
Shostakovich, Dimitri - Sir Georg Solti in Concert
Falscher Glanz und echtes Pathos
Label/Verlag: Arthaus Musik
Detailinformationen zum besprochenen Titel
Musikalisch gesehen bietet die DVD nicht nur spätromantisches Futter für Solti-Fans.
Sir Georg Solti und das Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks mit Tschaikowskys Schmelz in seiner 6. Sinfonie und mit Schostakowitschs bisweilen grell-verdrehter 9. Sinfonie – der Anreiz dieser DVD ist nicht schwer zu erklären. Doch wie immer bei filmischen Veröffentlichungen von Live-Konzerten muss man auch die Frage nach der Existenzberechtigung stellen, was diese musikalisch hochrangige DVD nicht bietet, ist mehr als diese beiden Sinfonien, wieder einmal wird die Chance auf dokumentarische Extras verspielt, in Bescheidenheit müssen sich potentielle Käufer üben.
Wertvoller Inhalt
Musikalisch gesehen bietet die DVD nicht nur spätromantisches Futter für Solti-Fans, die Interpretationen der 6. von Tschaikowsky und vor allem der 9. von Schostakowitsch werden durch das Engagement des Orchesters und Sir Soltis straffe und zugleich packende Lesart genährt. Die Tempi zeigen sich stets der schnelleren Variante zugetan und mit einer gewissen, für Solti bezeichnenden Härte und Akkuratesse im Klang wirbeln vor allem die schnellen Sätze der Sinfonien durch das Orchester. Tschaikowskys Geschwindmarsch im dritten Satz könnte auch ein vorgezogenes Jubelfinale bedeuten, der Kopfsatz wird durch konsequente Temposteigerung von Sentimentalität befreit zugunsten eines glaubwürdigen Pathos. Die Fortführung dessen findet sich in den halsbrecherischen Szenen aus Schostakowitschs 9. Sinfonie: es gelingt der überdrehte Taumel anstelle von jubelnden Märschen, Solti spitzt die blitzende Virtuosität des Orchesters so zu, dass man grell-geblendet den falschen Glanz hinter der Fassade noch schimmern sieht – immerhin war die 9. als Jubelsinfonie nach dem Krieg à la Beethovens großem Vorbild bestellt und angekündigt worden, doch Schostakowitschs parodistische, ja bisweilen zynische Reaktion konnte nicht von aufrichtigem Jubel erzählen und wer seine unmittelbar vorangegangene 8. Sinfonie im Ohr hat, dem werden sich bei diesem Werk die Ohren umstülpen.
Die zahlreichen innigen Szenen der ’Pathétique’ hingegen könnten andere Klangnuancen vertragen, zuviel Durchschlagskraft besitzt noch das finale Adagio Lamentoso, zu gerade walzert der liedhafte zweite Satz. Besser gelingen die Gegensätze in Schostakowitschs drittem Satz, dem einzig mäßig bewegten der Sinfonie. Die Düsternis des Posaunenchorals und die zerbrechliche Fagottpassage künden von ungeschminkter Depression, die Solti frei durch das flexible Orchester führt.
Wertlose Verpackung
So hochwertig die Musikalität, so leer der Rest des Eindrucks. Wie schon erwähnt fehlen gänzlich Hintergrundinformationen, Probenausschnitte, Biographien oder ähnliches. Auch wenn die beiden Sinfonien ihren deutlichen Anreiz haben, so werden doch die zahlreichen Möglichkeiten des Mediums einer DVD verschenkt. Anhänger Sir Soltis und Livemitschnitt-erprobte Liebhaber werden schnell darüber hinwegsehen können und sich an den Klängen erfreuen, doch liebevoll gestaltete, hochwertige Veröffentlichung sehen leider etwas anders aus.
Interpretation: Klangqualität: Repertoirewert: Booklet: Features: |
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Detail-Informationen zum vorliegenden Titel:
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Shostakovich, Dimitri: Sir Georg Solti in Concert |
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Label: Anzahl Medien: Veröffentlichung: Spielzeit: Aufnahmejahr: |
Arthaus Musik 1 08.05.2006 72:00 1990 |
Medium:
EAN: BestellNr.: |
DVD
4006680103020 100 302 |
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Arthaus Musik Arthaus Musik wurde im März 2000 in München gegründet und hat seit 2007 seinen Firmensitz in Halle (Saale), der Geburtsstadt Georg Friedrich Händels. Zahlreiche Veröffentlichungen des Labels wurden mit internationalen Preisen ausgezeichnet, darunter der Oscar-prämierte Animationsfilm ?Peter & der Wolf? von Suzie Templeton, die aufwändig produzierte ?Walter-Felsenstein-Edition? und die von Sasha Waltz choreographierte Oper ?Dido und Aeneas?, die beide den Preis der deutschen Schallplattenkritik erhielten. Mit dem Midem Classical Award wurden u. a. die Dokumentationen ?Herbert von Karajan ? Maestro for the Screen? von Georg Wübbolt und ?Celibidache ? You don?t do anything, you let it evolve? von Jan Schmidt-Garre ausgezeichnet. Die Dokumentation ?Carlos Kleiber ? Traces to nowhere? von Eric Schulz erhielt den ECHO Klassik 2011. Mit der Tochterfirma Monarda Arts besitzt Arthaus Musik eine ca. 900 Produktionen umfassende Rechtebibliothek zur DVD-, TV- und Onlineauswertung. Seit 2007 entwickelt das Unternehmen kontinuierlich die Sparte Eigenproduktion mit der Aufzeichnung von Opern, Konzerten, Balletten und der Produktion von Kunst- und Musikdokumentationen weiter. Arthaus Musik DVDs und Blu-ray Discs werden über ein leistungsfähiges Vertriebsnetz, u.a. in Kooperation mit Naxos Global Distribution in ca. 70 Ländern der Welt aktiv vertrieben. Darüber hinaus veröffentlicht und vertreibt Arthaus Musik die 3sat-DVD-Edition und betreut für den Buchhandel u.a. die Buch- und DVD-Edition über Pina Bausch von LArche Editeur, Preisträger des Prix de lAcadémie de Berlin 2010. Mehr Info... |
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