
Offenbach, Jacques - Klavierwerke Vol. 2
Keine Funken
Label/Verlag: cpo
Detailinformationen zum besprochenen Titel
Vielleicht würde ja bereits ein anderer Interpret dem Projekt neue Funken abgewinnen. In Offenbachs Musik jedenfalls stecken diese überreich.
Die geplante Gesamteinspielung von Jacques Offenbachs Klavierwerken bleibt leider auch in ihrer zweiten Nummer problematisch. Ein Hauptproblem ist dabei der verwendete, im Klangbild zu moderne Steinway, der den Tanz- und Unterhaltungsstücken immer wieder eine klangliche Atmosphäre aufdringt, die nach Konzertsaal, nicht aber nach Salon oder Ballsaal klingt. Mit falscher Brillanz werden hier die gekonnt gemachten, mitunter raffinierten, dann wieder nur handwerklich ordentlichen Klavierpiècen Offenbachs künstlich aufgeblasen und entstellt. Das wohl aber schwerwiegendere Problem der Aufnahmen ist ihr Pianist Marco Sollini.
Schema-F
Der Italiener gilt als Interpret und Editor von Nischenrepertoire, vornehmlich des 19. Jahrhunderts. Sollini engagiert sich immer wieder für Klavierwerk Bellinis, Donizettis, Leoncavallos, Mascagnis, Puccinis und manch anderer italienischer Opernkomponisten. Das macht er stets solide und spieltechnisch ohne Tadel. Doch was ihm fehlt, je mehr man von ihm hört, ist die Fähigkeit den Stücken jeweils eine eigene Aura, etwas Charakteristisches abzugewinnen. In der ersten Folge dieser verdienstvollen Offenbach-Reihe des Osnabrücker Labels cpo wurde dies noch weitgehend dadurch aufgefangen, dass es sich bei den Stücken um zyklische Werke handelte, um biographische Porträts (vgl. meine Rezension bei klassik.com). Hier nun auf der neuesten Kompilation der Reihe, wo 16 Einzelstücke - Walzer, Polkas, Ländler – vereint sind, entfällt dies. Auch wenn die Stücke mit sprechenden Titeln überschrieben sind – wie zum Beispiel ‚Les Boules de neige’, ‚Le Postillon’, Les Belles Américaines’ oder ‚Souvenirs de Londres’ – so klingen sie unter Sollinis Fingern allesamt mechanisch nach Schema F. Dabei überspannen die ausgewählten Werke eine Schaffensphase von gut zweieinhalb Jahrzehnten! Von einer in diesem Zeitraum stattgefunden habenden Entwicklung hört man bei Sollini jedoch nichts.
Was Marco Sollini fehlt, ist die Fähigkeit den Stücken eine adäquate Ausdruckspalette zuzuweisen. Das bloße Abspielen der Melodielinie mit ihren hier recht stereotyp klingenden Begleitfiguren reicht eben nicht aus. Die starre Metrik Sollinis unterbindet agogische Momente, es fehlt an belebender Stimmbalance, an Hebungen und Senkungen, an drive. Hinzu kommt eine nahezu pausenlos verwendete Einheitslautstärke, die ein übriges tut um jegliche Variabilität zu unterdrücken. Diese Interpretationen gehen in ihrer schematischen Abspulung durch den Pianisten nicht ins Tanzbein. Doch genau dafür ist diese Musik geschrieben worden. Diese im dritten Viertel des 19. Jahrhunderts entstandenen Stücke sind keine galanten Salonmusiken à la Chopin und schon recht keine Werke für das große Konzertpodium. Hier fehlt Sollini – aber wohl auch dem Produktionsteam – das nötige stilistische Empfinden. So verwundert es auch nicht, dass ein reichlich plattes Arrangement des bekannten ‚Galop infernal’ (besser bekannt als Offenbachs ‚Can-Can’) aus ‘Orpheus in der Unterwelt’ von Marco Sollini selbst diese enttäuschende CD beendet.
Da scheint es auch zu passen, dass der Begleittext im Beiheft hinter dem sonst üblichen cpo-Standard zurückbleibt. Lediglich die technische Seite der Produktion ist auf gewohntem Niveau. Es wäre schade, wenn diese verdienstvolle Edition in der Mittelmäßigkeit der Interpretation untergehen würde. Vielleicht würde ja bereits ein anderer Interpret dem Projekt neue Funken abgewinnen. In Offenbachs Musik jedenfalls stecken diese überreich.
Interpretation: Klangqualität: Repertoirewert: Booklet: |
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Detail-Informationen zum vorliegenden Titel:
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Offenbach, Jacques: Klavierwerke Vol. 2 |
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Label: Anzahl Medien: Veröffentlichung: Spielzeit: Aufnahmejahr: |
cpo 1 18.07.2006 68:50 2005 |
Medium:
EAN: BestellNr.: |
CD
761203716128 CPO 777 161-2 |
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Offenbach, Jacques |
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cpo Wohl kaum ein zweites Label hat in letzter Zeit soviel internationale Aufmerksamkeit erregt wie cpo. Die Fachwelt rühmt einhellig eine überzeugende Repertoirekonzeption, die auf hohem künstlerischen Niveau verwirklicht wird und in den Booklets eine geradezu beispielhafte Dokumentation erfährt. Der Höhepunkt dieser allgemeinen Anerkennung war sicherlich die Verleihung des "Cannes Classical Award" für das beste Label (weltweit!) auf der MIDEM im Januar 1995 und gerade wurde cpo der niedersächsische Musikpreis 2003 in "Würdigung der schöpferischen Leistungen" zuerkannt.
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