
Brixi, Franz Xaver - Judas Iscariothes
Vertane Chance
Label/Verlag: Supraphon
Detailinformationen zum besprochenen Titel
Eine vertane Chance, ein Bärendienst für eine eventuelle Brixi-Renaissance!
Die Musik großer, etablierter Komponisten verliert auch durch schlechte Interpretationen nicht ihren Status; soll sich Musik unbekannter Komponisten einen Platz im Repertoire und im Bewusstsein des musikliebenden Publikums erobern, dann braucht es dazu hochkarätige Interpreten. Die vorliegende Einspielung ist ein eindrucksvoller Beleg für die Gültigkeit dieses ungeschriebenen Gesetzes des Plattenmarktes. In der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts zählte der Böhme Franz Xaver Brixi allerdings nicht zu den Unbekannten, sondern genoss als Komponist international höchstes Ansehen. Insbesondere seine zahlreichen kirchenmusikalischen Werke waren sehr weit verbreitet und außerordentlich beliebt – offenbar traf der Prager Domkapellmeister in ihnen den Nerv der Zeit.
Ein Oratorium italienischer Prägung
In seinem Oratorium ‚Judas Ischariotes’ folgt Brixi italienischen Vorbildern; es handelt sich mithin um eine Folge ausgedehnter Soloarien, am Beginn steht eine instrumentale ‚Introduzione’, am Schluss ein Chor. Die dramatische Spannung entfaltet sich nur in einer adäquaten Wiedergabe durch sensible, stilsichere Sänger: Leider kann die vorliegende Einspielung aus dem Jahr 1996 damit nicht aufwarten.
Kümmerliche Solistenleistungen
Sämtliche Solisten wirken deplaziert, sind im 18. Jahrhundert hörbar nicht zu Hause. Der Tenor Jirí Vinklárek agiert viel zu plump und opernhaft affektiert, kommt zudem in den Koloraturen ständig ins Stolpern, was zu geradezu grotesken Diskrepanzen zwischen Gesang und Begleitung führt. Skandalös und deplaziert! Grobschlächtig und viel zu schwer für Brixis bewegliche Gesangslinien ist auch Miloslav Podskalskýs Bass. Die schaumgebremsten Tempi in seinen Arien sind wohl auf seine mangelnde stimmliche Flexibilität zurückzuführen und fördern nicht gerade die Dramatik. Pavla Ksicová verfügt über eine glanz- und farblose, eindimensionale Altstimme, während Ludmila Vernerová (Sopran) sich in den Koloraturen eines eigentümlichen Staccato-Stils bedient, der wohl kaum im Sinne Brixis sein dürfte. Ansonsten ist die Sopranistin trotz ihres wenig individuellen Timbres fast schon ein Lichtblick.
Instrumental hausbacken, provinziell
Die instrumentale Begleitung durch das Ensemble ‚Musica Bohenmica’ wirkt eher hausbacken, wenig inspiriert und kaum beeinflusst von historischer Aufführungspraxis. Diese Einspielung wird Brixis kompositorischem Genie leider in keinerlei Hinsicht gerecht, die Interpretation ist zweitklassig und stilistisch inadäquat. Eine vertane Chance, ein Bärendienst für eine eventuelle Brixi-Renaissance!
Interpretation: Klangqualität: Repertoirewert: Booklet: |
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Detail-Informationen zum vorliegenden Titel:
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Brixi, Franz Xaver: Judas Iscariothes |
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Label: Anzahl Medien: Veröffentlichung: |
Supraphon 1 20.03.2006 |
Medium:
EAN: |
CD
099925386627 |
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Supraphon Supraphon Music ist das bedeutendste tschechische Musiklabel und besitzt bereits eine lange Geschichte. Der Name "Supraphon" (der ursprünglich ein elektrisches Grammophon bezeichnete, das zu seiner Zeit als Wunderwerk der Technik galt) wurde erstmals 1932 als Warenzeichen registriert. In den Nachkriegsjahren erschien bei diesem Label ein Großteil der für den Export bestimmten Aufnahmen, und Supraphon machte sich in den dreißiger und vierziger Jahren besonders um die Verbreitung von Schallplatten mit tschechischer klassischer Musik verdient. Die künstlerische Leitung des Labels baute allmählich einen umfangreichen Titelkatalog auf, der das Werk von BedYich Smetana, Antonín Dvorák und Leos Janácek in breiter Dimension erfasst, aber auch andere große Meister der tschechischen und der internationalen Musikszene nicht vernachlässigt. An der Entstehung dieses bemerkenswerten Katalogs, auf den Supraphon heute stolz zurückblickt, waren bedeutende in- und ausländische Solisten, Kammermusikensembles, Orchester und Dirigenten beteiligt. Mehr Info... |
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