
Grieg, Edvard - Olav Trygvason op. 50
Goldwerte Fragmente
Label/Verlag: BIS Records
Detailinformationen zum besprochenen Titel
Eine weitere Meisterleistung von Ole Kristian Ruud und dem Philharmonischen Orchester Bergen. Dass Grieg als Dramatiker - zumindest bei solcher Interpretation - zu höchsten Meriten gekommen wäre, zeigt diese exzellente Einspielung.
Es gibt Sachen in der Musikgeschichte, die nicht so tragisch sind. Etwa, dass Mozart kein Tubakonzert geschrieben hat oder Vivaldi keine Kammeroper mit Live-Elektronik oder Machaut keine Serenade für 14 Schlagzeuger. Aber dass Edvard Grieg seine angefangene Oper ‘Olav Trygvason’ nicht vollendet hat, gehört zu den wirklich tragischen Kapiteln der Musikhistorie. Zu diesem Schluss wird wohl jeder kommen, der sich das Fragment von ‘Olav Trygvason’ op. 50 in der eben erschienenen Einspielung mit Ole Kristian Ruud und dem Philharmonischen Orchester Bergen anhört. In den drei Szenen steckt eine geballte dramatische Kraft, die Griegs andere Seiten (neben dem bekannten Lyriker) ohrenfällig macht.
Mit drastischer Wucht
Die Zusammenarbeit des Philharmonischen Orchesters aus dem norwegischen Bergen mit dem ebenfalls norwegischen Dirigenten Ole Kristian Ruud bescherte dem Klassikmarkt bereits einige hochkarätige Aufnahmen, die in keiner Plattensammlung fehlen dürfen. Was bisher jedes Mal aufs Neue überzeugte, die enorme Spannweite des Orchesterklangs zwischen innigstem Streicherschmelz und deftiger Kernigkeit, kommt auch in dieser Einspielung positiv zum Tragen. Die drei Szenen aus ‘Olav Trygvason’ interpretiert Ruud mit einem Furor, der seinesgleichen sucht. Jene Mischung aus dunklem ‘Götterdämmerung’-Orchesterklang und unheimlichem Wolfsschlucht-Sound, Angst und Schrecken verbreitenden Chören und der überschaubaren Menge an Personen (drei an der Zahl), macht diese Szenen zu Höhepunkten der romantischen Oper. Was hätte daraus werden können, wenn der Textdichter Bjørnstjerne Bjørnson das Libretto vollendet hätte – und Grieg auf gleichem Niveau die Historien-Oper zu Ende komponiert hätte! In den drei Szenen wird Dramatik aufs Höchste verdichtet, vor allem im Orchester: Gellende Laute des gestopften Horns fahren in den Orchesterklang, wildes Gebraus und tollkühne Ausgelassenheit beherrschen die Stimmungswelt. Ole Kristian Ruud führt mit energischem Impetus das exzellente Bergener Philharmonische Orchester durch die Partitur, die Chöre verdichten die Spannung, die Solisten sorgen für Dramatik. Sowohl Trond Halsein Moe als Opferpriester, Solveig Kringelborn als (nicht weiter spezifizierte) Frau und Ingebjørg Kosmo als die weissagende Vølva meistern ihren Part höchst beachtlich. Wenn man bei dieser Musik nicht zum Heiden wird, wird man’s nimmer.
Starke Szene, lyrische Lieder
Ohne die orchestralen Möglichkeiten so effektvolle einzusetzen wie in den Szenen aus ‘Olav Trygvason’ schafft Grieg in der opernhaften Szene ‘Foran Sydens Kloster’ op. 20 eine gespannte Dramatik aus dem Dialog zwischen der rastlosen, ängstlichen Frau, die Vater und Mann verloren hat und der Nonne innerhalb der Klostermauern. Ohne Scheu vor dem theatralischen, pathetischen Effekt kosten Ruud, das Orchester und der Chor (sehr hell und voll: der Chor Voci Nobili) und vor allem die hevorragenden Solisten Solveig Kringelborn und Ingebjørg Kosmo den überwältigenden Klang des abschließenden Chorals (natürlich mit Orgel) aus.
In den folgenden sechs Liedern präsentiert sich Marita Solberg als Idealbesetzung für Griegs lyrische Kleinode. Mit ihrem eher dunklen, aber dennoch jugendlich-leicht wirkenden Sopran scheint Marita Solberg die optimale Interpretin der Solveig-Lieder aus ‘Peer Gynt’. Vor allem auch, weil ihre Stimmfärbung exakt zum dunklen, geschmeidigen Streicherklang des Philharmonischen Orchesters Bergen passt. Solveig Kringelborn wäre für diese Lieder sicherlich eine ebenso qualifizierte Interpretin gewesen, doch würde ihre glockenklare, hell timbrierte Stimme sich nicht so organisch mit dem Klang des Orchesters mischen. Mit Marita Solberg hatte Ruud eine vortreffliche Wahl getroffen. In ‘Solveigs Vuggevise’ op. 23 Nr. 26 schafft es die Sopranistin eine fast sprechende Diktion mit voller Stimme zu verbinden, eine erschaudernd schöne Interpretation.
