> > > Offenbach, Jacques: Klavierwerke Vol. 2
Freitag, 31. März 2023

Offenbach, Jacques - Klavierwerke Vol. 2

Keine Funken


Label/Verlag: cpo
Detailinformationen zum besprochenen Titel


Vielleicht würde ja bereits ein anderer Interpret dem Projekt neue Funken abgewinnen. In Offenbachs Musik jedenfalls stecken diese überreich.

Die geplante Gesamteinspielung von Jacques Offenbachs Klavierwerken bleibt leider auch in ihrer zweiten Nummer problematisch. Ein Hauptproblem ist dabei der verwendete, im Klangbild zu moderne Steinway, der den Tanz- und Unterhaltungsstücken immer wieder eine klangliche Atmosphäre aufdringt, die nach Konzertsaal, nicht aber nach Salon oder Ballsaal klingt. Mit falscher Brillanz werden hier die gekonnt gemachten, mitunter raffinierten, dann wieder nur handwerklich ordentlichen Klavierpiècen Offenbachs künstlich aufgeblasen und entstellt. Das wohl aber schwerwiegendere Problem der Aufnahmen ist ihr Pianist Marco Sollini.

Schema-F

Der Italiener gilt als Interpret und Editor von Nischenrepertoire, vornehmlich des 19. Jahrhunderts. Sollini engagiert sich immer wieder für Klavierwerk Bellinis, Donizettis, Leoncavallos, Mascagnis, Puccinis und manch anderer italienischer Opernkomponisten. Das macht er stets solide und spieltechnisch ohne Tadel. Doch was ihm fehlt, je mehr man von ihm hört, ist die Fähigkeit den Stücken jeweils eine eigene Aura, etwas Charakteristisches abzugewinnen. In der ersten Folge dieser verdienstvollen Offenbach-Reihe des Osnabrücker Labels cpo wurde dies noch weitgehend dadurch aufgefangen, dass es sich bei den Stücken um zyklische Werke handelte, um biographische Porträts (vgl. meine Rezension bei klassik.com). Hier nun auf der neuesten Kompilation der Reihe, wo 16 Einzelstücke - Walzer, Polkas, Ländler – vereint sind, entfällt dies. Auch wenn die Stücke mit sprechenden Titeln überschrieben sind – wie zum Beispiel ‚Les Boules de neige’, ‚Le Postillon’, Les Belles Américaines’ oder ‚Souvenirs de Londres’ – so klingen sie unter Sollinis Fingern allesamt mechanisch nach Schema F. Dabei überspannen die ausgewählten Werke eine Schaffensphase von gut zweieinhalb Jahrzehnten! Von einer in diesem Zeitraum stattgefunden habenden Entwicklung hört man bei Sollini jedoch nichts.

Was Marco Sollini fehlt, ist die Fähigkeit den Stücken eine adäquate Ausdruckspalette zuzuweisen. Das bloße Abspielen der Melodielinie mit ihren hier recht stereotyp klingenden Begleitfiguren reicht eben nicht aus. Die starre Metrik Sollinis unterbindet agogische Momente, es fehlt an belebender Stimmbalance, an Hebungen und Senkungen, an drive. Hinzu kommt eine nahezu pausenlos verwendete Einheitslautstärke, die ein übriges tut um jegliche Variabilität zu unterdrücken. Diese Interpretationen gehen in ihrer schematischen Abspulung durch den Pianisten nicht ins Tanzbein. Doch genau dafür ist diese Musik geschrieben worden. Diese im dritten Viertel des 19. Jahrhunderts entstandenen Stücke sind keine galanten Salonmusiken à la Chopin und schon recht keine Werke für das große Konzertpodium. Hier fehlt Sollini – aber wohl auch dem Produktionsteam – das nötige stilistische Empfinden. So verwundert es auch nicht, dass ein reichlich plattes Arrangement des bekannten ‚Galop infernal’ (besser bekannt als Offenbachs ‚Can-Can’) aus ‘Orpheus in der Unterwelt’ von Marco Sollini selbst diese enttäuschende CD beendet.

Da scheint es auch zu passen, dass der Begleittext im Beiheft hinter dem sonst üblichen cpo-Standard zurückbleibt. Lediglich die technische Seite der Produktion ist auf gewohntem Niveau. Es wäre schade, wenn diese verdienstvolle Edition in der Mittelmäßigkeit der Interpretation untergehen würde. Vielleicht würde ja bereits ein anderer Interpret dem Projekt neue Funken abgewinnen. In Offenbachs Musik jedenfalls stecken diese überreich.

Interpretation:
Klangqualität:
Repertoirewert: 
Booklet:




Uwe  Schneider Kritik von Uwe Schneider,


Dieser Beitrag hat Ihnen gefallen? Empfehlen Sie ihn weiter!

Ihre Meinung? Kommentieren Sie diesen Artikel

Jetzt einloggen, um zu kommentieren.
Sind Sie bei klassik.com noch nicht als Nutzer angemeldet, können Sie sich hier registrieren.



