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Freitag, 22. September 2023

Dave Helbock Trio - Transformation

Gelungene Gratwanderung zwischen Jazz und Klassik


Label/Verlag: Gramola
Detailinformationen zum besprochenen Titel


Der Name ist Programm, denn Dave Helbock begibt sich auf seinem jüngst veröffentlichten Album ‚Transformation’ auf eine gewagte Gradwanderung zwischen Jazz und Klassik.

Der Name ist Programm, denn Dave Helbock begibt sich auf seinem jüngst veröffentlichten Album ‚Transformation’ auf eine gewagte Gratwanderung zwischen Jazz und Klassik.

Bereits auf seiner 2003 eingespielten Solo-Piano-CD ‚Emotions’ (beide Gramola) zeigte der junge österreichische Pianist, dass er sowohl im Bereich des Jazz als auch der Klassik zu Hause ist. Und so wagt er sich auf ‚Transformation’, zusammen mit Stephan Reinthaler am Kontrabass und Bernhard Riedmann am Schlagzeug, an Werke von Johann Sebastian Bach, Ludwig van Beethoven, Frederic Chopin, Robert Schumann und Bela Bartok.

Dabei soll „das simple Verjazzen von klassischer Musik bewusst vermieden werden“, so Helbock in der einführenden Einleitung des Booklets. Vielmehr geht es ihm darum Inspiration aus den klassischen Werken zu ziehen, Einflüsse beider musikalischer Welten zu verbinden und Zitate aus den entsprechenden Werken der eigenen Musik gegenüberzustellen. Dass ihm gerade diese Gegenüberstellung wichtig ist, zeigt auch die Dramaturgie des Albums, denn den meisten Kompositionen des Dave Helbock Trios wird das inspirationsgebende klassische Werk im Original vorangestellt. So kann der Hörer genaustens nachvollziehen, welche Stimmungen und Zitate Helbock beeinflusst haben. Aus Robert Schumanns ‚Davidsbündertänze’ op.6 Nr.6 entwickelt sich beispielsweise in Anlehnung an die fiktiven Charaktere Florestan und Eusebius, die Schumann nutzte um verschiedene Stimmungen von Werken zu verdeutlichen, Helbocks ‚Florestan Dance’.

Bachs Fuge Nr. 20 in a-Moll (BWV 865) aus dem ‚Wohltemperierten Klavier’ hingegen wird zu einem ‚Bach-Bebop’ gewandelt, der in jazztypischer Triobesetzung zunächst nah am Original bleibt, dann über Variationen des Themas in die improvisierten Soli von Bass und Klavier überleitet.

Überwiegend gelungene Transformationen

Auch wenn Dave Helbock sich souverän zwischen Jazz und Klassik hin und her bewegt, überzeugt seine Interpretation von Frederic Chopins Etüde in Es-Dur op.10 Nr.11 aufgrund einer gewissen Rastlosigkeit im Vortrag nicht besonders. Der von Chopin inspirierte ‚French Samba’ allerdings, dürfte eine der stärksten Kompositionen der gesamten CD sei. Eingebettet in lateinamerikanische Rhythmik wird das Hauptthema zunächst unter Beibehaltung des romantischen Ausdrucks vorgestellt, dann nach und nach umspielt, bis es sich letztlich in die folgenden Soli aufzulösen scheint. Durch etüdenhafte Läufe und subtile motivische Arbeit bleibt der Bezug zu Chopin in der gesamten Improvisation erhalten ohne dabei einfältig zu wirken.

Insbesondere Ludwig van Beethoven scheint Dave Helbock für seine Transformationen inspiriert zu haben, denn aus dessen Sonate für Klavier Nr. 12 in As-Dur op.26 ‚verarbeitet’ Helbock gleich mehrere Sätze. Zunächst wird auch hier das Thema der Sonate für Klavier solo vorgestellt, dann folgen eine Bearbeitung des ersten Satzes ‚Andante con variazioni’ die bei Helbock den Titel ‚Ludwigs Marathon’ erhält, der Trauermarsch ‚Marcia funebre sulla morte d’un Eroe’ der schlicht zum ‚Trauerrock’ wird, sowie die vom letzten Satz der Sonate inspirierte Komposition ‚Starvial’. Die Bearbeitung des ersten Satzes zeichnet sich vor allem durch ein Spiel mit Dynamik aus. Nach der Vorstellung des Themas folgt eine perkussiv-anmutende Überleitung, die zunächst vom Kontrabass, dann auch vom Schlagzeug getragen wird. Die ruhige Stimmung steigert sich allmählich zu einer enormen Komplexität, deren Intensität durch die sequenzartige Wiederholung des musikalischen Motivs noch gesteigert wird. Allein der darauf folgende Einsatz des gestrichenen Basses scheint etwas fragwürdig, erweitert aber durch entsprechende Effekte das Klangspektrum der Komposition.

