
Schostakowitsch, Dimitri - Words of Michelangelo
Ein Bass zum Verlieben
Label/Verlag: Chandos
Detailinformationen zum besprochenen Titel
Wegen Ildar Abrazakov ist diese CD ein Muss für alle Fans von außergewöhnlichen Bassstimmen.
Was an dieser Aufnahme von Schostakowitschs ‚Suite nach Gedichten von Michaelangelo’ Op. 145a – im Jahr vor seinem Tod 1974 komponiert – sofort auffällt und einen nicht wieder loslässt, ist der ungeheuer einschmeichelnde Klang. Sowohl der des BBC Philharmonic Orchestra unter Leitung von Gianandrea Noseda. Vor allem aber der des jungen russischen Bassisten Ildar Abrazakov. Sein warm dahinströmender Gesang ist nicht anders denn als ‚sensationell’ zu bezeichnen. Die Stimme von Abrazakov erinnerte mich beim ersten Hören an den großen Alexander Kipnis – das gleiche samtweiche Timbre, die gleiche kultivierte Vortragsweise, die gleiche Ruhe im Singen. Man wird geradezu hypnotisiert von diesen Klängen, die sich sehr von dem unterscheiden, was man sonst an russischen Bassisten kennt. Hier tritt zwar ein Sänger mit dunkler Stimme auf, aber es ist kein rabenschwarzer Charakterbass, aus dem die Tiefe der russischen Seele spricht, sondern es ist ein nobler basso cantante. Eher ein Cesare Siepi als ein Feodor Schaljapin. (Und es überrascht nicht, dass eine Paraderolle des auffallend attraktiven Abrazakov der Don Giovanni ist, mit dem er an der New Yorker Met debütierte.)
Abrazakov gestaltet die elf Michelangelo-Lieder wie eine mächtig rauschende Meditation über Leben und Tod. Sicher wären im Idealfall mehr Klangfarben hilfreich, mehr Pointiertheit des Texts, mehr Abwechslung. Trotzdem wirkt diese Wiedergabe selten eintönig. Das liegt auch an der farbigen Orchesterbegleitung, die aber nie grob wird. Der Italiener Gianandrea Noseda nähert sich Schostakowitsch von einer belcantistischen Seite. Und das bekommt diesen teils schroffen Liedern – zur Abwechslung – recht gut.
Allerdings hätte ich mir persönlich nach der ‚Michelangelo Suite’ einen größeren Kontrast gewünscht, nicht noch einmal sechs Romanzen für Bass und Orchester (nach Versen von Raleigh, Burns und Shakespeare, alle auf russisch). Da diese Lieder in der stilistischen Präsentation sehr dem vorangegangen Zyklus ähneln, ermüdet der unbebrochene Wohlklang irgendwann doch.
Etwas deutlich anderes ist das letzte Stück der CD, das Symphonische Gedicht ‚Oktober’ Op. 132. Es entstand 1967 zum 50. Jahrestag der russischen Oktoberrevolution. Ein herrliches Stück. Krachend. Knallend. Aufwühlend. Dramatisch. Dass es so selten gespielt (und noch seltener aufgenommen wird) ist schade. Umso begrüßenswerter, dass Chandos diesen Titel nun im Rahmen seiner Schostakowitsch-Serie veröffentlicht und die schmale Diskographie des Werks erweitert.
Auch hier beeindruckt der sonore Klang des BBC Orchesters. Er erinnert stark an Hollywood, was in diesem Fall als Kompliment gemeint ist. Allerdings fehlt bei allem Schliff doch der Wille zum Extremen, zum Über-sich-hinauswachsen. Was Schostakowitsch da komponiert hat, kann durchaus explosiver klingen, als man es hier erlebt.
Insgesamt: Wegen Ildar Abrazakov ist diese CD ein Muss für alle Fans von außergewöhnlichen Bassstimmen. Der Mann hat das Potenzial ein männliches Äquivalent von Anna Netrebko zu werden. Optisch und stimmlich wären die beiden ein Traumpaar. (Das leider bei verschiedenen Plattengesellschaften unter Vertrag sind.)
Interpretation: Klangqualität: Repertoirewert: Booklet: |
![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() |
Dieser Beitrag hat Ihnen gefallen? Empfehlen Sie ihn weiter!
