
Michael Schneider spielt - Blockflötenkonzerte von Fasch, Schickhardt, Scheibe u.a
Blockflöten-Schmuckstücke
Label/Verlag: cpo
Detailinformationen zum besprochenen Titel
Spätbarocke Höhepunkte auf der Blockflöte: Michael Schneider und die Cappella Academica Frankfurt mit einer rundum überzeugenden Einspielung einiger interessanter Konzerte.
Um die Mitte des 18. Jahrhunderts wurde die Blockflöte allmählich aus dem Kreis der solistisch gebrauchten Instrumente verabschiedet, nach einem bedeutenden Höhepunkt im konzertanten Einsatz etwa bei Antonio Vivaldi. Auch in den Zentren deutscher Musikpflege findet sich ein Echo darauf – das dokumentiert die vorliegende Platte, die sechs Konzerte aus deutschen Federn vereint. Sechsmal wird eine Altblockflöte mit charmanten, konzentrierten Orchesterbesetzungen konfrontiert. Das Konzert von Johann Friedrich Fasch (1688-1758) – hier als Ersteinspielung zu hören – ist eine echte Repertoirebereicherung, in den Ecksätzen hochvirtuos, im Largo mit kontemplativen Qualitäten und damit den repertoirebestimmenden Werken Vivaldis durchaus ähnlich. Bei einem g-Moll-Konzert von Johann Christian Schickhardt (ca. 1682-ca. 1760) trifft der Hörer auf eine etwas konventionellere lineare Ausarbeitung und einfachere, gleichwohl tragfähige Strukturen. Aber auch hier wird die Besetzung souverän und stilsicher gehandhabt, tritt die Soloflöte zum Beispiel in schöne Interaktion mit der Oboe.
Johann Adolf Scheibes (1708-1776) ebenfalls erstmal eingespieltes Konzert in B-Dur entspricht ganz dem ästhetischen Ideal, dass Scheibe selbst in Abgrenzung zum Werk Johann Sebastian Bachs formuliert hatte: Die melodische Invention steht im Mittelpunkt, klangliche Eleganz dominiert, freilich auf Kosten struktureller Reduzierung und Vereinfachung – Fasch richtet sich bereits erkennbar nicht mehr unbedingt an den klangredegeschulten Hörer des Barock. Von besonderem Interesse ist noch das F-Dur-Konzert von Christoph Graupner (1683-1760): Der zeigt sich im Vergleich zu seinen unmittelbaren Zeitgenossen einmal mehr als sehr eigenständiger Kopf, schon der etwas zerklüftet wirkende Beginn des ersten Allegro zeigt das. Konzertantes Geschehen vollzieht sich bei Graupner weniger im Wechsel von Solo und Tutti als vielmehr in beständiger Interaktion von Flöte und Orchestersatz. Auch das stimmungssatte Andante bietet neben einer intensiv komponierten atmosphärischen Dichte gleichsam ‚zerbrochene’ Linien der Flöte. Zu diesen vier Konzerten treten Arbeiten von Johann Christian Schultze (ca. 1680-1740) und Mattheus Nikolaus Stulick (ca. 1700-1740), die durchaus nicht ohne Eleganz sind, kompositorisch aber doch nicht das ganz große Gewicht aufweisen.
Rundum gelungen
Michael Schneider spielt den Solopart dieser Konzerte leicht, beweglich und mit wunderbar unforcierter Tongebung. Seine behände Geläufigkeit kommt der unangestrengten Frische der Kompositionen deutlich entgegen – Ausnahme ist das technisch ambitionierte, virtuose Konzert Faschs: Und auch hier zeigt sich Schneider technisch absolut souverän und sattelfest. Es gelingt ihm, die klanglich wunderbar harmonischen Instrumente ein insgesamt selbstverständlicher Teil des Gesamtklangs sein zu lassen. Der wird von dem konzentrierten, zwar präsenten aber doch in deutlicher Begleithaltung agierenden Ensemble der Cappella Academica Frankfurt entscheidend geprägt. Es ist in der Summe nicht mehr – aber vor allem: nicht weniger – als ein überzeugend ausgebauter, den barocken Instrumentaltypologien entsprechender Ensembleklang. Obligate Qualitäten gehören ebenso selbstverständlich dazu wie ein farbiger Basso continuo.
Einen maßgeblichen Beitrag zur hohen Qualität der Platte leistet das Klangbild: Es zeichnet sich durch Klarheit und Transparenz aus, ist zugleich angenehm erwärmt und bildet hohe und tiefe Register balanciert ab. Schneider findet zusammen mit den anderen Instrumentalisten zu entschiedenen Tempi, konturiert die Folge der Sätze klar und gelungen. Dynamisch ergibt sich manch schöner Effekt aus dem Wechsel von solistischen und durch das Ensemblespiel geprägten Passagen. Eine besondere Qualität liegt in der aktiv gestalteten, beredt eingesetzten Artikulation, die so ganz dem barocken Ideal entspricht.
Insgesamt gelingt eine frische, trotz der Präsenz des Soloinstruments ensembleorientierte Deutung gewichtiger Kompositionen. Die Blockflöte Michael Schneiders ist dabei mehr Teil einer konzertierenden Gesamtstruktur als eine dominante Klanggröße. Schneider profiliert sich einmal mehr als Solist mit bemerkenswerten Fähigkeiten in Sachen Technik, Klangsinn und durchdachter programmatischer Arbeit. Besonders interessant sind die Ersteinspielungen des virtuosen Konzerts Faschs und die stilistisch eigenständige Komposition Scheibes – als echte Bereicherungen des Repertoires.
Interpretation: Klangqualität: Repertoirewert: Booklet: |
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Detail-Informationen zum vorliegenden Titel:
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Michael Schneider spielt: Blockflötenkonzerte von Fasch, Schickhardt, Scheibe u.a |
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Label: Anzahl Medien: Veröffentlichung: |
cpo 1 20.05.2010 |
Medium:
EAN: |
CD
761203753420 |
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Fasch, Johann Friedrich |
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cpo Wohl kaum ein zweites Label hat in letzter Zeit soviel internationale Aufmerksamkeit erregt wie cpo. Die Fachwelt rühmt einhellig eine überzeugende Repertoirekonzeption, die auf hohem künstlerischen Niveau verwirklicht wird und in den Booklets eine geradezu beispielhafte Dokumentation erfährt. Der Höhepunkt dieser allgemeinen Anerkennung war sicherlich die Verleihung des "Cannes Classical Award" für das beste Label (weltweit!) auf der MIDEM im Januar 1995 und gerade wurde cpo der niedersächsische Musikpreis 2003 in "Würdigung der schöpferischen Leistungen" zuerkannt.
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