
Hermann Prey singt - Arien von Mozart, Lortzing, Marschner u.a
Vergessene Mono-Aufnahmen
Label/Verlag: Profil - Edition Günter Hänssler
Detailinformationen zum besprochenen Titel
Einspielungen der 1950er-Jahre aus dem Kern-Opernrepertoire Hermann Preys, gekoppelt mit unbekannten Schätzen, ergeben neue Perspektiven auf die Stimme des großen Baritons.
Die hier vorliegenden Einspielungen entstanden zwischen 1954 und 1957 für die Labels Columbia und Electrola. Schon wenig später waren sie überholt, vor allem der Mono-Aufnahmetechnik wegen. Schon bald war Hermann Prey mit ähnlichem Repertoire im Studio zurück, mittlerweile fast exklusiv für die EMI, was seinen Schaffensbereich gleichzeitig prägte und möglicherweise auch einengte. Kaum eines der auf dieser Platte gebotenen Stücke wurde von Prey nur einmal eingespielt, vielmehr handelte es sich um Rollenporträts, mit denen er sich über die Jahrzehnte seiner Karriere hinweg immer wieder befaßte.
Einige Repertoirebereiche auf dieser CD wurden zu regelrechten Konstanten in Preys Opernrepertoire. Ganz zentral für ihn war der Mozart-Gesang – Papageno, Figaro, Graf Almaviva, Don Giovanni, Guglielmo gehörten zu seinen Paraderollen. Den Papageno hat er unter Solti im Studio gesungen, den Figaro unter Böhm, den Guglielmo unter Jochum, den Graf Almaviva (auf Deutsch) unter Suitner; vom Don Giovanni gibt es nur einen Querschnitt (ebenfalls auf Deutsch). Dazu eine berühmte Recitalplatte mit der Dresdner Staatskapelle unter Otmar Suitner sowie diverse Live-Mitschnitte. Auf der vorliegenden CD werden vier Mozart-Arien präsentiert. Die beiden Papageno-Arien erklingen hier vielleicht ein wenig flächig und eingeschränkt in der Dynamik sowie in den Streicherhöhen etwas dünn. Preys Berliner Stereo-Einspielungen von 1960 unter Horst Stein erweisen eine stetig wachsende Bühnenerfahrung, während in den früheren Einspielungen die Stimme frischer, gelegentlich gar zerbrechlicher klingt – gelegentlich finden sich fast 'fischer-dieskauige' Lyrismen. Der problematischen deutschen Textunterlegung wegen für heutige Ohren gewöhnungsbedürftig mag die Arie 'Donne mie, la fate a tanti' aus Così fan tutte klingen, weitaus überzeugender ist da die Arie des Figaro-Grafen. Allerdings haben wir in letzterem Fall eine Gesamtaufnahme aus Dresden, mit der Staatskapelle unter dem viel zu unbekannten Otmar Suitner, so daß die frühere Aufnahme in der Tat als zu vernachlässigen zu bezeichnen ist.
Ein lebenslanges Anliegen war Hermann Prey das deutsche romantische Repertoire, im Liedgesang ebenso wie in der Oper. Von Lortzings 'Wildschütz' (EMI 1963) und Weber/Mahlers 'Die drei Pintos' (RCA 1976) bis hin zu Schuberts 'Die Freunde von Salamanca' (Deutsche Grammophon 1978, nie auf CD erschienen) und Nesslers 'Trompeter von Säckingen' (Capriccio 1994) und auch weit darüber hinaus in die Spätromantik (Korngolds 'Die tote Stadt', RCA 1975, Humperdincks 'Königskinder', EMI 1976) ist sein Spektrum durch höchstkarätige Studioproduktionen dokumentiert. Besonders lagen ihm die verkleideten Adeligen in Lortzings Spielopern – überhaupt kam das Spiel mit Schein und Sein seinem komödiantischen Naturell entgegen. Die herrliche Arie 'Heiterkeit und Fröhlichkeit' aus 'Der Wildschütz' hat Prey wenigstens dreimal aufgenommen, in der hier vorliegenden ersten Aufnahme (von 1954 oder 1953?) klingt er vielleicht am herb-männlichsten, und dennoch sind es die beiden Stereo-Aufnahmen, die die Palme davontragen. Auch in 'Zar und Zimmermann' (auf dieser CD zu hören die Arie 'Sonst spielt ich mit Szepter') hat Prey sein Rollenporträt immer weiter verfeinert; die Fernsehproduktion von 1975 mit Lucia Popp und Karl Ridderbusch unter Heinz Wallberg (der Soundtrack war auf CD nur in minderwertiger Qualität lieferbar) inspirierte ihn offenkundig ganz besonders. Das schmerzliche-bittere Finale der Königskinder rettet Prey stets vor dem Umkippen ins Kitschige – in der hier vorliegenden ersten Aufnahme von 1956 mehr noch als in den späteren Einspielungen, klingt seine Stimme hier doch noch kraftvoll-zupackender als bereits wenige Jahre später unter Horst Stein; sicher unterstützt hier auch Wilhelm Schüchters unsentimentales Dirigat.