Ihre Meinung? Kommentieren Sie diesen Artikel
Jetzt einloggen, um zu kommentieren.
Sind Sie bei klassik.com noch nicht als Nutzer angemeldet, können Sie sich hier registrieren.
Detail-Informationen zum vorliegenden Titel:
![]() Cover vergrößern |
Schostakowitsch, Dimitri: Words of Michelangelo |
|||
Label: Anzahl Medien: Veröffentlichung: |
Chandos 1 24.03.2006 |
Medium:
EAN: |
CD
095115135822 |
![]() Cover vergössern |
Chandos Chandos Records was founded in 1979 by Brian Couzens and quickly established itself as one of the world's leading classical labels. Prior to forming the label, Brian Couzens, along with his son Ralph, worked for 8 years running a mobile recording unit recording for major labels (including RCA, Polydor, CFP, etc.) with many of the world's leading artists.
Mehr Info... |
![]() Cover vergössern |
Jetzt kaufen bei...![]() |
Weitere Besprechungen zum Label/Verlag Chandos:
-
Gehobene Unterhaltungsmusik: Die Orchesterwerke von Eric Coates verbreiten in der Interpretation durch John Wilson gute Laune. Weiter...
(Karin Coper, )
-
Raffiniert: Eine gute Kammermusik-CD leidet ein wenig am unausgegorenen Konzept. Weiter...
(Dr. Jürgen Schaarwächter, )
-
Strindberg-Vertonung: Die Neuaufnahme von William Alwyns 'Miss Julie' macht deutlich, dass diese Oper auf die Bühne gehört. Weiter...
(Karin Coper, )
Weitere CD-Besprechungen von Dr. Kevin Clarke:
-
Belcanto-Oper für Arbeiter: Im Rahmen einer Tournee für die Arbeiterkammer Wien spielte das Ensemble der Wiener Staatsoper 1977 'Don Pasquale' in einer Mehrzweckhalle in der Steiermark. Mit dabei: die junge Edita Gruberova neben Tenor Luigi Alva. Weiter...
(Dr. Kevin Clarke, )
-
Swarovski-Genitalien auf der Suche nach der Hölle: Zum Offenbach-Jubiläum 2019 spielten die Salzburger Festspiele erstmals eine Offenbach-Operette und übertrugen die Regie Barrie Kosky. Leider gaben sie ihm keine Besetzung, mit der dieser ein Wunder hätte vollbringen können. Weiter...
(Dr. Kevin Clarke, )
-
Zu erhaben: Eine neue Live-Aufnahme der 'Meistersinger von Nürnberg' von den Osterfestspielen Salzburg mit Christian Thielemann am Pult der Sächsischen Staatskapelle zelebriert Wagner in epischer Breite – und verliert dabei den Blick für Komödiantische. Weiter...
(Dr. Kevin Clarke, )
Weitere Kritiken interessanter Labels:
-
Belcanto-Oper für Arbeiter: Im Rahmen einer Tournee für die Arbeiterkammer Wien spielte das Ensemble der Wiener Staatsoper 1977 'Don Pasquale' in einer Mehrzweckhalle in der Steiermark. Mit dabei: die junge Edita Gruberova neben Tenor Luigi Alva. Weiter...
(Dr. Kevin Clarke, )
-
Bildgewaltige Erzählung: Schönbergs episches Oratorium ist in den Händen von Christian Thielemann und der Staatskapelle Dresden gut aufgehoben. Weiter...
(Thomas Gehrig, )
-
'Meine Liebe ist euer Tod': Eine fulminante Katharina Thalbach macht diese Einspielung von Bendas 'Medea'-Melodram zum Ereignis. Weiter...
(Benjamin Künzel, )
Portrait

Das Klavierduo Silver-Garburg über Leben und Konzertieren im Hier und Heute und eine neue CD mit Werken von Johannes Brahms
Sponsored Links
- klassik.com Radio
- Urlaub im Schwarzwald
- Neue Musikzeitung
- StageKit - Websites für Musiker, Veranstalter und Konzertagenturen
Hinweis:
Mit Namen oder Initialen gekennzeichnete Beiträge geben die Meinung des Verfassers,
nicht aber unbedingt die Meinung der Redaktion wieder.
Die Bewertung der klassik.com-Autoren:
Überragend
Sehr gut
Gut
Durchschnittlich
Unterdurchschnittlich