
Bach, Johann Sebastian - Das Kantatenwerk Vol. 22
Koopman zelebriert
Label/Verlag: Challenge Classics
Detailinformationen zum besprochenen Titel
Ein würdiger Abschluss des denk- und hörwürdigen Kantaten-Zyklus’ von Ton Koopman.
Es ist vollbracht: Mit Folge 22 hat Ton Koopman seinen Aufnahmezyklus der Kantaten von Johann Sebastian Bach vervollständigt. Neben BWV 30 und 80 (‚Ein feste Burg ist unser Gott’ bzw. ‚Freue dich, erlöste Schar’), zwei der spätesten Kantaten Bachs, enthält diese letzte Folge gleichsam liturgisch weiter ausgewertete Paralipomena des Kantatenschaffens der 1720er Jahre, nämlich die vier Kyrie-Gloria-Messen aus den 1730er Jahren, denen Kantatensätze der Jahre 1723 bis 1726 zugrunde liegen. Zwei Sätze aus BWV 80, die Wilhelm Friedemann Bach nach dem Tod seines Vaters bearbeitete, sowie die weltliche Kantate Angenehmes Wiederau’ BWV 30a, die Parodievorlage von BWV 30, haben ebenfalls Platz in der CD-Box gefunden.
Prompt findet sich Koopmans krönender Abschluss seines Kantaten-Zyklus’ auf der Nominierten-Liste für den ‚Midem Classical Award’ wieder. Gottlob nicht in erster Linie, weil diese Nominierten-Liste zu einem Großteil eine Liste der großen Namen ist. Sondern: selbst Folge 22 zeigt keinerlei Anzeichen von Müdigkeit, von Aufnahme-Trott und glatter Routine. Koopman zelebriert Bach in jedem Satz, in jeder Minute, in jeder Sekunde, auf jeder Note. Während Gardiner ‚seinen’ Bach mit allergrößter Perfektion und eleganter Klarheit präsentiert und dabei die tiefempfundene Ehrlichkeit seiner Interpretationen deutlich kennzeichnet, strahlt Koopmans Bach eine durchdringende Wärme aus. Anders ausgedrückt: er führt den musikalischen Satz dichter als Gardiner Er erlaubt einerseits dem Amsterdam Baroque Orchestra das intensivere Ausloten des orchestralen Klangs, andererseits dem Chor die Prominenz des gesungenen Worts. Die Balance der beiden Schichten ist es, was Koopmans Aufnahmen ausmacht. Wenn man es einmal völlig abgehoben ausdrücken möchte, ist man geneigt zu sagen, dass Gardiners Interpretationen stets dem Inhalt des 96. Psalms folgen, während Koopman ‚seinen’ Bach immerzu mit Psalm 98 ausdrückt (bitte selbst nachschlagen!).
Die Koopmann-Bach-erprobten Solisten Sandrine Piau, Johannette Zomer, Bogna Bartosz, Nathalie Stutzmann, Jörg Dürmüller, James Gilchrist, Christoph Prégardien sowie Klaus Mertens bieten abermals ausgezeichnet timbrierte, klanglich homogen ausgewogene Soli. Verlässlich in Artikulation und flexibler Plastizität in den Koloraturen, wenngleich Klaus Mertens Bass ab und an intonatorisch kapriziös wird. Frisch, glut- und elanvoll zeigt sich der Chor im polyphonen Satz in glänzender Transparenz und in den Chorälen in homogener Ausdrucksfähigkeit. Das Amsterdam Baroque Orchestra korrespondiert hiermit im warmen, stets zelebrierenden Tonfall, in ausgezeichneter Phrasierung und dezidierter Dynamik, vor allem dort, wo Koopman den Cantus firmus des Motto-Chorals besonders betonen möchte. Das ist weniger plakativ, als vielmehr die Hand des herausragenden Organisten Koopman, der die orchestrale Faktur gleichsam wie Register behandelt.
Ein wunderbar raumgreifendes Klangbild und eine profunde Werkeinführung von Christoph Wolff runden diese Einspielung bestens ab. Ein würdiger Abschluss des denk- und hörwürdigen Kantaten-Zyklus’ von Ton Koopman.
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Detail-Informationen zum vorliegenden Titel:
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Bach, Johann Sebastian: Das Kantatenwerk Vol. 22 |
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Label: Anzahl Medien: Veröffentlichung: |
Challenge Classics 3 31.07.2006 |
Medium:
EAN: BestellNr.: |
CD
608917222227 CC 72222 |
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