
Graupner, Christoph - Orchestral Works
Extravaganz - Ek-Stravaganza?
Label/Verlag: MDG
Detailinformationen zum besprochenen Titel
‘Christoph Graupner gehört sicher nicht zu den allgemein geläufigen Komponisten des Barock. 1683 im sächsischen Kirchberg geboren, trat Graupner erstmals in Hamburg als Komponist in Erscheinung. Dort entstanden einige Opern, zum Teil in Zusammenarbeit mit Reinhard Keiser, zum Teil als eigene Werke. 1709 erfolgte der Ruf an den Hof Ernst Ludwigs, Landgraf von Hessen-Darmstadt, an dem Graupner bis zu seinem Tod im Jahre 1760 blieb.
Graupners Instrumentalkompositionen rücken erst allmählich in den Blickwinkel des (wissenschaftlichen) Interesses, während hingegen sein Opernschaffen bereits weitgehend wissenschaftlich aufgearbeitet ist. Auf der vorliegenden Aufnahme finden sich nun zwei ‘Sinfonias’, zwei Ouvertüren und ein ‘Concerto’. Betrachtet man die 113 Symphonien Graupners, so zeichnen sich diese nicht gerade durch abwechslungsreiche Tonartenwahl aus: über ¾ dieser ‘Sinfonias’ stehen in G-Dur oder D-Dur, keine einzige in einer Moll-Tonart. Doch kompositorischer Reichtum erweist sich nicht (nur) in der Wahl der Tonart. In diesen Bereich gehört zum Beispiel die spezielle Behandlung von Instrumenten; und auf diesem Gebiet kann man Graupner durchaus als innovativen Kopf in der Riege bekannter Barock-Komponisten bezeichnen. Nicht nur, was zum Beispiel die Behandlung der Pauke angeht, auch andere instrumentalen Kräfte werden in durchaus ungewohnter Art und nicht gerade herkömmlichen Maß eingesetzt. Dies betrifft beispielsweise die vielseitige Verwendung von instrumentalen Spieltechniken (piazzicato bei Geigen).
Leider treten in den hier eingespielten ‘Sinfonias’ keine Pauken auf, so dass uns ein kleiner instrumentaler Leckerbissen vorenthalten bleibt.
Was jedoch der Aufnahme keinen Abbruch tut, denn das ausschließlich auf historischen Instrumenten spielende Ensemble ‘Nova Stravaganza’ bieten eine an Spielfreude kaum zu überbietende Darstellung dieser Werke. Freilich ist ein Vergleich mit anderen Einspielungen hier nicht möglich, da es sich um Ersteinspielungen dieser unbekannten Werke handelt. Dies soll jedoch den Wert dessen nicht mindern, sondern – ganz im Gegenteil – mehren, kann man (und sollte auch!) es doch als äußerst interessante Bereicherung des Repertoires betrachten. Warum die siebte Einspielung der ‘Brandenburgischen Konzerte’ kaufen, wenn es doch so abwechslungsreiche ‘Neuerscheinungen’ gibt?
Und dass man es hier mit einer an Abwechslung keinesfalls mangelnden Aufnahme zu tun hat, merkt man bereits an den ersten Takten der ‘Sinfonia GWV 538’ in D-Dur für zwei Flöten, zwei Hörner, zwei Violinen und Basso continuo. Und bereits nach kurzer Zeit kann man Graupners kompositorische Handschrift erkennen, die sich darin offenbart, kleine motivische Bausteine in mehrmaliger Wiederholung zu bringen. Auch in der Ouvertüre zeigen sich einige individuelle Züge Graupners, zum Beispiel den Sätzen (eine beliebige Reihe von Tanzsätzen, denen eine traditionelle ‘Ouvertüre’ nach französischem Vorbild vorangeht und die dem ganzen Tanzzyklus seinen Namen gibt) ungewohnte Bezeichnung wie ‘L´Intrepidezza’ (Unerschrockenheit) oder ‘L´Inessorabilitá’ (Unerbittlichkeit) zu geben; dadurch rückt Graupner seine Musik in die Richtung ‘darstellender’ Formen, gibt seinem Hörer quasi einen Fingerzeig, wie dieses Stück zu hören sei. Sein ‘Concerto GWV 321 für zwei Flöten (traversiere) zwei Violinen, Viola und basso continuo verbinden verschiedene Formen miteinander: zum einen (traditionelle) fugierte Abschnitte und (eher innovative) selbstständige, motivische Bildungen.
In der Darstellung dieser Werke besticht Nova Stravaganza durch instrumentales Können (allein die Hörner verdienen großes Lob) und interpretatorische Finesse, so dass man sich nur wundern kann (der Name ‘Stravaganza’ ist also absolut gerechtfertigt!). Das Ensemble um Siegbert Rampe am Cembalo spielt diese Werke mit viel Verve und Elan. Aber auch was die eher ‘technischen’ Aspekte, wie Intonationssicherheit oder Klangbalance und Abstimmung innerhalb des Ensembles betrifft, wird hier auf sehr hohem Niveau musiziert. Zudem verfällt dieses Ensemble glücklicherweise nicht der Manier, fast sportive Tempi anzuschlagen, wie es gelegentlich Vertreter der sogenannten ‘historischen Aufführungspraxis’ zu tun pflegen. Insgesamt handelt es sich hier interpretatorisch um eine ausgewogene Einspielung mit durchaus pfiffigem Zugriff auf diese eher unbekannten Werke. Eine interessante, abwechslungsreiche Bereicherung des Repertoires! Was den Klang betrifft, so ist diese Aufnahme absolut überzeugend; so plastische, detailreiche, fein abgestufte Aufnahmen findet man nicht sehr oft. Wie für MDG gewohnt, in ‘natürlicher’ Konzertraumakustik aufgenommen, entfalten diese historischen Instrumente einen individuellen, unverwechselbaren Klang, der die Transparenz dieser Werke unmittelbar sinnfällig macht. Eine besondere Erwähnung verdient noch das sehr informative Beiheft, in dem interessante Details zu den eingespielten Werken enthalten sind.