Detail-Informationen zum vorliegenden Titel:



Cover vergrößern

    Offenbach, Jacques: Klavierwerke Vol. 2

Label:
Anzahl Medien:
Veröffentlichung:
Spielzeit:
Aufnahmejahr:
cpo
1
18.07.2006
68:50
2005
Medium:
EAN:
BestellNr.:

CD
761203716128
CPO 777 161-2


Cover vergössern

Offenbach, Jacques
 - Abendblätter - Walzer
 - Schüler-Polka -
 - Les Boules de neige - Laendler
 - Le Fleuve d'or - Valse
 - Le Position - Galop
 - Jacqueline - Suite de valses
 - Polka du mendiant -
 - Les Contes de la Reine de Navarre - Grand valse
 - Souvenirs de Londres - Polka
 - Herminien-Walzer -
 - Madeleine - Polka-Mazurka
 - The Cellebrated Polka Dance -
 - Les Belles Américaines - Walzer
 - Burlesque Polka -
 - Valse composée au chateau du Val le 9 aout 1845 -
 - Galop infernal - Offenbach-Sollini


Cover vergössern

Interpret(en):Sollini, Marco


Cover vergössern

cpo

Wohl kaum ein zweites Label hat in letzter Zeit soviel internationale Aufmerksamkeit erregt wie cpo. Die Fachwelt rühmt einhellig eine überzeugende Repertoirekonzeption, die auf hohem künstlerischen Niveau verwirklicht wird und in den Booklets eine geradezu beispielhafte Dokumentation erfährt. Der Höhepunkt dieser allgemeinen Anerkennung war sicherlich die Verleihung des "Cannes Classical Award" für das beste Label (weltweit!) auf der MIDEM im Januar 1995 und gerade wurde cpo der niedersächsische Musikpreis 2003 in "Würdigung der schöpferischen Leistungen" zuerkannt.
Besonders stolz macht uns dabei, daß cpo - 1986 gegründet - in Rekordzeit in die Spitze vorgestoßen ist. Das Geheimnis dieses Erfolges ist einfach erklärt, wenn auch schwierig umzusetzen: cpo sucht niemals den Kampf mit den Branchenriesen, sondern füllt mit Geschick die Nischen, die von den Großen nicht besetzt werden, weil sie dort keine Geschäfte wittern. Und aus mancher Nische wurde nach einhelliger Ansicht der Fachwelt mittlerweile ein wahres Schmuckkästchen.
Am Anfang einer Repertoire-Entscheidung steht bei uns noch ganz altmodisch das Partituren-lesen, denn nicht alles, was noch unentdeckt ist, muß auch auf die Silberscheibe gebannt werden. Andererseits gibt es - von der Renaissance bis zur Moderne - noch sehr viele wahre musikalische Schätze zu heben, die oft näher liegen, als man meint. Unsere großen Werk-Editionen von Pfitzner, Korngold, Hindemith oder Pettersson sind nicht umsonst gerühmt worden. In diesem Sinne werden wir fortfahren.
Letztendlich ist unser künstlerisches Credo ganz einfach: Wir machen die CDs, die wir schon immer selbst haben wollten. Seien Sie herzlich zu dieser abenteuerlichen Entdeckungsfahrt eingeladen!


Mehr Info...


Cover vergössern
Jetzt kaufen bei...

Titel bei JPC kaufen


Weitere Besprechungen zum Label/Verlag cpo:

  • Zur Kritik... Mehr als vier Hände: Das Duo Genova-Dimitrov bietet an zwei Flügeln eine reiche Reinecke-Lese. Weiter...
    (Dr. Jürgen Schaarwächter, )
  • Zur Kritik... Ein Schatz: Johann Hermann Schein und seinem Israelsbrünnlein die Ehre zu geben, ist nie vertane Mühe: Opella Musica und Gregor Meyer reihen sich mit dieser exquisiten solistischen Deutung in die Folge künstlerisch hochstehender Gesamtbetrachtungen ein. Weiter...
    (Dr. Matthias Lange, )
  • Zur Kritik... Familiendinge: Familiendinge bei und mit den Bachs der verschiedenen Generationen und Zweige: Glücklich gefügt und luzide präsentiert vom Ensemble Polyharmonique und Teatro del mondo. Weiter...
    (Dr. Matthias Lange, )
blättern

Alle Kritiken von cpo...

Weitere CD-Besprechungen von Uwe Schneider:

  • Zur Kritik... Beverly Sills' amerikanische Norma: Nach über 30 Jahren ist die Studio-'Norma' von Beverly Sills erstmals auf CD erhältlich. Eine Wiederbegegnung mit jener Zeit, die das Ende des Belcanto-Gesangs einläutete. Weiter...
    (Uwe Schneider, )
  • Zur Kritik... Sinfonische Märchenoper: Das Märchen vom Fischer und seiner Frau als spätromantische Oper mit starken sinfonischen Akzenten. Musikalisch überzeugend dargeboten in einem Mitschnitt aus dem Theater Aachen. Weiter...
    (Uwe Schneider, )
  • Zur Kritik... Kleine Oper um eine große Primadonna: Entdeckungswürdige, charmante Konversationoper um eine Primadonna des 18. Jahrhunderts, von Gabriel Pierné in kunstvolle, subtile Klangfarben gesetzt. Weiter...
    (Uwe Schneider, )
blättern

Alle Kritiken von Uwe Schneider...

Weitere Kritiken interessanter Labels:

blättern

Alle CD-Kritiken...

Magazine zum Downloaden

NOTE 1 - Mitteilungen (3/2023) herunterladen (5000 KByte)

Anzeige

Jetzt im klassik.com Radio

Ignaz Joseph Pleyel: String Quartet Ben 342 in D major - Allegro molto

CD kaufen


Empfehlungen der Redaktion

Die Empfehlungen der klassik.com Redaktion...

Diese Einspielungen sollten in keiner Plattensammlung fehlen

weiter...


Portrait

Der Pianist Herbert Schuch im Gespräch mit klassik.com.

"Bei der großen Musik ist es eine Frage auf Leben und Tod."
Der Pianist Herbert Schuch im Gespräch mit klassik.com.

weiter...
Alle Interviews...


Hinweis:

Mit Namen oder Initialen gekennzeichnete Beiträge geben die Meinung des Verfassers, nicht aber unbedingt die Meinung der Redaktion wieder.

Die Bewertung der klassik.com-Autoren:

Überragend
Sehr gut
Gut
Durchschnittlich
Unterdurchschnittlich