
Tschaikowsky,Peter Iljitsch - Hamlet op. 67a
Dramatisch undramatisch
Label/Verlag: Pentatone Classics
Detailinformationen zum besprochenen Titel
Vladimir Jurowskis Einspielung der 'Hamlet'-Schauspielmusik Peter Tschaikowskys kann nicht vollauf überzeugen. Es fehlt an zündender musikalischer Dramaturgie.
Es ist merkwürdig, wie selbst bei Komponisten, von denen es durchaus mehr zu entdecken gäbe, immer wieder ein bestimmter Kanon aufgesucht wird, selbst ein Kanon bei den eher unbekannten Werken. So auch in dem Fall der vorliegenden SACD: Nun schon zum mindestens zweiten Mal werden Tschaikowskys 'Hamlet'-Schauspielmusik op. 67 und die Erstfassung der Ouvertüre 'Romeo und Julia' gekoppelt. Das hat sowohl musikalische als auch dramaturgische Gründe: Nicht nur handelt es sich um zwei berühmte Shakespeare-Werke, auch in der musikalischen Qualität halten sich beide Werke die Waage. Als Chandos sich 1981 beider Werke annahm (vermehrt um zwei Stücke aus 'Mazeppa', die Festouvertüre über die dänische Nationalhymne op. 15 und die Serenade für Nikolai Rubinsteins Namenstag), handelte es sich noch um Weltersteinspielungen, für die das London Symphony Orchestra gewonnen werden konnten (unter der Leitung Geoffrey Simons). Hier nun also das Russische Nationalorchester, 1990 von Michail Pletnev gegründet und ein unabhängiger Klangkörper, der bereits höchst erfolgreiche internationale Tourneen absolviert war und im Vatikan, in Israel und auf den Londoner Proms zu hören war. Für Pentatone hat das Orchester schon zahlreiche Produktionen eingespielt, darunter vier mit seinem Ersten Gastdirigenten Vladimir Jurowski.
Zunächst muss gefragt werden, warum zwei kurze Sätze aus der Schauspielmusik fehlen – der Trauermarsch für Ophelia und die folgende Fanfare. Für den Vollständigkeitsfanatiker verbietet sich damit die Jurowski-Aufnahme, obschon allein die Aufnahmequalität den verhallten Chandos-Klang mit Leichtigkeit deklassiert. Doch nicht nur die Aufnahmequalität überzeugt – auch die Frische des Orchesterklangs ist ein Vorzug. Das heißt nicht, dass Tschaikowskys Schauspielmusik ohne die Bühnenhandlung tatsächlich dramatische Wirkung entfalten würde. Vielmehr fällt noch stärker als bei Geoffrey Simon der merkwürdig fragmentarische Charakter der Musik auf, die sich teilweise in der Fünften Sinfonie wiederfindet. Wunderbare Momente gibt es fraglos in dieser Schauspielmusik, doch ist zu fragen, ob man sie tatsächlich auf Tonträger benötigt oder ob nicht die 'Hamlet'-Phantasieouvertüre op. 67 ausreichen würde (1998 vom ebenfalls RNO, aber unter Pletnev, für Deutsche Grammophon eingespielt). Die Chandos-Einspielung verfolgt stärker das ästhetische Konzept der Schauspielmusik: Hier wirkt alles so, als würden die Schauspieler gleich zu sprechen beginnen; insofern verfehlt Jurowski den relevanten Punkt. Da helfen auch die russisch singenden Solisten Tatiana Monogarova (Ophelia) und Maxim Mikhailov (Totengräber) nur wenig, zumal Monogarova rein stimmlich nicht Ophelias Jugend transportieren kann (bei Simon sangen die Solisten entsprechend der Erstausgabe Französisch, Janis Kelly war eine überzeugend jugendlich-zerbrechliche Ophelia). Außerdem buchstabiert Jurowski das Lied des Totengräbers geradezu, wodurch sein dramaturgischer Impuls genommen wird.
Selbst bei der 'Hamlet'-Ouvertüre bleibt Jurowski spannungslos und ohne dramatisch-dramaturgisches Konzept, das bei Geoffrey Simon ganz klar zu Tage tritt, selbst wenn das London Symphony Orchestra nicht optimal agiert. Und selbst bei der Erstfassung von 'Romeo i Djuletta' von 1869 versprüht die ältere Aufnahme deutlich mehr Atmosphäre und Charme als die Neuproduktion, die sich auch klangtechnisch nur als grundsolide, nicht aber als herausragend bezeichnen lassen kann. Selbst das (zweisprachige) Booklet (ohne Informationen zu den Gesangssolisten) scheint uninspiriert und etwas salopp hergestellt worden zu sein.
