
Lass mein Herz - Kantaten und Ouvertüren von Christoph Graupner
Darmstädter Eigensinn
Label/Verlag: Accent
Detailinformationen zum besprochenen Titel
Christoph Graupner ist und bleibt eine bemerkenswerte Figur: Gelassen steht er mitten in der mitteldeutschen kirchenmusikalischen Tradition, ohne je auf das Alte fixiert zu sein. Gleichzeitig wendet er sich explorativ mutig Neuem zu.
Christoph Graupner sollte mit seiner wunderbaren Musik immer Konjunktur haben – leider ist das nicht ganz so. Doch immer wieder gibt es Ensembles und Solisten, die dem Darmstädter Hofkapellmeister Ehre erweisen. Eine herausragende Konstellation stellt jetzt ein Album vor: Die Sopranistin Dorothee Mields hat bei Accent gemeinsam mit Florian Deuter und Mónica Waisman sowie deren Ensemble Harmonie Universelle eine Platte mit Kantaten und Instrumentalwerken vorgelegt. Natürlich stehen Solo-Kantaten für Sopran im Zentrum, drei auf Texte von Georg Christian Lehms sind es: 'Reiner Geist, lass doch mein Herz' GWV 1138/11, dann 'Verleih, dass ich aus Herzensgrund' GWV 1114/16 und schließlich 'Ach Gott, wie manches Herzeleid' GWV 1142/11. Geschrieben hat Graupner sie für offenbar großartige Sopranstimmen, die am Darmstädter Hof, anders als in der Zeit sonst üblich, in der Kirchenmusik sehr wohl mitwirken durften. Man hört den musikdramatisch geschulten Tonsetzer: In den bemerkenswert variablen, immer wieder accompagnato ausgestalteten Rezitativen, natürlich auch in den ausgreifenden, ebenso melodieschönen wie subtil strukturierten Arien. Trotz ihrer relativ frühen Entstehungszeit – die Kantaten entstanden 1711 und 1716 – tragen die Kompositionen einen Zug in sich, der ästhetisch schon spürbar über die Höhen des Barock hinausweist. Zwischen die Kantaten eingefügt sind die wunderbare Ouvertüren-Suite e-Moll GWV 442, eine Satzfolge mit Charme und Format. Dazu ein klassisch viersätziges Concerto in g-Moll, das einen ebenso günstigen Eindruck hinterlässt.
Großartige Könner
Es ist vollkommen verständlich, dass Dorothee Mields eine der gefragtesten Stimmen im barocken Fach ist – für Musik von Schütz bis Bach hat sie einfach all das, was nötig ist, im Übermaß: Eine schlanke, schwebungsarme Stimme, die zugleich über ein wunderbar modulationsfähiges Volumen und individuelle Substanz verfügt. Technisch ist ihr Vortrag über jeden Zweifel erhaben, Glanzlichter werden wie nebenher gesetzt. Mields balanciert Graupners nicht unheikle Ästhetik zwischen schlichter Geste und gesteigertem Ausdruck mühelos und vollkommen selbstverständlich. Diese Graupner-Platte ist zweifellos ein weiteres Schmuckstück in ihrer an Preziosen keineswegs armen Diskografie.
Zu diesem Ergebnis tragen wesentlich die Instrumentalisten der Harmonie Universelle bei: In der Begleitung der Vokalstimme kultiviert die nicht übermäßig breite Besetzung einen blühenden, geschmeidigen Ton. Beeindruckend ist die expressive Bandbreite, getragen von einem durchaus kräftig gestuften dynamischen Tableau. In der Ouvertüre wird mit großer Verve musiziert; in plastischen Klanggestalten gelingen klar gezeichnete Satzcharaktere. Phrasiert wird ohne Zurschaustellung knalliger Effekte. Alles ist im richtigen Maß vorhanden, ausgewogen und beherrscht. Die Instrumentalwerke profitieren von entschieden gewählten Tempi, die immer wieder einen angenehmen Sog entfalten. Klanglich wird die Präsentation von einem relativ groß dimensionierten Raum bestimmt, der für die Kantaten ideal dimensioniert scheint. Auch die Instrumentalwerke funktionieren in dieser Konstellation sehr überzeugend: Alles wirkt klar, plastisch und mit viel strukturellem Anspruch dargeboten.
Christoph Graupner ist und bleibt eine bemerkenswerte Figur: Gelassen steht er mitten in der mitteldeutschen kirchenmusikalischen Tradition, ohne je auf das Alte fixiert zu sein. Gleichzeitig wendet er sich explorativ mutig Neuem zu: Viel Darmstädter Eigensinn ist zu hören, hochinspirierter dazu. Und das Beste: Diese Musik wird kongenial geboten von Dorothee Mields und dem Ensemble Harmonie Universelle: zugreifen.
Interpretation: Klangqualität: Repertoirewert: Booklet: |
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Detail-Informationen zum vorliegenden Titel:
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Lass mein Herz: Kantaten und Ouvertüren von Christoph Graupner |
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Label: Anzahl Medien: Veröffentlichung: |
Accent 1 02.02.2018 |
Medium:
EAN: BestellNr.: |
CD
4015023243378 ACC 24337 |
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Accent Schon bei der Gründung des Labels 1979 durch Andreas Glatt war klar, dass ACCENT sich fast ausschließlich mit Alter Musik in historischer Aufführungspraxis beschäftigen würde. Die Künstler, die für ACCENT aufnehmen oder aufgenommen haben, gehörten von Anfang an zu den renommiertesten Interpreten der "Alte-Musik-Szene": darunter die Brüder Barthold, Sigiswald und Wieland Kuijken, René Jacobs, Jos van Immerseel, Maria Cristina Kiehr mit La Colombina, Paul Dombrecht, Marcel Ponseele mit seinem Ensemble Il Gardellino, aber auch jüngere Künstler wie Ewald Demeyere und sein Bach Concentus, das Ensemble Private Musicke mit Pierre Pitzl oder das Amphion Bläseroktett. Der ACCENT-Katalog möchte den neugierigen Musikfreund auf eine Reise durch die Welt der Alten Musik mitnehmen. Dabei wird er, neben ausgewählten Standardwerken, nicht selten Stücken begegnen, die kaum im Konzertbetrieb oder auf CD anzutreffen sind. Erstaunlicherweise stammen sie nicht nur von wenig bekannten Komponisten, sondern auch von so großen Namen wie Johann Sebastian Bach oder Georg Philipp Telemann. Diese Raritäten werden für ACCENT nicht allein um ihres Seltenheitswerts aufgenommen, sondern vielmehr, weil sie wichtige, bislang sträflich vernachlässigte Werke sind, deren Entdeckung zu einem persönlichen Anliegen der Interpreten wurde. Mehr Info... |
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