
Haydn, Joseph - Die Feuersbrunst oder das abgebrannte Haus. Hob. XXIXb:A
In Schutt und Asche
Label/Verlag: cpo
Detailinformationen zum besprochenen Titel
Haydns 'Die Feuersbrunst' mit Andreas Spering - eine lohnenswerte Ausgrabung, die aber nicht vollauf überzeugend geglückt ist.
Marionettentheater wird heute höchstens noch belächelt, obwohl diese spezifische Kulturform im späten 18. und im 19. Jahrhundert durchaus nichts Seltenes war (und auch zu anderen Zeiten weit verbreitet war). Dass auch Joseph Haydn sich mit der Materie befasste, verdanken wir dem Fürsten Nikolaus I. Joseph von Esterházy, der dem Hoftheater 1773 ein Marionettentheater angliedern ließ, dessen Leiter seit 1776 Joseph Karl von Pauersbach war. Haydns Beitrag 'Die Feuersbrunst’ wurde 1776 oder 1777 uraufgeführt. Schon 1779 war es mit dem Theaterbetrieb vorbei – ein Feuer war im Chinesischen Tanzsaal des Schlosses ausgebrochen und hatte in Windeseile auf das Theater übergegriffen.
Zu behaupten, dass der Titel von Haydns Marionetten-Singspiel ein schlechtes Omen gewesen wäre, wäre sicherlich übertrieben – vor Einführung des elektrischen Lichts brannten immer wieder Opernhäuser ab und selbst im 20. Jahrhundert ist das eine oder andere Opernhaus in Flammen aufgegangen. Das zweiaktige Singspiel unterscheidet sich zunächst einmal kaum von anderen Singspielen der Zeit und auch musikalisch passt das Werk bestens in die verbreitete Norm – mit besonderem Schwerpunkt auf dem volkstümlichen, aber etwas komplizierten Sujet.
Steckel hat sein Haus an Odoardo verloren, dessen Tochter Colombina von Hanswurst geliebt wird. Aber Odoardo hätte lieber den reichen Leander als Schwiegersohn und fährt mit diesem und seiner Tochter zu einem Ball; bei seiner Rückkehr soll ein Feuerwerk stattfinden. Doch das Feuerwerk entzündet sich noch im Keller des Hauses, das vollständig niederbrennt. Leander verliert sein Interesse an der nunmehr mittellosen Colombina, die ihren Hanswurst heiraten kann, insbesondere als dieser einen Schatz aus dem Besitz von Steckels Familie findet, mit dem ein neues Haus erworben werden kann.
Absurdes Zeug? Ein ganz typisches Singspielsujet, mit viel erforderlichem Kulissenzauber. Die dreiteilige Sinfonia wird gefolgt von einer Abfolge von Arien und wenigen Ensembles – musikalisch durchaus einfallsreich, mit viel Situationskomik. Die hier vorgelegte Produktion entstand im Rahmen der Musikfestspiele Potsdam Sanssouci 2006 und lässt zumindest von instrumentaler Seite keine Wünsche offen. Andreas Spering dirigiert mit Schwung, Witz und Elan, ganz der überdrehten Handlung gemäß. Leider – wie so oft heute bei historisch informierter Oper – ist es um die sängerische Seite längst nicht so gut bestellt. Drei der vier Sänger, die Deutschen Otto Katzameier und Andreas Karasiak sowie die Norwegerin Isa Katharina Gericke (letztere ohne jede Jugendlichkeit in der Stimme) haben akzeptable Stimmen, doch fehlt ihnen die erforderliche gehörige Portion natürlichen naiven Humors – eine Rarität bereits seit den 1970er-Jahren auch im Bereich der deutschen Spieloper. Das Libretto erfordert eindeutig einen volkstümlichen, dialektgeprägten Zugang zu den Rollen, der von den Sängern nicht umgesetzt werden kann – so sehr sie sich bemühen, ihre Darstellung bleibt unterkühlt und unnatürlich. Ferdinand von Bothmer als Leander hat es da einfacher, muss er doch ‚nur’ den eingebildeten Gecken darbieten – und dies gelingt ihm bestens; allerdings erweist sich seine Stimme in der Arie des Geistes als jenen seiner drei Gesangskollegen ebenbürtig – will sagen nicht erstklassig. Von insgesamt ganz anderem Kaliber sind die Dialogsprecher (Hans-Werner Bussinger, Klaus Heindl, Nadja Winter und Michael Klemm) – saftig und komödiantisch ausgefeilt bieten sie die neu erarbeiteten Dialoge dar. Wo in den 1970er-Jahren oft die Dialogsprecher Singspiel- und Opernaufführungen mit Dialogen ruinierten, stören heute die Sänger die erforderliche Lebhaftigkeit. Ein ‚mixed bag’ in qualitativer Hinsicht also – schade um die schöne Musik.
Die Aufnahmetechnik ist von erfreulicher Transparenz und Tiefenschärfe, während die Booklettexte von teilweise betrüblich geringem sprachlichem Niveau und überdies schlecht lektoriert sind.
Interpretation: Klangqualität: Repertoirewert: Booklet: |
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Detail-Informationen zum vorliegenden Titel:
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Haydn, Joseph: Die Feuersbrunst oder das abgebrannte Haus. Hob. XXIXb:A |
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Label: Anzahl Medien: Veröffentlichung: |
cpo 2 25.05.2009 |
Medium:
EAN: |
CD
761203721320 |
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cpo Wohl kaum ein zweites Label hat in letzter Zeit soviel internationale Aufmerksamkeit erregt wie cpo. Die Fachwelt rühmt einhellig eine überzeugende Repertoirekonzeption, die auf hohem künstlerischen Niveau verwirklicht wird und in den Booklets eine geradezu beispielhafte Dokumentation erfährt. Der Höhepunkt dieser allgemeinen Anerkennung war sicherlich die Verleihung des "Cannes Classical Award" für das beste Label (weltweit!) auf der MIDEM im Januar 1995 und gerade wurde cpo der niedersächsische Musikpreis 2003 in "Würdigung der schöpferischen Leistungen" zuerkannt.
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