
Bach & Reger - Cellosonaten Nr. 1 & 2
Ein Auf und Ab
Label/Verlag: Musicaphon
Detailinformationen zum besprochenen Titel
Martin Rummel und Elizabeth Hopkins haben eine gemischte Platte mit Sonaten von Johann Sebastian Bach und Max Reger vorgelegt, die nicht beiden Komponisten gleichermaßen gut bekommt.
Johann Sebastian Bachs Musik scheint nicht nur immer wieder überraschende ‘Vielfalt in der Einheit’ zu bieten, sondern auch auf vielfältige Art und Weise bindungsfreudig mit anderen Musiken zu sein. Sei es, dass Bach gleich komplett in den Jazz transponiert und transportiert wird, sei es, dass er ein beliebter Partner auf gemischten CDs ist. Der weltgewandte, etablierte Cellist Martin Rummel hat mit der Pianistin Elizabeth Hopkins, die nicht nur als Solistin, sondern auch als Musikpädagogin auf der Bühne berühmt geworden ist, nun eine solche gemischte CD vorgelegt. Zwei Sonaten Bachs stehen neben zwei Sonaten von Max Reger. Und auch hier scheint Bach alle grellen Kontraste, die diese Mischung verspricht, herabzumildern und zu besänftigen, was die Stückeauswahl der CD betrifft. Ob diese erdenferne Sanftmut Bachs aber im Cover des collagen-affinen Rummel (vgl. z.B. das Titelbild seiner Einspielung sämtlicher Popper-Etüden) nicht etwas überbeansprucht wird, mag der Leser entscheiden, wenn er auf dem berühmten Haußmann-Portrait in Bachs Rechter plötzlich ein Bildnis Regers statt eines Rätselkanons entdeckt. Und auch die Interpretation selbst wirft ein erneut anderes Licht auf die Mischverhältnisse.
Die beiden Sonaten Bachs haben wohl um 1740 die Gestalt angenommen, die hier zu hören ist. Eine verstrickte Fassungsgeschichte suspendiert aber exakte Datierung, wie auch Besetzung und Stimmenhierarchie: ursprünglich für Cembalo und zwei Flöten konzipiert, wurde die zweite Flöte eine Oktave nach unter ver- und mit der Gambe besetzt, während die erste Flöte die ursprüngliche, nun gestrichene rechte Hand des Cembalos ersetzte und der Bass blieb. Das mag auch der Grund ein, warum man viele Themen der beiden Bachsonaten im Ohr hat, ohne dabei ein Cello sofort mitzuerinnern. Allerdings wird die (im Booklet ausdrücklich angemahnte) Unabhängigkeit und Gleichberechtigung der drei Stimmen nicht so recht eingelöst: die altbekannte Einteilung in steigender Folge, von der linken über die rechte Hand des Tasteninstruments bis zum Solisten bleibt immer präsent. Überhaupt bleiben die Bachinterpretationen von Rummel und Hopkins irgend blass und schmal. Gewiss wäre es maßlos übertrieben, von Beiläufigkeit zu sprechen, aber eine rechte Intensität, eine starke, gern auch eigenwillige Durchformung der je einzelnen Phrase stellt sich ebenfalls nicht ein. Die Details werden fragwürdig. Das Adagio der erste Sonate (BWV 1027, G-Dur) wird in einem recht zügigen, wenig inspirierten Tempo genommen; die Triller im Thema des zweiten Satz brechen wie Risse in die Musik; das Andante der Sonate BWV 1028 gelingt zwar atmosphärisch melancholisch, aber die langen Töne der Cellostimme bekommt untergründig irritierende ‘Bäuche’; und leider so weiter.
In den allermeisten Hinsichten anders der Reger. Das Allegretto-Finale der ersten Sonate in f-Moll, ein frühes Werk aus dem Jahr 1892, besitzt einen grotesk angehauchten, verqueren Humor, in dem sperrige Phrasen voll hinkender Vorschlagsnoten mit sentimentalen, fließenden Partien abwechseln. Hier zeigen sich Rummel und Hopkins beweglich und reaktionsschnell. Das Gespreizte und Gestelzte dieses Satzes wird betont überaus einleuchtend. Allerdings könnte man in Anbetracht einiger Glissandi kritisch anmerken, das mit ihnen dem Solisten Rummel das Ende des Satzes nicht so sehr zur Steigerung gerät, sondern vielmehr wortwörtlich ent-gleitet. Anders im ersten Satz der zweiten Sonate in g-Moll aus dem Jahr 1898. Nirgends sonst findet Rummel einen so runden und kraftvollen Ton wie hier, und geht die Bewegung der Melodie, des Tempos und des Duettspiels so ‘natürlich’ (seltsames Wort) mit diesem Ton überein.