Doch auch ernstere Rollen der deutschen romantischen Oper erfuhren durch Hermann Prey äußerst inspirierte Wiedergaben – man denke etwa an die fast greifbare Spannung zwischen Prey und Fischer-Dieskau in Schuberts 'Alfonso und Estrella' (EMI/Berlin Classics 1978), den Kühleborn in Lortzings 'Undine' (EMI 1966) oder auch die Titelrolle in Heinrich Marschners 'Hans Heiling' (WDR live 1967). So haben wir in der Arie des Hans Heiling 'An jenem Tag' auf dieser CD ein echtes Juwel vorliegen. Hätten die EMI auch diese Oper als Gesamtaufnahme produziert, sie wäre heute sicher nicht vergessen.
Preys fremdsprachliche Fähigkeiten standen hinter seinen Ausdeutungsmöglichkeiten im Deutschen deutlich zurück – dessen war sich Prey bewußt und so beschränkte er die Zahl der nicht-deutschsprachigen Rollen klar. Berühmt ist Prey gleichwohl – völlig zu Recht – als Rossinis Figaro, gleich ob auf Deutsch (unter Suitner mit der Staatskapelle Berlin 1965) oder Italienisch (unter Abbado in der berühmten Einspielung mit Teresa Berganza von 1971). Auf Deutsch hört man mehr noch als unter Abbado die unmittelbare drängende Spielfreude, so auch in den vier hier vorliegenden Ausschnitten – mit Richard Holm und Erika Köth.
Die Paarung Anneliese Rothenberger/Hermann Prey in Ruggiero Leoncavallos Bajazzo (Pagliacci) war in den 1950er-Jahren eine durchaus übliche – nicht nur in dem Electrola-Querschnitt unter Wilhelm Schüchter, sondern auch in der NWDR-Produktion von 1955 unter Herbert Sandberg. Die Produktion ist packend und beeindruckend und auch die deutsche Sprache stört nicht wirklich; die knapp 9 Minuten dauernde Szene ist musikdramatisch vielleicht der Höhepunkt der CD. Derart erfolgreiche Singdarsteller sind heute mehr als selten. Überhaupt findet sich die Paarung Rothenberger/Prey häufig in Hermann Preys Diskografie – nicht nur in Lortzing-Opern oder Mozarts 'Figaro', sondern auch im Bereich der Operette (etwa einem superben Boccaccio von 1974). 1954 dirigierte Otto Ackermann in London drei Produktionen von Johann-Strauss-Operetten mit Elisabeth Schwarzkopf, Nicolai Gedda, Erich Kunz und dem Philharmonia Orchestra. Der Zigeunerbaron wurde als letztes fertiggestellt – bis deutlich in die 1960er-Jahre als die Standardproduktion geltend. Auch hier gewinnt Preys Graf Homonay (im Werberlied) sehr durch das kernigere Stimmfundament, das Preys Karriere, hätte er seine Stimme in dieser Hinsicht trainiert, in Richtung Wozzeck oder gar Pizarro hätte führen können. Allerdings bleibt unklar, was die letzten beiden Tracks, in denen Prey so gut wie nichts zu singen hat, auf einer Recital-CD suchen. Da hätte es für ein Finale sicher andere Schätze gegeben, etwa die kleine Rolle des Kalifen in Der Barbier von Bagdad von 1956, ebenfalls aus London.
Die Überspielungen (von Schallplatten, nicht von Originalbändern) sind so exemplarisch wie vorstellbar – außer dem gelegentlich unangenehm dumpfen Klang merkt man den Aufnahmen ihr Alter kaum an. Das Booklet ist gelinde gesagt betrüblich – durch seine Dürftigkeit (etwa mit den pauschalen Produktionsvermerken) fühlt sich der Rezensent genötigt, auch an der Korrektheit einiger Orchesterangaben zu zweifeln, dirigierte Wilhelm Schüchter doch häufig für die EMI die Berliner Symphoniker, so bei der Wildschütz-Arie, vielleicht auch der Bajazzo-Szene und den Ausschnitten aus dem 'Barbier von Sevilla'. Bei Rossini und Leoncavallo könnte dies bedeuten, daß es sich um Ausschnitte von EMI-Opernquerschnitten handelt, die zwar mittlerweile nicht mehr lieferbar, doch vor erst wenigen Jahren auf dem CD-Markt verfügbar waren (überspielt von den Originalbändern). So relativiert sich leider der erste Eindruck einer ganzen Juwelentruhe – zwar gibt es hier keinen billigen Strass, doch die lupenreinen Diamanten beschränken sich auf wenige echte Schätze.
Interpretation: Klangqualität: Repertoirewert: Booklet: |
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Hermann Prey singt: Arien von Mozart, Lortzing, Marschner u.a |
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Profil - Edition Günter Hänssler 1 |
Medium:
EAN: |
CD
881488802351 |
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