
Antheil, George - The Brothers
Amerikanische Oper
Label/Verlag: cpo
Detailinformationen zum besprochenen Titel
CPO legt mit George Anteils 'The Brothers' eine in allen Belangen erstklassige Einspielung vor.
George Antheil (1900–1959) ist nicht gerade als Opernkomponist eine bekannte Größe. Der ‚amerikanische Milhaud‘, wie man ihn vielleicht nennen kann, hat, lernt man seine Musik erst einmal kennen, ein ganz eigenes Profil, das immer wieder zu erstaunen weiß. Schon in seine Erste Sinfonie von 1920 integrierte er Jazzrhythmen. 1922 lernte er in Berlin Strawinsky kennen und zog 1923 nach Paris, wo Ezra Pound zwei Violinsonaten in Auftrag gab. 1933 kehrte er endgültig in die USA zurück und ließ sich 1936 in Hollywood nieder. Eine wichtige neue Phase in seinem Schaffen begann 1942, als Boosey & Hawkes seine Vierte Sinfonie zur Veröffentlichung annahm. In dieser letzten Schaffensphase entstanden nicht nur die Fünfte Sinfonie, das Violinkonzert, die letzten drei Klaviersonaten und mehrere Opern, darunter 'The Brothers', 1954 entstanden und im selben Jahr in Denver uraufgeführt.
'The Brothers' ist eine Art biblische Oper, eine Neuerzählung der alttestamentlichen Geschichte von Kain (hier: Ken) und Abel (hier: Abe). Wir haben die Familie Adams – die beiden Brüder und Mary, Abes blinde Ehefrau, die früher einmal mit Ken liiert war. Die Rivalität der beiden Brüder hat sich bis in die Gegenwart bewahrt. Die menschliche Tragödie, zugespitzt durch die Tatsache, dass einer der Brüder ein Kriegsverbrechen begangen hat und nun zur Verantwortung gezogen werden soll, ist unausweichlich.
Antheil verfasste das Libretto zu seinem aus drei Szenen bestehenden Einakter selbst – den fünf Sängern hat er dankbare Rollen in die Kehlen geschrieben. Rebecca Nelsen, die bereits in Venedig und Dresden zu hören war, bringt Jugendlichkeit und Charme ein – eine Mischung aus Barbara Bonney, Dawn Upshaw und Natalie Dessay, wenn man so möchte. Der amerikanische Tenor Ray M. Wade Jr. singt Abe. Der Schüler u.a. von George Shirley hat das rechte Timbre für den Part, den früher ein Jerry Hadley gesungen hätte. In der Höhe oder bei länger gehaltenen Tönen klingt Wade immer wieder einen Hauch bemüht, zu offen – doch selbst diesen potenziellen Mangel nutzt Wade als Charakterisierungsmittel. Im großen Liebesduett der zweiten Szene harmonieren Nelsen und Wade perfekt. Der englische Bariton William Dazeley singt Abes Bruder Ken. Die Vielschichtigkeit von Kens Charakter weiß er bestens zu transportieren, doch hat er für eine Kammeroper vielleicht mittlerweile eine zu große Stimme, gerade neben den eher etwas leichteren Stimmen von Nelsen und Wade wirkt sie fast überpräsent. Man würde heute von ihm gerne eine Rolle wie den Claggart in Brittens 'Billy Budd' hören, eine Rolle, in die er über die Jahre hineingewachsen sein dürfte. Ein triumphales Sängergespann, das einen keinen Moment kalt lässt, das das menschliche Drama wahrhaft lebendig macht.
Der Kanadier E. Mark Murphy und der Pole Piotr Prochera spielen die beiden Comprimarii‘ Ron und Jim. Antheil fordert keine besondere Charakterisierungsfähigkeit, außer dass beide ‚tough guys‘ sind, Jim ‚definitively on the psychopathic side‘. Auch diese beiden Partien sind hochkarätig, vollwertig besetzt (auch wenn Murphys Charaktertenorstimme nicht als besonders wohlklingend bezeichnet werden kann).
Trotz der nicht großen Orchesterbesetzung weiß Antheil durchaus mit farbigem Orchesterklang zu überzeugen, der guten Gewissens amerikanisch genannt werden kann, selbst dort, wo der Anfang der 'Walküre' zitiert wird. Steven Sloane, seit 1994 Leiter der Bochumer Symphoniker, beherrscht das Idiom bestens, der Schüler Eugene Ormandys und Gary Bertinis füllt die kleine Oper mit intensivem Leben. Das Orchester könnte ebenso gut Los Angeles Philharmonic Orchestra heißen – eine eindrucksvolle Visitenkarte der Bochumer Symphoniker, die bislang recht wenige CDs vorgelegt haben. Makellose Tontechnik und ein rundum gelungenes Booklet lassen nur einen Schluss zu: sehr empfehlenswert.
Interpretation: Klangqualität: Repertoirewert: Booklet: |
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Detail-Informationen zum vorliegenden Titel:
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Antheil, George: The Brothers |
|||
Label: Anzahl Medien: Veröffentlichung: |
cpo 1 20.01.2011 |
Medium:
EAN: |
CD
761203754526 |
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Antheil, George |
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cpo Wohl kaum ein zweites Label hat in letzter Zeit soviel internationale Aufmerksamkeit erregt wie cpo. Die Fachwelt rühmt einhellig eine überzeugende Repertoirekonzeption, die auf hohem künstlerischen Niveau verwirklicht wird und in den Booklets eine geradezu beispielhafte Dokumentation erfährt. Der Höhepunkt dieser allgemeinen Anerkennung war sicherlich die Verleihung des "Cannes Classical Award" für das beste Label (weltweit!) auf der MIDEM im Januar 1995 und gerade wurde cpo der niedersächsische Musikpreis 2003 in "Würdigung der schöpferischen Leistungen" zuerkannt.
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