
Viardot Garcia, Pauline - Lieder
Belcantistisches Überraschung
Label/Verlag: Analekta
Detailinformationen zum besprochenen Titel
Aber vielleicht werden ja noch andere (deutsche) Sänger neugierig auf dieses weitgehend noch unentdeckte Liedgut - und erweitern ihren Horizont? Es lohnt sich.
Soviel gleich vorweg: diese CD mit Liedern von Pauline Viardot-Garcia (1821-1910), gesungen von der jungen kanadischen Sopranistin Isabel Bayrakdarian, ist ganz, ganz wundervoll... Einmal, weil die Stimme der mit Preisen und Engagements überhäuften Nachwuchskünstlerin aus Toronto von einer glockenhaften Reinheit und betörenden Schönheit ist und sich ihr Vortrag durch Grazie und großen persönlichen Charme auszeichnet – der für dieses Repertoire unerlässlich ist und den bei vielen modernen Sängern seltsamerweise vergeblich sucht.
Zum anderen, weil die Lieder selbst eine Offenbarung. Pauline Viardot-Garcia stammt aus der bedeutenden Sängerfamilie der Garcias, allen Belcanto-Fans bekannt, weil Vater Garcia der erste Figaro in Rossinis ‚Baribiere’ und Paulines Schwester die legendäre Maria Malibran war. Als La Malibran 1836 im Alter von nur 28 Jahren überraschend starb, musste die 14-jährige Pauline in ihre Rollen schlüpfen und begann kurz darauf eine gleichfalls legendäre Karriere quer durch Europa. Über ihren Auftritt als Desdemona in London, in Rossinis ‚Otello’, schrieb eine Zeitung: ‚Miss Garcia verfügt über eine fast jungfräuliche Reinheit der Stimme, die in allen Registern perfekt ausgeglichen ist.’ Gleichzeitig attestierte die Londoner Presse Pauline eine ‚sonore Fülle der Stimme’ und eine ‚kräftig vibrierende tiefe Lage“.
Viardot reiste durch alle großen Musikzentren Europas, traf Fürsten und Künstler, die sie in ihren Bann zog. Darunter auch Georges Sand, die die Hauptdarstellerin ihres Romans ‚Consuelo’ 1842 nach Pauline modellierte.
In den zahllosen Salons, in denen Pauline eingeladen war, führte sie oft und gern selbst komponierte Lieder auf. Diese sind in verschiedenen Sprachen verfasst und zeugen vom großen Sprachtalent der Autorin. Auf diese Weise entstanden etwa 200 Titel, die von traditionellen Liedsängern viel zu lange ignoriert wurden. Denn viele der auf dieser CD präsentierten 23 Titel sind es wert und würdig, neben den bekannten Liedern von Schubert, Schumann & Co. zu stehen. Sie zeichnen sich durch einschmeichelnde Melodik aus, rhythmische Vielfalt und teils folkloristische Anklänge (z.B. in spanischen Titeln wie ‚Madrid’). Schlichtweg überwältigend schön sind die deutschen Lieder, etwa ‚Des Nachts’ (‚Die Töne, die sich sanft/ und sehnsuchtsvoll Dir neigen,/ Durch dröhnen spät der Nacht/ Geheimnisvolles Schweigen’) und ‚Räthsel’ (‚In deinen Augen schlummert/ ein holdes Räthsel fort’). Hier kann man sich auch an der brillanten Klavierbegleitung des überaus attraktiven kanadisch-armenischen Pianisten Serouj Kradjian berauschen, der die Stimme von Isabel Bayrakdarian geradezu verführerisch umspielt. (Und man merkt hier auch, was für eine ausgezeichnete Pianistin Viardot gewesen sein muss, dass sie solche Begleitungen ersinnen konnte.)
Schon 1840 stellte Georges Sand fest: ‚Die Ankunft von Fräulein Garcia ist ein leuchtender Moment in der Geschichte der feministischen Kunst! Das Genie dieser Musikerin, die sowohl talentiert als auch inspiriert ist, demonstriert einen Fortschritt der Intelligenz, der sich nie zuvor so deutliche in weiblicher Kunst manifestiert hat.’ Dem ist nach dem Anhören dieser CD kaum etwas zuzufügen. Und wenn es einen (einzigen) Kritikpunkt an dieser gelungenen Aufnahme gibt, dann ist es die akzeptable, aber nicht wirklich interessante sprachliche Ausgestaltung der deutschen Lieder.
Aber vielleicht werden ja noch andere (deutsche) Sänger neugierig auf dieses weitgehend noch unentdeckte Liedgut – und erweitern ihren Horizont? Es lohnt sich.
Interpretation: Klangqualität: Repertoirewert: Booklet: |
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Detail-Informationen zum vorliegenden Titel:
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Viardot Garcia, Pauline: Lieder |
|||
Label: Anzahl Medien: Veröffentlichung: |
Analekta 1 21.04.2006 |
Medium:
EAN: |
CD
0774204990329 |
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