
And the sun darkened - New York Polyphony
Luxusklang zur Passionszeit
Label/Verlag: BIS Records
Detailinformationen zum besprochenen Titel
Mit New York Polyphony ist in diesem feinen Programm ein echtes Luxusensemble zu erleben: Die klug konzipierte Platte für die Passionszeit bietet eine mehr als schöne Alternative zum vertrauten Kanon.
Das amerikanische Vokalquartett New York Polyphony ist bislang stets mit überzeugenden Programmideen hervorgetreten, ganz ohne simple Repertoirereproduktion. Auch auf der aktuell beim Label BIS erschienenen Platte ist das der Fall – ein kluger Gedanke zur Passionszeit, dem die Auswahl folgt und das durchaus abseits zur Unkenntlichkeit ausgetretener Pfade. Das 'Officium de Cruce' von Loyset Compère (ca. 1445-1518) ist der Kern, auf den alles zusteuert: Eine schöne Alternative für die Karwoche; im Vergleich zu den einschlägigen Werken der großen spanischen Zeitgenossen und Nachfolger, die natürlich niemand missen möchte, wirkt diese neunteilige Motettenfolge lichter, nicht aber weniger stimmungsvoll.
Zu Beginn ist schon einmal Compère zu hören, mit der fabelhaft gelungenen Motette 'Crux triumphans', danach folgt Josquin Desprez (ca. 1450-1521) mit 'Tu pauper refugium' – ein wahrhaft wertiges Doppel zum Programmauftakt. Dann folgt – kontrastierend und doch in Verbindung stehend – 'Salme 55' von Andrew Smith (geb. 1970), das die Formen 'klassischen' Psalmodierens aufgreift, von diesen wie ein roter Faden durchzogen wird, sich aber Schritt für Schritt in harmonische Avance auffächert. Dann folgt wiederum eine Stimme aus der Renaissance, Adrian Willaert (ca. 1490-1562) mit der zunächst textlich interessanten Doppelmotette 'Pater noster – Ave Maria', die dann auch klanglich üppig sich verströmt, in dichtem Satz und konzentrierter Geste.
Wiederum ein kreativer Bruch bringt uns zum Esten Cyrillus Kreek (1889-1962), dessen stimmungssatter, harmonisch reicher Psalm 22 eine eigene attraktive Klangwelt formuliert. Dann folgt das schon angesprochene, fast zwanzigminütige 'Officium de Cruce'. Am Schluss steht mit Pierre de la Rue (ca. 1542-1518) ein weiterer berühmter Zeitgenosse von Compère, ein Meister der Klangkunst, der Noblesse und der Schlichtheit in einem, dessen 'O salutaris hostia' allerbesten Eindruck macht.
Perfekt harmonierendes Ensemble
Interessant an diesem Programm zur Passionszeit ist nicht nur die teilweise enge Zeitgenossenschaft der Renaissance-Meister, es sind auch die weiteren angerissenen Sphären, die das Ohr öffnen und für die Präsentation einnehmen. Dafür sind natürlich in allererster Linie die vier Herrn von New York Polyphony selbst verantwortlich: Geoffrey Williams als Countertenor, Steven Caldicott Wilson als Tenor, Christopher Dylan Herbert als Bariton und Craig Philips als mächtiges Bassfundament. Zusammen sind sie unverkennbar und edel im Klang, dank hervorragenden Profils der Einzelstimmen, die sämtlich individuell bemerkenswerte Qualitäten haben und diese auch bei der Interpretation des Satzes von Andrew Smith zur Geltung bringen und entfalten. Besondere Qualitäten prägen aber vor allem das Zusammenwirken: Es werden hochdelikate Linien zu einem lebendigen Geflecht verbunden. In jeden Satz, in jeden Stil bringen die vier Vokalisten ihr enormes Potenzial ein. Ergebnis ist ein rundum harmonischer, kompletter Klang, der keinen Vergleich zu scheuen braucht und in allen relevanten Parametern ohne Makel ist.
Ein frischer Fluss sichert die Bewegung der Sätze, im Zweifel wird die bewegtere der statischen Geste gegenüber bevorzugt. Dynamisch loten die vier einen weiten Raum aus, schattieren sehr fein, werfen sich aber auch mit Überzeugung in kraftvolle Entwicklungen, mit stimmlicher Attacke auf der Basis einer stupenden Technik. Die Intonation ist perfekt, rein und lebendig; bei allem Sinn für feine Nuancen nicht durch Vorsicht erkauft, bleibt sie auch in gesteigerter Haltung und vollem Klang frei und makellos. Gesungen wird in einer Kunst der großen Bögen, in lebendigen, plausiblen Linien. Das artikulatorische Repertoire des Ensembles greift aber viel weiter aus, schließt flächige Harmonik oder scharf konturierte vokale Gesten mit ein. Das technische Klangbild ist rundum perfekt zu nennen: Groß und präzis, erwärmt und dennoch klar, ein Spiegel des gesamten Ensembles und zugleich mit plastischem Reflex der Register – all das Versehen mit einer noblen räumlichen Wirkung.
Mit New York Polyphony ist in diesem feinen Passionsprogramm ein echtes Luxusensemble zu erleben: Im vergangenen Jahrzehnt hat sich die Formation mit einem steilen Aufstieg eindrucksvoll in der allerersten Reihe klein besetzter Vokalensembles in diesem Repertoire etabliert. Diese klug programmierte Platte für die Passionszeit bietet eine mehr als schöne Alternative zum vertrauten Kanon.
Interpretation: Klangqualität: Repertoirewert: Booklet: |
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Detail-Informationen zum vorliegenden Titel:
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And the sun darkened: New York Polyphony |
|||
Label: Anzahl Medien: |
BIS Records 1 |
Medium:
EAN: |
CD SACD
7318599922775 |
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BIS Records Most record labels begin with a need to fill a niche. When Robert von Bahr founded BIS in 1973, he seems to have found any number of musical niches to fill. The first year's releases included music from the renaissance, Telemann on period instruments, Birgit Nilsson singing Sibelius and works by 29 living composers - Ligeti and Britten as well as Rautavaara and Sallinen - next to Purcell, Mussorgsky and Richard Strauss. A musical chameleon was born, a label that meant different things to different - and usually passionate - devotees. Mehr Info... |
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