
Grisey, Gérard - Solo pour deux
Klangraumkontinuum
Label/Verlag: Kairos
Detailinformationen zum besprochenen Titel
Auch diesmal überzeugt Kairos wieder mit zupackend interpretierter Neue Musik, einer ausgezeichneten Klangqualität und einer edlen Verpackung.
Nach herausragenden Einspielungen von Gérard Griseys größeren Werken ,Quatre chants pour franchir le seuil’ und ,Les Espaces Acoustiques’ legt das Wiener Label Kairos nunmehr die dritte dem 1998 verstorbenen französischem Komponisten gewidmete Platte vor. Auch diesmal überzeugt Kairos wieder mit zupackend interpretierter Neue Musik, einer ausgezeichneten Klangqualität und einer edlen Verpackung.
Mit den fünf eingespielten Werken – zwei Soli, zwei Duos und ein Sextett – präsentiert KAIROS auch zwei Erstaufnahmen. Die erste der beiden, ,Charme’ ein Solo für Klarinette, nennt Grisey ,ein Werk einer Jugendlichkeit’. Hier hat Grisey die ihm eigene Sprache noch nicht entwickelt, entsprechend distanziert er sich von diesem frühen, noch mit Reihentechniken geformten Stück.
Perfekte Illusion
In ,Solo pour deux’ lotet Grisey die Möglichkeiten der Instrumentalsynthese zwischen Posaune und Klarinette aus. Dies gelingt ihm auch überraschend gut, zumal eine kammermusikalisch verwendete Posaune gewöhnlich alles erstickt. Versucht man beim Hören die Trennung nicht zu erzwingen, hört man tatsächlich die Illusion eines neuen Instruments. Grisey verschmilzt die Instrumente nicht nur im Gleichklang, sondern und vor allem auch im Nacheinander. So hört man Läufe, deren tiefen Töne von der Posaune, die hohen dagegen von der Klarinette gespielt werden. Perfekt interpretiert ist die Illusion ein einziges Instrument zu hören nahezu vollkommen. Hier zeigt sich, was auch für die übrigen Stücke der CD zutrifft, eine musikalische Herangehensweise Griseys: er sieht das jeweilige Stück als einen einzigen, andauernden Klang, den er allmählich verändert. Mit wenigem Ausgangsmaterial gelingt es ihm jeweils eine ungeahnte, variationsreiche Klangfülle zu entlocken.
,Anubis-Nout’, das mit seinem auf ägyptische Todesmythologie verweisendem Titel Raum für Spekulationen öffnet, ist ein Stück für Solokontrabassklarinette, ein ansonsten eher unterschätztes Instrument. Mit seinen tiefen, obertonreichen Tönen und der Möglichkeit zu Mehrklängen ist jedoch überaus geeignet für die spektralen Elemente in Griseys Musik.
Die beiden faszinierendsten Stücke der CD sind die Schlagzeugkompositionen ,Stéle’ für zwei und ,Tempus ex machina’ für sechs Schlagzeuger. Auch hier entfaltet Grisey ein für diese Instrumente kaum für möglich gehaltenes Klangraumkontinuum - Klangwellen, die den Hörer überfluten. Es ist, als könnte man die Hammerschläge eines Demiurgen hören.
Leider genügt der Text des Booklets dem selbst gesetzten hohen Anspruch des Labels nicht. Warum wurden die abgedruckten französischen Kommentare Griseys zu den einzelnen Kompositionen nur teilweise übersetzt? Auf die Übersetzung der englisch verfassten, allgemeineren Gedanken Griseys wurde ganz verzichtet. Der sonstige von Wolfgang Hofer verfasste Booklettext ist zudem eher verwirrend als hilfreich. Bleibt zu hoffen, dass Kairos daran zukünftig arbeiten wird. Trotzdem eine ausgezeichnete Produktion.
Dieser Beitrag hat Ihnen gefallen? Empfehlen Sie ihn weiter!
Ihre Meinung? Kommentieren Sie diesen Artikel
Jetzt einloggen, um zu kommentieren.
Sind Sie bei klassik.com noch nicht als Nutzer angemeldet, können Sie sich hier registrieren.
Detail-Informationen zum vorliegenden Titel:
![]() Cover vergrößern |
Grisey, Gérard: Solo pour deux |
|||
Label: Anzahl Medien: Veröffentlichung: |
Kairos 1 21.04.2006 |
Medium:
EAN: |
CD
9120010281006 |
![]() Cover vergössern |
Kairos Der unwiderstehliche Klang der Neuen Musik. Mehr Info... |
![]() Cover vergössern |
Jetzt kaufen bei...![]() |
Weitere Besprechungen zum Label/Verlag Kairos:
-
Federleicht wie Träume: Aufbruch in die Klangwelten Salvatore Sciarrinos. Weiter...
(Michael Pitz-Grewenig, )
-
Inspiration und Handwerk: Einblicke in das Schaffen der letzten zehn Jahre von Rebecca Saunders. Weiter...
(Michael Pitz-Grewenig, )
-
Schnitzel und Bier: Friedrich Cerhas Beitrag zur Wiener Volkskunst. Weiter...
(Michael Pitz-Grewenig, )
Weitere CD-Besprechungen von Patrick Beck:
-
Quartett trifft Human Beatboxing: Zweite CD des polnischen Quartetts Kwartludium. Kwartludium spielt die hier vorgestellten Kompositionen genau, sorgfältig, mit viel Liebe, atmosphärisch und vor allem überaus lebendig. Weiter...
(Patrick Beck, )
-
Unsuk Chin wieder aufgelegt: Das Ensemble Intercontemporain spielt Werke von Unsuk Chin - auch in Wiederauflage eine tolle Aufnahme. Weiter...
(Patrick Beck, )
-
Edgar Varèse in Salzburg: Ein kostbares Dokument der Salzburger Festspiele 2009 mit Kompositionen Edgar Varèses. Weiter...
(Patrick Beck, )
Weitere Kritiken interessanter Labels:
-
Russische Cello-Raritäten: Marina Tarasova stellt hier zwei bemerkenswerte russische Cellosonaten des 20. Jahrhunderts vor. Weiter...
(Dr. Jan Kampmeier, )
-
Nicht verwandt und nicht verschwägert: Klaviermusik vom Mozart-Freund. Weiter...
(Dr. Jürgen Schaarwächter, )
-
Federleicht wie Träume: Aufbruch in die Klangwelten Salvatore Sciarrinos. Weiter...
(Michael Pitz-Grewenig, )
Portrait

"Auf der Klarinette den Sänger spielen, das ist einfach cool!"
Der Klarinettist Nicolai Pfeffer im Gespräch mit klassik.com.
Sponsored Links
- klassik.com Radio
- Urlaub im Schwarzwald
- Neue Musikzeitung
- StageKit - Websites für Musiker, Veranstalter und Konzertagenturen
Hinweis:
Mit Namen oder Initialen gekennzeichnete Beiträge geben die Meinung des Verfassers,
nicht aber unbedingt die Meinung der Redaktion wieder.
Die Bewertung der klassik.com-Autoren:
Überragend
Sehr gut
Gut
Durchschnittlich
Unterdurchschnittlich