
Crecquillon, Thomas - Missa Mort m' a privé
Von der Grösse des Unbekannten
Label/Verlag: Hyperion
Detailinformationen zum besprochenen Titel
Stephen Rice gestaltet ein dynamisch weit angelegtes Tableau und führt die Sänger in großen Zyklen des An- und Abschwellens zu einer Phrasierung von enormer Spannweite.
Selten genug waren die ehelichen Verbindungen der gekrönten Häupter in der Vergangenheit mit gegenseitiger persönlicher Zuneigung oder gar Liebe verbunden. Wenn es, wie im Fall des habsburgischen Kaisers Karl V. und seiner portugiesischen Gemahlin Isabella dann doch einmal der Fall war, scheint die Tragik der Verbindung fast zwangsläufig: Karl verlor seine Frau 1539, dreizehn Jahre nach der Hochzeit, im Kindbett.
Dass wir in der Gegenwart eindrucksvolle Zeugnisse dieser Liebe haben, verdankt die Nachwelt dem Kunstsinn Karls: Nach dem Tode Isabellas beauftragte er zum einen den großen Renaissancemaler Tizian, eine Reihe von Porträts Isabellas und mehrere Bilder des Kaiserpaares zu malen. Ein anderes Dokument der Liebe Karls ist in der Messe ‚Mort m’a privé’ des zu jener Zeit in kaiserlichen Diensten stehenden Thomas Crecquillon zu sehen, den Karl aus diesem Anlass und auch später noch mehrfach mit der Komposition einer angemessenen Trauermusik beauftragte.
Crecquillon hatte unter seinen Zeitgenossen und in der näheren musikalischen Nachwelt einen exzellenten Ruf – so bezeichnete Claudio Monteverdi ihn als einen der großen Meister des klassischen vokalpolyphonen Stils. Dennoch ist er dem heutigen Hörer nicht mehr so präsent wie mancher seiner Komponistenkollegen, liegt das Leben des um 1557 gestorbenen Komponisten weitgehend im Dunkeln und sprechen vor allem seine Kompositionen zu uns.
Als kaiserlicher Kapellmeister oblag Crecquillon selbstverständlich die kompositorische Arbeit in verschiedensten musikalischen Gattungen. Besonderen Raum nehmen neben seinem motettischen Werk Vertonungen des Messtextes und weltliche Chansons ein, die im Fall der vorliegenden Einspielung auch die Grundlage der Messe waren.
Stil
Die Musik Crecquillons ist varianten- und beziehungsreich, das verzwickte und reflektierte Selbstzitat eine Essenz seiner Arbeitsweise. Alle Sätze sind sehr dicht gearbeitet und bilden breite Ströme, die in langfristigen Strukturen entfaltet werden. Besondere Kennzeichen sind dabei eine avancierte Dissonanzbehandlung und manch charakteristische Schlussgestaltung, die immer wieder sehr individuelle Momente in den ansonsten souverän beherrschten Strukturen und technischen Grundlagen erkennbar werden lassen. Dass sich über weite Strecken eine ruhevolle Entspanntheit über die komplexen kompositorischen Gebilde legt, ist nicht der unzuverlässigste Hinweis auf die reife Meisterschaft Crecquillons.
In den ebenfalls eingespielten motettischen Sätzen agiert der Komponist noch freier, findet durch den prägnanten Einsatz dissonanter Entwicklungen zu einem intensiven Ausdruck des Klagens und Trauerns. Auch hier zeigt sich in der Emanzipation vom formal korrekten und bloß souveränen Stil die Größe Crecquillons, indem er zu persönlichen Akzenten und eigenständigen Lösungen findet.
Gute Anwälte
Das ‚Brabant Ensemble’ des englischen Musikologen und Dirigenten Stephen Rice erweist sich als kompetent und gut gerüstet: In einem klaren, gut durchhörbaren, eher höhenlastigen Klangbild arbeitet es die linearen Stränge plastisch heraus. Die sehr kontrollierten Register finden erkennbar zu einem gemeinsamen Klangideal, haben aber auch jeweils genügend Substanz für alle Anforderungen der Musik. Doch sind es besonders die klanglich dezenten, delikaten Momente, die einen besonderen Reiz in der Interpretation des Ensembles ausmachen.
Stephen Rice gestaltet ein dynamisch weit angelegtes Tableau und führt die Sänger in großen Zyklen des An- und Abschwellens zu einer Phrasierung von enormer Spannweite. Und so ist die Interpretation im Grunde einfach, aber eben doch sehr angemessen und zugleich effektvoll: Rice lässt dem linearen Element den notwendigen Entfaltungsspielraum, setzt anstatt auf überhastete und künstlich gebrochene Gegensätze auf die langfristigen Entwicklungen der einzelnen Sätze.
Interpretation: Klangqualität: Repertoirewert: Booklet: |
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Detail-Informationen zum vorliegenden Titel:
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Crecquillon, Thomas: Missa Mort m' a privé |
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Label: Anzahl Medien: Veröffentlichung: |
Hyperion 1 21.07.2006 |
Medium:
EAN: |
CD
034571175966 |
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Hyperion Founded in 1980, Hyperion is an independent British classical label devoted to presenting high-quality recordings of music of all styles and from all periods from the twelfth century to the twenty-first. We have been described as 'Britains brightest record label'. In January 1996 we were presented with the Best Label Award by MIDEM's Cannes Classiques Awards. The jury was made up of the editors of most of the leading classical CD magazines in the world - Classic CD (England), Soundscapes (Australia), Répertoire (France), FonoForum (Germany), Luister (Holland), Musica (Italy), Scherzo (Spain), and In Tune (USA & Japan). We named our label after an altogether splendid figure from Greek mythology. Hyperion was one of the Titans, and the father of the sun and the moon - and also of the Muses, so we feel we are fulfilling his modern role by giving the art of music to the world. The repertoire available on Hyperion, and its subsidiary label Helios (Helios, the sun, was the son of Hyperion), ranges over the entire spectrum of music - sacred and secular, choral and solo vocal, orchestral, chamber and instrumental - and much of it is unique to Hyperion. The catalogue currently comprises nearly 1400 CDs and approximately 80 new titles are issued each year. We have won many awards. Our records are easily available throughout the world in those countries served by our distributors. A list of the world's top Hyperion dealers, listed by country and city, can be found on our homepage. But if you have any difficulty please get in touch with the distributor in your territory. In Germany that is Note 1 Music Gmbh. Mehr Info... |
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