
Mahler, Gustav - Symphonie Nr. 4
Schlankheitskur
Label/Verlag: MDG
Detailinformationen zum besprochenen Titel
Mahler-Hörern, die ‘ihre’ Sinfonie einmal von einer ganz anderen Seite kennen lernen wollen, sei diese Aufnahme wärmstens empfohlen.
Eine weit verbreitete Tradition war es Anfang des 20. Jahrhunderts, sinfonische Werke in reduzierter Besetzung einer kleineren Hörerschar bekannt zu machen. Dafür steht beispielsweise Schönbergs Gründung seines Vereins für musikalische Privataufführungen, und die große Zahl von Bearbeitungen sinfonischer Werke für Klavier zu vier Händen oder Kammerensemble durch die Komponisten der Zweiten Wiener Schule.
Eine Aufnahme einer solchen Bearbeitung, nämlich der vierten Sinfonie von Gustav Mahler, liegt nun bei Dabringhaus & Grimm vor, in einer Fassung für Sopran, Streichquintett, Bläsertrio, zwei Klaviere, Harmonium und Schlagwerk. Das Arrangement stammt von Erwin Stein, einer von Schönbergs wichtigsten Vertrauten neben Alban Berg.
Hauptansinnen der Vereins-Bearbeitungen war es laut Schönberg, den Werken Klarheit und Konsequenz zu geben. Das ist im vorliegenden Falle zweifelsohne gelungen. Trotz der reduzierten Besetzung geht der orchestrale ‘Mahler-Klang’ selten verloren, und die Ensemblefassung bietet eine Durchlässigkeit und Konzentriertheit, die man im Konzertsaal oft vermisst – wo gerade bei Mahler orchestrale Klanggewalt über die auskomponierten Feinheiten der Partitur gestellt wird. Es scheint auch passend, dass gerade die vierte Sinfonie von Stein bearbeitet wurde. Sie ist ein der Sinfonien, die ohne großes Pathos daher kommt, gerade auch durch das Anti-Klimax-Finale, das Wunderhornlied vom himmlischen Leben.
Das Thomas Christian Ensemble, hier in der oben genannten Besetzung, interpretiert die Sinfonie ohne Zweifel ganz hervorragend. Man merkt auch bei jedem Ton, dass hier Musiker am Werk sind, die nicht nur kammermusikalisch, sondern auch sinfonisch versiert sind. Einziges Manko ist vielleicht die starke Dominanz der Holzbläser, was aber mit Sicherheit auch am Arrangement, vor allem im Verzicht auf den Einsatz der Blechblasinstrumente liegt. Die ganz besonders ausgefeilte Orchestrierung Mahlers kann natürlich in dieser reduzierten Besetzung kaum adäquat wieder gegeben werden. Es liegt der Akzent eher auf dem analytischen Hören von Mahlers Schaffen.
Besonders gefällt der vierte Satz, was ein großer Verdienst der bestens aufgelegten Sopranisten Christiane Oelze ist, eine der bedeutendsten Sopranistinnen der Gegenwart. Aus diesem Wunderhornsatz leiten sich auch motivisch-thematisch die anderen Sätze her, die ‘auf innigste und bedeutungsvollste mit dem letzen zusammenhängen’ (Mahler, 1911). Die programmatischen Erläuterungen Mahlers sind nicht immer leicht zu deuten – vielleicht weil sie auf den ersten Blick etwas zu einfach zu dechiffrieren scheinen. Nicht ohne Grund hat Mahler sie auch später alle zurückgezogen. Dennoch sei auf die Interpretation der vierten Sinfonie – entstanden nach den ‘Auferstehungs-Sinfonien, der zweiten und dritten – hingewiesen: es soll, so Mahler, um die ‘Heiterkeit einer höheren, uns fremden Welt […], die für uns etwas Schauerlich-Grauenvolles hat’ gehen. ‘Im letzten Satz erklärt das Kind, welches im Puppenstand doch dieser höheren Welt schon angehört, wie alles gemeint sei.’ Diese Heiterkeit, dieses himmlische Treiben lässt sich mit dem hier versammelten Instrumentalensemble bestens darstellen. Mahler-Hörern, die ‘ihre’ Sinfonie einmal von einer ganz anderen Seite kennen lernen wollen, sei diese Aufnahme wärmstens empfohlen.