Dass die orchestralen Farben des von Ruud meisterlich geführten Orchester so schillernd leuchten und die Nuancen des Vokalen so deutlich hörbar sind, liegt zu einem Gutteil an der kongenialen Aufnahmetechnik. Die SACDs von BIS gereichen derzeit audiophilen Ansprüchen. Unglaublich gut.
Interpretation: Klangqualität: Repertoirewert: Booklet: |
![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() |
Dieser Beitrag hat Ihnen gefallen? Empfehlen Sie ihn weiter!
Ihre Meinung? Kommentieren Sie diesen Artikel
Jetzt einloggen, um zu kommentieren.
Sind Sie bei klassik.com noch nicht als Nutzer angemeldet, können Sie sich hier registrieren.
Detail-Informationen zum vorliegenden Titel:
![]() Cover vergrößern |
Grieg, Edvard: Olav Trygvason op. 50 |
|||
Label: Anzahl Medien: Veröffentlichung: |
BIS Records 1 21.11.2006 |
Medium:
EAN: |
SACD
7318599915319 |
![]() Cover vergössern |
BIS Records Most record labels begin with a need to fill a niche. When Robert von Bahr founded BIS in 1973, he seems to have found any number of musical niches to fill. The first year's releases included music from the renaissance, Telemann on period instruments, Birgit Nilsson singing Sibelius and works by 29 living composers - Ligeti and Britten as well as Rautavaara and Sallinen - next to Purcell, Mussorgsky and Richard Strauss. A musical chameleon was born, a label that meant different things to different - and usually passionate - devotees. Mehr Info... |
![]() Cover vergössern |
Jetzt kaufen bei...![]() |
Weitere Besprechungen zum Label/Verlag BIS Records:
-
Musikalisch packend, klanglich hochdifferenziert: Das jeweils zweite Konzert für Violine und Violoncello aus der Feder des finnischen Tondichters Kalevi Aho – optimal präsentiert von engagierten Interpreten. Weiter...
(Dr. Michael Loos, )
-
Plädoyer für eine schwedische Spätromantikerin : Helena Munktell wird mit einer Auswahl ihrer kammermusikalischen Werke gewürdigt. Weiter...
(Karin Coper, )
-
Vereinte Kulturen: Osmo Vänskä setzt sich in vorzüglicher Weise für Isang Yun ein. Weiter...
(Dr. Jürgen Schaarwächter, )
Weitere CD-Besprechungen von Dr. Tobias Pfleger:
-
Tiefe persönliche Betroffenheit: Das Atos Trio nimmt mit einer glühend intensiven Aufnahme zweier tschechischer Klaviertrio-Meisterwerke für sich ein. Weiter...
(Dr. Tobias Pfleger, )
-
Durchdringung: Das Wiener Klaviertrio eröffnete mit gewohnter Klasse eine neue Reihe der Brahms-Klaviertrios. Weiter...
(Dr. Tobias Pfleger, )
-
Geist der Vergangenheit: Masaaki Suzuki nähert sich Strawinskys Neoklassizismus im Geist der Alten Musik. Weiter...
(Dr. Tobias Pfleger, )
Weitere Kritiken interessanter Labels:
-
Russische Cello-Raritäten: Marina Tarasova stellt hier zwei bemerkenswerte russische Cellosonaten des 20. Jahrhunderts vor. Weiter...
(Dr. Jan Kampmeier, )
-
Nicht verwandt und nicht verschwägert: Klaviermusik vom Mozart-Freund. Weiter...
(Dr. Jürgen Schaarwächter, )
-
Federleicht wie Träume: Aufbruch in die Klangwelten Salvatore Sciarrinos. Weiter...
(Michael Pitz-Grewenig, )
Portrait

"Man muss das Ziel kennen, bevor man zur ersten Probe erscheint."
Der Pianist und Organist Aurel Davidiuk im Gespräch mit klassik.com.
Sponsored Links
- Opernreisen und Musikreisen bei klassikreisen.de
- Konzertpublikum
- Musikunterricht
- klassik.com Radio
- Urlaub im Schwarzwald
- Neue Musikzeitung
- StageKit - Websites für Musiker, Veranstalter und Konzertagenturen
Hinweis:
Mit Namen oder Initialen gekennzeichnete Beiträge geben die Meinung des Verfassers,
nicht aber unbedingt die Meinung der Redaktion wieder.
Die Bewertung der klassik.com-Autoren:
Überragend
Sehr gut
Gut
Durchschnittlich
Unterdurchschnittlich