeitpunkt die Originalfassung des Konzerts für zwei Klaviere einspielen, damit man ihre mustergültige Interpretation im richtigen Umfeld genießen kann. Vielleicht wird es Oehms ja auch möglich sein, eine entsprechende Einrichtung des Poulenc-Orgelkonzerts nachzureichen, damit Hansjörg Albrechts Konzept unter seinen ganz eigenen Maßstäben voll zur Geltung kommen kann.
Interpretation: Klangqualität: Repertoirewert: Booklet: |
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Detail-Informationen zum vorliegenden Titel:
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Poulenc, Francis: Konzerte für Tasteninstrumente |
|||
Label: Anzahl Medien: Veröffentlichung: |
OehmsClassics 1 15.01.2010 |
Medium:
EAN: |
SACD
4260034866379 |
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OehmsClassics Ein erfülltes Leben ist ohne Musik kaum denkbar. Musik spiegelt unsere Wahrnehmung der Umwelt und die Realität heutiger wie vergangener Zeiten. Gute Musik ist immer neu, immer frisch, immer wieder entdeckenswert. Deshalb bin ich überzeugt: Es gibt nicht -die- eine, definitive, beste Interpretation der großen Werke der Musikgeschichte. Und genau das macht klassische Musik so spannend: Jede Musikergenerationen experimentiert, entdeckt neue Blickwinkel, setzt unterschiedliche Schwerpunkte - derselbe Notentext wird immer wieder von anderen Strömungen belebt. Deshalb ist ein Musikstück, egal aus welchem Jahrhundert, auch immer Neue Musik. OehmsClassics hat es sich zur Aufgabe gemacht, am Entdecken der neuen Seiten der klassischen Musik mitzuwirken. Unser Respekt vor den künstlerischen Leistungen der legendären Interpreten ist gewiss. Unser Ziel als junges CD-Label sehen wir jedoch darin, den interpretatorischen Stil der Gegenwart zu dokumentieren. Junge Künstler am Anfang einer internationalen Karriere und etablierte Künstler, die neue Blickwinkel in die Interpretationsgeschichte einbringen - sie unterstützen wir ganz besonders und geben ihnen ein Forum, um auf dem Tonträgermarkt präsent zu sein. Sie, liebe Musikhörer, bekommen damit die Gelegenheit, heute die Musikaufführung zu Hause nachzuvollziehen, die Sie gestern erst im Konzertsaal oder Opernhaus gehört haben. Wir laden Sie ein, gemeinsam mit uns die neuen Seiten der klassischen Musik zu erleben!
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