Interpretation: Klangqualität: Repertoirewert: Booklet: |
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Detail-Informationen zum vorliegenden Titel:
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Mahler, Gustav: Symphonie Nr. 4 |
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Label: Anzahl Medien: Veröffentlichung: |
MDG 1 20.01.2006 |
Medium:
EAN: |
CD
760623132020 |
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MDG Die klangrealistische Tonaufnahme »Den beim Sprechen oder Musizieren entstehenden Schall festzuhalten, um ihn zu konservieren und beliebig reproduzieren zu können, ist eine Idee, die seit langem die Menschen beschäftigte. Waren zunächst eher magische Aspekte im Spiel, die die Phantasie beflügelten wie etwa bei Giovanni deila Porta, der 1598 den Schall in Bleiröhren auffangen wollte, so führte mit fortschreitender Entwicklung naturwissenschaftlichen Denkens ein verhältnismäßig gerader Weg zur Lösung...« (Riemann Musiklexikon)Seit Beginn der elektrischen Schallaufzeichnung ist der Tonmeister als »Klangregisseur« bei der Aufnahme natürlich dem Komponisten und dem Interpreten, aber auch dem Hörer verpflichtet. Die Mittel zur Tonaufzeichnung sind hinlänglich bekannt. Die Kriterien für ihren Einsatz bestimmt das Ohr. Deshalb für den Hörer hier eine Beschreibung unserer Hörvorstellung. Lifehaftigkeit In der Gewißheit, daß der Konzertsaal im Wohnzimmer (leider) nicht realisierbar ist, konzentriert sich unser Bemühen darauf, die Illusion einer Wirklichkeit zu vermitteln. Die Musik soll im Hörraum so wiedererstehen, daß spontan der Eindruck der Unmittelbarkeit entsteht, das lebendige Klanggeschehen mit der ganzen Atmosphäre der »Lifehaftigkeit« erlebt wird. Da wir praktisch ausschließlich menschliche Stimmen und »klassische« Instrumente - auch sie haben ihren Ursprung im Nachahmen der Stimme - aufnehmen, konzentriert sich unsere Klangvorstellung auf natürliche Klangbalance und tonale Ausgeglichenheit im Ganzen, und instrumentenhafte Klangtreue im Einzelnen. Darüber hinaus natürliche, ungebremste Dynamik und genaueste Auflösung auch der feinsten Spannungsbögen. Weitestgehend bestimmend für die Illusion der Lifehaftigkeit ist auch die Ortbarkeit der Klangquellen im Raum: freistehend, dreidimensional, realistisch.Musik entsteht im Raum Um diesen »Klangrealismus« einzufangen, ist bei den Aufnahmen von MDG eine natürliche Akustik unbedingte Voraussetzung. Mehr noch, für jede Produktion wird speziell in Hinblick auf die Besetzung und den Kompositionsstil der passende Aufnahmeraum ausgesucht. Anschließend wird »vor Ort« die optimale Plazierung der Musiker und Instrumente im Raum erarbeitet. Dieser ideale »Spielplatz« ermöglicht nun nicht nur die akustisch beste Aufnahme, sondern inspiriert durch seine Rückwirkung die Musiker zu einer lebendigen, anregenden Musizierlust und spannender Interpretation. Können Sie sich die Antwort des Musikers vorstellen auf die Frage, ob er lieber in einem trockenen Studio oder in einem Konzertsaal spielt?Die Aufnahme Ist der ideale Raum vorhanden, entscheidet sich der gute Ton an den Mikrofonen - verschiedene Typen mit speziellen klanglichen Eigenheiten stehen zur Auswahl und wollen mit dem Klang der Instrumente im Raum in Harmonie gebracht werden. Ebenso wichtig für eine natürliche Abbildung ist die Anordnung der Mikrofone, damit etwa die richtigen Nuancen in der solistischen Darstellung oder die Kompensation von Verdeckungseffekten realisierbar werden. Das puristische Ideal »nur zwei Mikrofone« kann selten den komplexen Anforderungen einer Aufnahme mit mehreren Instrumenten gerecht werden. Aber egal wie viele Mikrofone verwendet werden: Stellt sich ein natürlicher Klangeindruck ein, ist die Frage nach dem Zustandekommen des »Lifehaftigen« zweitrangig. Entscheidend ist, es klingt so, als wären nur zwei Mikrofone im Spiel.Ohne irgendwelche »Verschlimmbesserer« wie Filter, Limiter, Equalizer, künstlichen Hall etc. zu benutzen, sammeln wir die Mikro-Wellen übertragerlos in einem puristischen Mischpult und geben das mit elektrostatischem Kopfhörer kontrollierte Stereosignal linear und unbegrenzt an den AD-Wandler und zum digitalen Speicher weiter. Dadurch bleiben auch die feinsten Einschwingvorgänge erhalten. Auf der digitalen Ebene wird dann ohne klangmanipulierende Eingriffe mit dem eigenen Editor in unserem Hause das Band zur Herstellung der Compact Disc für den Hörer erstellt, für Ihr hoffentlich großes Hörvergnügen. Mehr Info... |
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