Musikalisch interessant ist die äußerst gelungene Umsetzung von Beethovens ‚Marcia funebre sulla morte d’un Eroe’. Der ‚Trauerrock’ beginnt mit einer bedrohlich, grollenden fast sphärischen Stimmung, erzeugt durch tiefe Bassklänge und das Spiel auf den Saiten des Flügels. Das Helbock Trio nimmt sich viel Zeit, um diese Stimmung auszukosten, bis schließlich das Klavier einsetzt und das Thema aufnimmt. Der ‚Rock’-Charakter des Stückes wird im Verlauf durch einen typischen ‚Rock-Groove’ des Schlagszeugs und die viertelorientierte Begleitung des Basses, wie sie in Rockmusik häufig in den Gitarren zu hören ist, erzeugt. Helbock gelingt es ohne Zweifel durch Einsatz typischer Stilmerkmale der Rockmusik und feinstem Gespür für den Charakter der Vorlage Beethovens eine interessante Verschmelzung zweier äußerst verschiedener musikalischer Stilistiken zu erschaffen.

Nicht nur Werke unterschiedlichster Epochen stehen Pate für Helbocks Kompositionen, sondern auch verschiedenste Stilistiken des Jazz. Neben den bereits gehörten Bebop, Bossa und Samba ist abschließend auch noch ein Blues zu hören. Interessant dabei ist, dass Helbock gerade mit einem Werk der Moderne, den Bogen zu diesem Vorläufer des Jazz schlägt. Bela Bartoks Bulgarischer Tanz Nr.6 aus dem sechsten Band des Zyklus ‚Mikrokosmus’ wird hier kurzerhand zu ‚Bartok’s Blues’.

Besonders hervorzuheben ist der Einstieg dieser Komposition, der sich zunächst ausschließlich der rhythmischen Ebene von Bartoks ‚Bulgarischem Tanz’ widmet. Das Schlagzeug beginnt solo, steigert sich und baut nach und nach eine rhythmisch komplexe Struktur auf, in dass das Klavier mit dem Thema einsteigt.

Formal ist die Komposition ein Jazzblues, der gesamte Klangeindruck orientiert sich jedoch vor allem an Energie und Ausdruck der bartokschen Vorlage. In einer ausschweifenden Improvisation zeigt Helbock sein Talent für atemberaubende Läufe und exakte Phrasierung ohne jedoch den Bezug zu Bartok auch nur ein einziges Mal zu verlieren.

Talentierter Jungpianist

Dave Helbock beweißt mit seinem Spiel und insbesondere auch mit seinen Kompositionen, dass er bereits mit seinen 22 Jahren (Jg. 1984) ein hervorragender Musiker ist. Seine Kompositionen verbinden unterschiedlichste Stilistiken von Klassik über Jazz bis zum Rock, verlieren dabei jedoch nicht den spezifischen Charakter ihrer Vorlage. ‚French Samba’ lässt eindeutig Chopin sprechen, während der ‚Bach-Bebop’ charakteristisch auf die Kompositionsweise Johann Sebastian Bachs verweist. Verwechslung ausgeschlossen! Und dies nicht nur in den Umsetzungen der jeweiligen Werke, sondern auch in den Improvisationen, die Helbock und seine Kollegen abliefern. Das Ziel Klassisches nicht einfach nur zu ‚Verjazzen’, sondern mit der eigenen Musik zu kontrastieren und zu verbinden, ist dem Trio durchgehend gelungen.

Interpretation:
Klangqualität:
Repertoirewert: 
Booklet:




Kritik von Christina Prediger,


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Detail-Informationen zum vorliegenden Titel:



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    Dave Helbock Trio: Transformation

Label:
Anzahl Medien:
Veröffentlichung:
Gramola
1
01.11.2012
Medium:
EAN:

CD
8003643987723


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Gramola

Gramola wurde im Jahr 1924 als Detailgeschäft und Vertrieb der beiden englischen Plattenlabels „Gramola“ und „His Master’s Voice“ gegründet. Durch den damaligen Vertrieb dieser Labels ist eines der ganz wenigen, weltweit noch existierenden Originalbilder des legendären, der Stimme seines Herrn lauschenden Hundes „Nipper“ noch heute im Geschäft zu besichtigen. Das Unternehmen ist heute das älteste Tonträgergeschäft Österreichs und arbeitet inzwischen als Familienbetrieb in der fünften Generation. In internationalen Rankings um das beste Klassikfachgeschäft der Welt nahm Gramola mehrmals Spitzenränge ein. Das denkmalgeschützte Geschäftslokal in Wien am Graben wurde nach einem Jugendstilentwurf von Dagobert Peche in den frühen Zwanzigerjahren des vorigen Jahrhunderts erbaut.

Vor etwa 10 Jahren wurde bei Gramola die Produktion von Klassik-CDs wieder aufgenommen und konnte seither durch seine international vielfach ausgezeichneten Produktionen den allerhöchsten Qualitätsstandard österreichischer Musikschaffender nachdrücklich unter Beweis stellen. Gramola-CDs sind inzwischen in allen klassikinteressierten Ländern zwischen Tokyo und New York zu haben. Ergänzt wird das Gramola-Angebot durch ein Webshop, das rund um den Kalender bereitsteht, Kundenwünsche auch außerhalb regulärer Ladenöffnungszeiten zu erfüllen.


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