
Lassus - Lamentationes Jereminae Prophetae Requiem
Von den Möglichkeiten der Generalisten
Label/Verlag: signum classics
Detailinformationen zum besprochenen Titel
Das ‚Collegium Regale’ entfaltet in schmaler Chorbesetzung einen erstaunlich schlagkräftigen Klang.
Bei der großen Vielzahl leistungsstarker Formationen, die es auf dem Gebiet der Alten Musik in England gibt, geraten die ‚alteingesessenen’ Generalisten zunehmend aus dem Blick – zu souverän agieren die kleinen, spezialisierten Ensembles, zu klar scheint sich der ästhetische Trend zum solistisch besetzten Vokalklang hin zu orientieren. Doch haben auch die großen ‚Klassiker’ des englischen Musiklebens in diesem Repertoire noch etwas zu bieten:
Auf der vorliegenden Aufnahme ist mit dem ‚Collegium Regale’ ein Teil des traditionsreichen, 1441 mit dem gleichnamigen College gegründete ‚Choir fo King’s College’ zu hören. Und die 14 jungen Männer können dann doch hörbar wesentlich mehr betreiben als bloße Traditionspflege. Mit den 1585 entstandenen ‚Lamentationes Jeremiae Prophetae’ eines der Großmeister der musikalischen Renaissance, Orlandus Lassus (1532-1594), eröffnen sie das gelungen zusammengefügte Programm. Die souveränen, in melancholischer Sphäre angesiedelten Werke zeichnen sich durch weit ausladende Gesten aus. Durch den tiefen Gesamtambitus des Chorklangs gelingt es Lassus als Meister der Ausdrucksmusik und an unzähligen Madrigalen geschultem Affektkomponisten, eine tief eindrückliche Klagehaltung zu erreichen.
Diese Sphäre durchmisst der Komponist ebenso im sich anschließenden vierstimmigen Requiem aus dem Jahr 1578. Hier führt er die etwas schmalere Besetzung durch leicht überschaubare harmonische Voranschreitungen in einen wenig bewegten Strom der Klage, der sich immer wieder zu expressiveren Momenten aufstaut und verdichtet. Die ergänzend zu den größeren Werken eingespielten Motetten Lassus’ sind in ihrer kompositorischen Gestaltung etwas variabler, zeichnen sich neben einer deutlicheren Ausdruckshaltung vor allem durch eine in Hoch- und Tiefchöre geteilte Vielstimmigkeit aus.
Wunderbare Auffassung
Das ‚Collegium Regale’ entfaltet in schmaler Chorbesetzung einen erstaunlich schlagkräftigen Klang, vor allem getragen von profund-düsteren Bässen und leichten, erfreulich intonationsstarken Kontratenören. Ein glücklich austariertes Klangbild profitiert von einem schönen Raumanteil und lässt vor allem das weiche Ideal dieser Formation zur Entfaltung kommen. Dazu trägt auch die insgesamt sehr überzeugende Intonation bei, die gerade in den heiklen Randregistern vorzüglich ist. Dass im Sog der klangmächtigen Stücke die dynamische Kontrolle niemals aus dem Blick gerät, spricht für die Disziplin der Sänger ebenso wie für deren musikalisch-gestalterisches Potential. So gelingen immer wieder ganz zarte Pianissimo-Schlüsse, werden Steigerungen sehr sinnvoll aufgebaut und auf relative dynamische Höhen geführt.
Hier nun ist spätestens der Ansatz Stephen Cleoburys zu erwähnen, der dem großen vokalen Potential Raum gibt und vom Blick auf die weiträumige Entfaltung profitiert. Lassus’ Musik wird ganz souverän ermöglicht, sie entfaltet sich in großer Geste ebenso wie im delikaten Klangbild, in der Abfolge von Spannung und Entspannung und – was für eine gelungene Umsetzung derartiger Kompositionen unerlässlich ist – es wird an keiner Stelle ein interpretatorischer Druck auf die filigranen Strukturen der Musik ausgeübt. Einziges, dafür aber echtes Ärgernis ist das unentschlossen schmale, nur einsprachige und auch gestalterisch allzu knappe Booklet, das dem musikalischen Gewicht der Platte nicht gerecht wird.
Letztlich wird aber deutlich, dass auch Einspielungen von ‚Generalisten’ im heutigen Musikmarkt bestehen können und sogar mehr als das: Es kann ihnen gelingen, vorbildlich zu interpretieren.
Interpretation: Klangqualität: Repertoirewert: Booklet: |
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Detail-Informationen zum vorliegenden Titel:
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Lassus: Lamentationes Jereminae Prophetae Requiem |
|||
Label: Anzahl Medien: Veröffentlichung: |
signum classics 1 01.04.2007 |
Medium:
EAN: |
CD
635212007624 |
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