
Furrer, Beat - Fama
Frisch aus Donaueschingen
Label/Verlag: Kairos
Detailinformationen zum besprochenen Titel
Auffällig an Beat Furrers Stil ist seine Unauffälligkeit. Viele Komponisten erkennt man nach wenigen Sekunden, Furrer erst nach einem Blick ins Programmheft.
Fama ist in der römischen Mythologie das personifizierte Gerücht. Sie sitzt in einem Haus mit tausend Öffnungen und späht und lauscht pausenlos in die Ferne. Die zahllose Schar ihrer Hausgenossen gibt jedes Gerücht von Mund zu Mund weiter, und jeder ist so frei, nach belieben etwas an jedes Gerücht anzuhängen.
Schnitzler als Vorlage
Diesen Mythos hat Beat Furrer in seinem Hörtheater ,Fama’ vielschichtig verarbeitet. Das Libretto, ein innerer Monolog, hat Furrer zum größten Teil Arthur Schnitzlers Novelle ,Fräulein Else’ entnommen. Else sieht sich gezwungen, ihren verschuldeten Vater mit Prostitution zu retten. Sie überinterpretiert das Verhalten anderer Menschen, ihr Gehirn spinnt die Gedanken zu inneren Gerüchten fort. Aus diesem Strudel findet sie kein Entkommen. Wozu auch? Die Gerüchte draußen untergraben ihre gesellschaftliche Existenz und zerstören damit auch sie selbst. Der Hörer in Furrers Hörtheater sieht nicht, was draußen passiert, er erfährt das Geschehen ausschließlich gerüchteweise aus Elses Monolog. Furrer hat auch den Raum mit einkomponiert – der Hörer sitzt drinnen und zählt nunmehr zu Famas Schar.
Auffällig an Beat Furrers Stil ist seine Unauffälligkeit. Viele Komponisten erkennt man nach wenigen Sekunden, Furrer erst nach einem Blick ins Programmheft. Er versteckt sich, er objektiviert seine Musik. Das geht so sogar so weit, dass einige Passagen stilistisch eher anderen Komponisten entsprechen. So ist die 4. Szene eine raffinierte Kreuzung zwischen Gérard Grisey und Salvatore Sciarrino. Ein weiterer Verweis auf Fama?
Kairos veröffentlicht das Hörtheater, vor einem halben Jahr erst in Donaueschingen aufgeführt, als Hybrid-CD. Es stellt wegen der Vielfalt feinster Klänge höchste Ansprüche an die Aufnahmetechnik. Man kann nur staunen, wie es der Tontechnik bereits auf der CD-Spur gelungen ist, wirklich jeden feinsten Klang selbst im größten Trubel einzufangen. Respekt!
Herausragende Interpretation
Respekt natürlich auch für Furrers Leistung: ,Fama’ ist ein spannendes und vielschichtiges Werk, dass man sich gerne öfter anhört. Ebenfalls Respekt für das überaus genaue Spiel des Klangforums Wien unter Beat Furrers eigener Leitung. Herausragend zudem die stimmliche Leistung der Sprecherin Isabelle Menke: sehr facettenreichreich gibt sie überaus glaubhaft die im Strudel ihrer Gedanken gefangene Else.
Etwas eigenwillig gerät Kairos wieder einmal die Textauswahl. Neben einer sehr guten Einführung in die Komposition, einer ,Handlungszusammenfassung’ und dem Libretto findet sich auch ein achtseitiges (!) Interview zwischen Beat Furrer und Martin Kaltenecker. Letzteres auf Französisch. Ohne Übersetzung. Dennoch, eine dicke Empfehlung.
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Detail-Informationen zum vorliegenden Titel:
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Furrer, Beat: Fama |
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Label: Anzahl Medien: Veröffentlichung: |
Kairos 1 21.07.2006 |
Medium:
EAN: |
CD
9120010281020 |
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