
Panufnik, Andrzej - Orchesterwerke vol. 1
Polnisch-englische Stimme
Label/Verlag: cpo
Detailinformationen zum besprochenen Titel
CPO legt eine insgesamt sehr gelungene Aufnahme von Orchesterwerken von Andrzej Panufnik vor.
Andrzej Panufnik (1914–1991) war lange Zeit ein von der Politik unterdrückter Komponist. Der gebürtige Warschauer überlebte nationalsozialistische und später sozialistische Unterdrückung, doch 1954, nach dem Tod seines Vaters und seiner Tochter, konnte er sich nicht länger den Repressalien unterordnen und ließ sich in England nieder. Damit hörte er in Polen gewissermaßen auf zu existieren. Nur wenig wurde sein Schaffen aber auch in Großbritannien gepflegt – erst in den letzten fünfzehn Jahren, also erst nach seinem Tod hat seine Musik eine Renaissance erlebt, von der insbesondere seine Orchesterwerke betroffen sind. cpo legt nun in Zusammenarbeit mit dem polnischen Rundfunk die erste Folge seiner symphonischen Werke vor. Das zuerst entstandene Werk ist die 'Heroische Ouvertüre' des Vierundzwanzigjährigen, die 1939 nach dem Einmarsch der deutschen Armee in Polen entstand; Panufnik wollte dem tapferen Widerstand des polnischen Volkes ein Werk widmen und nutzte als zentralen Gedanken das patriotische Lied Warszawiank. Die Komposition ist noch auf dem Weg zu Panufniks ureigenstem Stil, einer erweiterten Tonalität, und enthält noch ein paar affirmative Wendungen, die sich so in Panufniks Schaffen später nicht mehr finden. Die 'Tragische Ouvertüre' entstand 1942 (rekonstruiert 1945, revidiert 1955) „unter der Einwirkung von Angst und alltäglichem Schrecken und dem Gefühl, dass es noch schlimmer kommen würde“; ein kraftvolles und bedrückendes Werk. Es mit Schostakowitsch oder Prokofjeff vergleichen zu wollen, würde Panufniks eigene Kreativität schmälern. Erweist doch seine 'Nocturne', 1947 entstanden (revidiert 1955), dass man ebenso gut Einflüsse von Britten unterschieben könnte. Vielmehr allerdings scheint es sich hier auch um einen typisch polnischen Stil zu handeln, dessen Verwandtschaft man auch in Werken Witold Lutoslawskis oder Henryk Góreckis begegnen kann. Immer wieder haben das Schlagwerk und das Klavier prominente Rollen in Panufniks orchestralen Texturen, doch bleiben seine Klangfarben immer äußerst vielgestaltig und phantasievoll.
Nach seiner Flucht aus Polen und Übersiedlung nach England wurde Panufniks Klangsprache vielfach milder, meditativer. Das 'Katyn Epitaph' für kleines Orchester entstand 1967 (revidiert 1969) als Memorial für 15000 polnische Kriegsgefangene, die 1943 durch die russische Armee im Wald von Katyn umgebracht worden waren. Ein herbes Werk, in dem einzelne Soloinstrumente (u.a. Violine, Flöte, Oboe, Fagott), später auch das ganze Orchester (mit nur der Tuba als Blechblasinstrument) das Gedenken des Einen an die Vielen in einem großen Adagio ausbreiten, wurde es in der Carnegie Hall durch Leopold Stokowski uraufgeführt. Das Symphonische Vorspiel 'A Procession for Peace' entstand unmittelbar nach Panufniks 'Sinfonia Votiva' 1982-3 für das Friedensjahr 1983 als Auftragskomposition des Greater London Council und erlebte seine Uraufführung bei den Freiluftkonzerten im Schlosspark von Kenwood House. Die Widmung des Werks richtet sich an „die friedliebenden Menschen jeder Rasse und Religion, jeder politischen und philosophischen Glaubensrichtung“. Auch hier haben wir ein eher meditatives Werk, das sich aber zu einem strahlenden Friedensappell steigert. Das die CD schließende Werk 'Harmony. A Poem' entstand 1989 als Panufniks letzte reine Orchesterkomposition (1990-1 folgte noch das Cellokonzert für Mstislaw Rostropowitsch). Es handelte sich um eine Auftragskomposition des New York Chamber Symphony Orchestra und ist Panufniks Frau Camilla zur Silberhochzeit gewidmet. Panufnik selbst betonte das „warme und lyrische Klima“ der Komposition – sein Ziel war es, harmonisch, melodisch-kontrapunktisch, in den Orchesterklangfarben wie in der Metrik ein Gleichgewicht herzustellen. Das Orchester ist in zwei Gruppen – Bläser versus Streicher – aufgeteilt und aus diesem Dialogisieren ergibt sich eine äußerst dichte, gleichzeitig ohne extreme Akzente auskommende Komposition.
Das polnische Radio-Sinfonie-Orchester unter der Leitung seines Chefdirigenten Lukasz Borowicz beherrscht Panufniks Idiom perfekt – etwa die verschwimmenden Streicherklänge im 'Nocturne', die feinen Klangmischungen im 'Katyn Epitaph' und in 'Harmony', aber auch die kraftvollen Ausbrüche in der 'Tragischen Ouvertüre' und der 'Heroischen Ouvertüre' und die monumentale Steigerung in der 'Procession for Peace'. Ein insgesamt recht informatives (viersprachiges) Booklet und in jeder Hinsicht untadelige Tontechnik vervollständigen den überaus positiven Einblick in das kompositorische Schaffen eines bedeutenden Komponisten des 20. Jahrhunderts.
Interpretation: Klangqualität: Repertoirewert: Booklet: |
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Detail-Informationen zum vorliegenden Titel:
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Panufnik, Andrzej: Orchesterwerke vol. 1 |
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Label: Anzahl Medien: Veröffentlichung: |
cpo 1 20.02.2010 |
Medium:
EAN: |
CD
761203749720 |
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cpo Wohl kaum ein zweites Label hat in letzter Zeit soviel internationale Aufmerksamkeit erregt wie cpo. Die Fachwelt rühmt einhellig eine überzeugende Repertoirekonzeption, die auf hohem künstlerischen Niveau verwirklicht wird und in den Booklets eine geradezu beispielhafte Dokumentation erfährt. Der Höhepunkt dieser allgemeinen Anerkennung war sicherlich die Verleihung des "Cannes Classical Award" für das beste Label (weltweit!) auf der MIDEM im Januar 1995 und gerade wurde cpo der niedersächsische Musikpreis 2003 in "Würdigung der schöpferischen Leistungen" zuerkannt.
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