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Detail-Informationen zum vorliegenden Titel:
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Graupner, Christoph: Orchestral Works |
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Label: Anzahl Medien: Veröffentlichung: Spielzeit: Aufnahmejahr: Veröffentlichung: |
MDG 1 01.05.2002 77:21 2002 2002 |
Medium:
EAN: BestellNr.: |
CD
0760623112121 MDG 341 1121-2 |
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Graupner, Christoph |
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MDG Die klangrealistische Tonaufnahme »Den beim Sprechen oder Musizieren entstehenden Schall festzuhalten, um ihn zu konservieren und beliebig reproduzieren zu können, ist eine Idee, die seit langem die Menschen beschäftigte. Waren zunächst eher magische Aspekte im Spiel, die die Phantasie beflügelten wie etwa bei Giovanni deila Porta, der 1598 den Schall in Bleiröhren auffangen wollte, so führte mit fortschreitender Entwicklung naturwissenschaftlichen Denkens ein verhältnismäßig gerader Weg zur Lösung...« (Riemann Musiklexikon)Seit Beginn der elektrischen Schallaufzeichnung ist der Tonmeister als »Klangregisseur« bei der Aufnahme natürlich dem Komponisten und dem Interpreten, aber auch dem Hörer verpflichtet. Die Mittel zur Tonaufzeichnung sind hinlänglich bekannt. Die Kriterien für ihren Einsatz bestimmt das Ohr. Deshalb für den Hörer hier eine Beschreibung unserer Hörvorstellung. Lifehaftigkeit In der Gewißheit, daß der Konzertsaal im Wohnzimmer (leider) nicht realisierbar ist, konzentriert sich unser Bemühen darauf, die Illusion einer Wirklichkeit zu vermitteln. Die Musik soll im Hörraum so wiedererstehen, daß spontan der Eindruck der Unmittelbarkeit entsteht, das lebendige Klanggeschehen mit der ganzen Atmosphäre der »Lifehaftigkeit« erlebt wird. Da wir praktisch ausschließlich menschliche Stimmen und »klassische« Instrumente - auch sie haben ihren Ursprung im Nachahmen der Stimme - aufnehmen, konzentriert sich unsere Klangvorstellung auf natürliche Klangbalance und tonale Ausgeglichenheit im Ganzen, und instrumentenhafte Klangtreue im Einzelnen. Darüber hinaus natürliche, ungebremste Dynamik und genaueste Auflösung auch der feinsten Spannungsbögen. Weitestgehend bestimmend für die Illusion der Lifehaftigkeit ist auch die Ortbarkeit der Klangquellen im Raum: freistehend, dreidimensional, realistisch.Musik entsteht im Raum Um diesen »Klangrealismus« einzufangen, ist bei den Aufnahmen von MDG eine natürliche Akustik unbedingte Voraussetzung. Mehr noch, für jede Produktion wird speziell in Hinblick auf die Besetzung und den Kompositionsstil der passende Aufnahmeraum ausgesucht. Anschließend wird »vor Ort« die optimale Plazierung der Musiker und Instrumente im Raum erarbeitet. Dieser ideale »Spielplatz« ermöglicht nun nicht nur die akustisch beste Aufnahme, sondern inspiriert durch seine Rückwirkung die Musiker zu einer lebendigen, anregenden Musizierlust und spannender Interpretation. Können Sie sich die Antwort des Musikers vorstellen auf die Frage, ob er lieber in einem trockenen Studio oder in einem Konzertsaal spielt?Die Aufnahme Ist der ideale Raum vorhanden, entscheidet sich der gute Ton an den Mikrofonen - verschiedene Typen mit speziellen klanglichen Eigenheiten stehen zur Auswahl und wollen mit dem Klang der Instrumente im Raum in Harmonie gebracht werden. Ebenso wichtig für eine natürliche Abbildung ist die Anordnung der Mikrofone, damit etwa die richtigen Nuancen in der solistischen Darstellung oder die Kompensation von Verdeckungseffekten realisierbar werden. Das puristische Ideal »nur zwei Mikrofone« kann selten den komplexen Anforderungen einer Aufnahme mit mehreren Instrumenten gerecht werden. Aber egal wie viele Mikrofone verwendet werden: Stellt sich ein natürlicher Klangeindruck ein, ist die Frage nach dem Zustandekommen des »Lifehaftigen« zweitrangig. Entscheidend ist, es klingt so, als wären nur zwei Mikrofone im Spiel.Ohne irgendwelche »Verschlimmbesserer« wie Filter, Limiter, Equalizer, künstlichen Hall etc. zu benutzen, sammeln wir die Mikro-Wellen übertragerlos in einem puristischen Mischpult und geben das mit elektrostatischem Kopfhörer kontrollierte Stereosignal linear und unbegrenzt an den AD-Wandler und zum digitalen Speicher weiter. Dadurch bleiben auch die feinsten Einschwingvorgänge erhalten. Auf der digitalen Ebene wird dann ohne klangmanipulierende Eingriffe mit dem eigenen Editor in unserem Hause das Band zur Herstellung der Compact Disc für den Hörer erstellt, für Ihr hoffentlich großes Hörvergnügen. Mehr Info... |
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