
Graupner, Christoph - Epiphanias-Kantaten
Epiphanias kann kommen
Label/Verlag: cpo
Detailinformationen zum besprochenen Titel
Mit dieser Platte kann man Weihnachten nach Neujahr weiterfeiern: Ein attraktives Programm mit Graupner-Kantaten. Und alle Langeweile verfliegt.
Der Bassist Dominik Wörner ist mit den interpretatorischen Früchten des von ihm initiierten Kirchheimer Konzertwinters schon vernehmlich hervorgetreten, mit einer formidablen Bach-Platte, auf der die wunderbaren Dialog-Kantaten im Mittelpunkt standen. Jetzt hat er fünf nicht minder attraktive Kantaten zusammengestellt, die Christoph Graupner, der langjährige Darmstädter Hofkapellmeister und Hofkompositeur für die Epiphanias-Zeit komponiert hat – sämtlich hochstehende Zeugnisse der Zusammenarbeit von Graupner und dessen Schwager Johann Conrad Lichtenberg, seines Zeichens Superintendent in Darmstadt und ungemein produktiver Verfasser geistlicher Dichtung. Die Kombination Graupner-Lichtenberg war wohl mindestens so stark und produktiv wie die oft beschriebene Verbindung Bach-Picander. Jedenfalls ist in den fünf Kantaten beispielhaft ein kongeniales Wechselspiel zwischen textlicher Ebene und musikalischer Ausdeutung zu erleben. Es sind zwei Kantaten auf den Choral 'Was Gott tut, das ist wohlgetan', dann 'Erwachet, ihr Heyden', dazu 'Die Waßer Wogen im Meer sind groß' und 'Gott, der Herr, ist Sonne und Schild'.
Graupner schreibt linear hochattraktiv; die kontrapunktische Basis ist intakt, aber nicht knöchern Überlebtes dokumentierend, sondern beiläufig und souverän integriert. Der Komponist erweist sich als Meister des subtilen Effekts, der eleganten Farbe, was sich nicht zuletzt in einer höchst variantenreichen instrumentalen Besetzung widerspiegelt: Neben Streichern und Oboen prägen auch Hörner, Traversflöte, Flauto d‘amore, Viola d‘amore, Oboe d‘amore und sogar ein Chalumeau als der späteren Klarinette verwandtes Rohrblattinstrument das Bild. Interessanterweise sind Graupners geistliche Werke im kaum geminderter Intensität von derselben Farbigkeit geprägt wie seine instrumentalen: Was hier an ausnehmend idiomatischen Obligatstimmen zu hören ist, beeindruckt. Graupner gewinnt aus seiner textgezeugten Arbeit charaktervolle Arien von individuellem Zuschnitt und ausgreifende Rezitative von harmonischer Ambition.
Könner
Vokal getragen wird das Geschehen von der Sopranistin Andrea Lauren Brown, dem Altus Kai Wessel, dem Tenor Georg Poplutz und natürlich Dominik Wörner. Sopran und Bass haben den Löwenanteil zu singen – im instruktiven Bookletessay berichtet Corinna Wörner von den wahrscheinlichen historischen Umständen, die das begünstigt haben. Kurz gesagt: Wenn man einen soliden Bass und eine hervorragende Sopranistin hat – ja eine Frau sang diese Partien, denn der absolute Herrscher in Darmstadt konnte natürlich das Mitwirkungsverbot von Frauen in der Kirchenmusik aufheben –, dann lässt man sie auch singen. Künstler des Barock neigten zu Pragmatismus.
Dominik Wörner bietet seine gesamte stimmliche Autorität auf, beeindruckt aber zugleich etwa in der Arie 'Wo bist du, großer Trost der Heiden?' mit sehnsuchtsvoller Sanftheit. Der Rezensent gesteht: So zart abgetönt hat er diesen großartigen Sänger noch nicht gehört. Andrea Lauren Brown singt als Wörners wesentlicher Counterpart lyrisch stark, erfrischend explosiv und mit kontrolliertem Volumen. Kleinere Nachlässigkeiten in der Diktion sind bei ihr zu verzeichnen, wohingegen Wörner hierin ein Vorbild an natürlicher Akkuratesse ist. Georg Poplutz überzeugt mit vertrauter Präsenz; auch Kai Wessel hinterlässt in einem Duett und einem Ensemble-Rezitativ einen rundum günstigen Eindruck. Die vier Solisten bilden zugleich den Vokalchor, der vornehmlich choraliter beschäftigt ist, selten in profilierten Chören. Das Instrumentalensemble ist solistisch besetzt: Es zeigt sich spielfreudig, es investiert viel Arbeit in üppig pulsierende Details. Das luzide Spiel verdankt sich wesentlich der solistischen Besetzung, die ein echtes kammermusikalisches Interagieren auf Augenhöhe ermöglicht. Die Vielfalt der Instrumente materialisiert sich in plastischen Klanggestalten; die Akteure setzen erkennbar auf die dezidierte Präsentation der Eigentümlichkeiten in Graupners Musik. Das eloquente Spiel wird in Tempi vorangetrieben, die einem natürlichen Sprechgestus verpflichtet sind. Klanglich wirkt das Gesamtbild konzentriert, ungemein plastisch und zeigt sich hervorragend gestaffelt.
Mit dieser Platte kann man Weihnachten nach Neujahr weiterfeiern: Ein attraktives Programm mit Graupner-Kantaten. Mit diesem von Dominik Wörner und seinem Kirchheimer BachConsort farbig interpretierten Ausschnitt aus dem schier unermesslichen Kantatenschaffen Graupners kann man sich nicht langweilen.
Interpretation: Klangqualität: Repertoirewert: Booklet: |
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Detail-Informationen zum vorliegenden Titel:
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Graupner, Christoph: Epiphanias-Kantaten |
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Label: Anzahl Medien: Spielzeit: |
cpo 2 92:28 |
Medium:
EAN: BestellNr.: |
CD
761203514625 cpo 555 146-2 |
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Graupner, Johann Christoph |
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cpo Wohl kaum ein zweites Label hat in letzter Zeit soviel internationale Aufmerksamkeit erregt wie cpo. Die Fachwelt rühmt einhellig eine überzeugende Repertoirekonzeption, die auf hohem künstlerischen Niveau verwirklicht wird und in den Booklets eine geradezu beispielhafte Dokumentation erfährt. Der Höhepunkt dieser allgemeinen Anerkennung war sicherlich die Verleihung des "Cannes Classical Award" für das beste Label (weltweit!) auf der MIDEM im Januar 1995 und gerade wurde cpo der niedersächsische Musikpreis 2003 in "Würdigung der schöpferischen Leistungen" zuerkannt.
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