Interpretation: Klangqualität: Repertoirewert: Booklet: |
![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() |
Dieser Beitrag hat Ihnen gefallen? Empfehlen Sie ihn weiter!
Ihre Meinung? Kommentieren Sie diesen Artikel
Jetzt einloggen, um zu kommentieren.
Sind Sie bei klassik.com noch nicht als Nutzer angemeldet, können Sie sich hier registrieren.
Detail-Informationen zum vorliegenden Titel:
![]() Cover vergrößern |
Tschaikowsky,Peter Iljitsch: Hamlet op. 67a |
|||
Label: Anzahl Medien: Veröffentlichung: |
Pentatone Classics 1 21.11.2008 |
Medium:
EAN: |
SACD
827949033063 |
![]() Cover vergössern |
Pentatone Classics PentaTone wurde im Jahr 2001 von drei ehemaligen Leitenden Angestellten der Philips Classics zusammen mit Polyhymnia International (dem ehemaligen Philips Classics-Aufnahmezentrum) ins Leben gerufen.
Mehr Info... |
![]() Cover vergössern |
Jetzt kaufen bei...![]() |
Weitere Besprechungen zum Label/Verlag Pentatone Classics:
-
Große Formen: Pierre-Laurent Aimard intensiviert seinen Einsatz für Beethoven. Weiter...
(Dr. Kai Marius Schabram, )
-
Alter Meister schenkt uns neue Ohren: Herbert Blomstedt und das Gewandhausorchester offenbaren Brahms. Weiter...
(Dr. Kai Marius Schabram, )
-
Nicht einfach: Ein engagiertes Plädoyer für das Vokalschaffen Hans Sommers. Weiter...
(Dr. Jürgen Schaarwächter, )
Weitere CD-Besprechungen von Dr. Jürgen Schaarwächter:
-
Es dreht sich nur um einen: Der Klaviertriokomponist Camille Saint-Saëns als Schöpfer und Nachschöpfer. Weiter...
(Dr. Jürgen Schaarwächter, )
-
Kein überzeugendes Plädoyer: Dem Constanze Quartett mangelt es an rhetorischer Überzeugungskraft, um drei Streichquartette Emilie Mayers zu einem besonderen Erlebnis zu machen. Weiter...
(Dr. Jürgen Schaarwächter, )
-
Pionierleistungen: Bedeutsame Dokumente der Havergal-Brian-Diskografie. Weiter...
(Dr. Jürgen Schaarwächter, )
Weitere Kritiken interessanter Labels:
-
Großes Violinkonzert – großartig interpretiert: Ewelina Nowicka und das Polish National Radio Symphony unter Zygmunt Rychert meistern (unbekannte) Violinwerke von Ludomir Różycki. Weiter...
(Dr. Kai Marius Schabram, )
-
Mehr Fantasie als Ordnung: Federico Colli fasziniert und irritiert mit Klavierwerken W. A. Mozarts. Weiter...
(Dr. Kai Marius Schabram, )
-
Lohnende Neuauflage: Hochwertige Liszt-Aufnahmen von Michael Korstick, gesammelt in einer neuen Edition. Weiter...
(Oliver Bernhardt, )
Portrait

"Bei der großen Musik ist es eine Frage auf Leben und Tod."
Der Pianist Herbert Schuch im Gespräch mit klassik.com.
Sponsored Links
- Opernreisen und Musikreisen bei klassikreisen.de
- Konzertpublikum
- Musikunterricht
- klassik.com Radio
- Urlaub im Schwarzwald
- Neue Musikzeitung
- StageKit - Websites für Musiker, Veranstalter und Konzertagenturen
Hinweis:
Mit Namen oder Initialen gekennzeichnete Beiträge geben die Meinung des Verfassers,
nicht aber unbedingt die Meinung der Redaktion wieder.
Die Bewertung der klassik.com-Autoren:
Überragend
Sehr gut
Gut
Durchschnittlich
Unterdurchschnittlich