Ich monierte oben den etwas schüttern klingenden Bach: aber natürlich ist es bemerkenswert und freudenreich, dass das Duo Rummel/Hopkins auf zwei ganz verschiedene Arten sinnt, zwei ganz verschiedene Komponisten zu interpretieren. Allerdings gerät dieser Kontrast zu einer Schärfe, die, anders als oben eingeleitet, scharf bleibt, und den zwiespältigen Eindruck eines Qualitätsgefälles hinterlässt. Die CD trägt den Vermerk ‘Vol.1’. Auch wenn das Label Musicaphon noch nicht explizit Vol.2 angekündigt hat, darf man doch auf eine Fortsetzung dieses Kontrastes gespannt sein; und vielleicht wird sich dann erahnen lassen, ob die Interpretationen von Rummel und Hopkins mehr Raum und Eindeutigkeit durch auseinandersortierte Komponisten gehabt hätte.
Interpretation: Klangqualität: Repertoirewert: Booklet: |
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Detail-Informationen zum vorliegenden Titel:
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Bach & Reger: Cellosonaten Nr. 1 & 2 |
|||
Label: Anzahl Medien: Veröffentlichung: Spielzeit: |
Musicaphon 1 29.07.2008 73:19 |
Medium:
EAN: BestellNr.: |
CD
4012476568942 M 56894 |
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"Die Sonaten für Viola da gamba und Cembalo von Johann Sebastian Bach wie auch die Sonaten für Violoncello und Klavier von Max Reger stellen in ihrer jeweiligen Epoche einsame Gipfelhöhen dar. Das rechtfertigt, die Werke in einer Gesamtaufnahme einander gegenüberzustellen und nicht enzyklopädisch nur Bach bzw. nur Reger zu veröffentlichen. Eingespielt auf dieser Folge sind die beiden jeweils ersten Werke des Genres vom jungen Cellisten Martin Rummel, der auf Musicaphon mittlerweile schon mit neun CDs vertreten ist und der immer wieder „Faszination durch sein brillantes Spiel“ bewirkt (Kronenzeitung) und „Konzerte der Superlative“ (Süddeutsche Zeitung) gibt. Begleitet wird er von Elizabeth Hopkins, die von der Süddeutschen Zeitung bereits eine Einschätzung als „brillante Pianistin“ erfuhr." |
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Musicaphon Ende der 50er Jahre gründete Karl Merseburger, Inhaber des Tonkunstverlages in Darmstadt, das Label CANTATE. Etwa zur gleichen Zeit rief Karl Vötterle (Bärenreiter-Verlag) in Kassel MUSICAPHON ins Leben. In beiden Fällen sollte vorrangig das jeweilige Verlagsprogramm auf Tonträgern dokumentiert werden. Nachdem Merseburger den Tonkunstverlag 1963 aufgeben mußte, übernahm Bärenreiter das Label CANTATE und führte beide gemeinsam unter dem Dach der 1965 gegründeten Vertriebsfirma "Vereinigte Schallplattenvertriebsgesellschaft Disco-Center" fort. Auf beiden Labels erschienen in den 60er und 70er Jahren bedeutende Aufnahmen. Besondere Schwerpunkte setzte Wilhelm Ehmann, Leiter der Westfälischen Kantorei in Herford, mit seinen historischer Aufführungspraxis verpflichteten Interpretationen der Werke von Heinrich Schütz. Bach-Kantaten wurden von Helmuth Rilling mit der Gächinger Kantorei und dem Figuralchor der Gedächtniskirche Stuttgart eingespielt. MUSICAPHON gewann daneben Profil mit der Veröffentlichung musikethnologischer Aufnahmen, herausgegeben von der UNESCO (Musik des Orients und Musik Afrikas) bzw. vom musikwissenschaftlichen Institut der Universität Basel (Musik Ozeaniens und Musik Südostasiens). 1994 erwarb der Musikwissenschaftler Dr. Rainer Kahleyss (Kassel) die Label, 1996 auch die Vertriebsfirma von Bärenreiter, die jetzt als "Klassik Center Kassel" firmiert. Seitdem werden auf CANTATE geistliche Musik, auf MUSICAPHON weltliche Musik vom Frühbarock bis zur Gegenwart veröffentlicht. Auch für die Rezeptionsgeschichte bedeutsame Aufnahmen der Altkataloge werden sukzessive auf CD umgestellt. Mehr Info... |
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